Rationales Vorgehen |
13.09.2011 10:56 Uhr |
Es ist offensichtlich derzeit en vogue, Bemühungen um den Fortschritt bei der Behandlung schwerer Krankheiten zu kritisieren und als pure Geschäftemacherei zu diskreditieren. Zumindest berichteten zuletzt sowohl die »Süddeutsche Zeitung« als auch der »Spiegel« sehr kritisch über die personalisierte Medizin.
Der PZ-Beitrag von Daniel Merck und Manfred Schubert-Zsilavecz wird dann doch deutlich konkreter (lesen Sie dazu Personalisierte Medizin: Neue Ansätze bei Mukoviszidose). Hier wird am Beispiel der Mukoviszidose aufgezeigt, welches Potenzial die personalisierte Medizin zu bieten hat.
Die Mukoviszidose ist eine seltene Krankheit. Aber sie ist eine der häufigsten Erbkrankheiten unter Kaukasiern. Jeder 25. Europäer ist Träger einer Mutation, die diese schwere Krankheit verursacht, wenn Vater und Mutter jeweils ein mutiertes Chromosom ihrem Neugeborenen vererben.
Bislang galt eine Gentherapie als denkbare Behandlungsstrategie. Aber ein schneller Erfolg ist hier nach diversen Rückschlägen nicht absehbar. Nun treten Ansätze in den Vordergrund, die Apothekern viel näher stehen: die Behandlung mit oral verfügbaren, niedermolekularen Wirkstoffen. Diese scheinen in der Lage zu sein, den durch eine Mutation defekten Chloridkanal wieder zu aktivieren und damit die vielfältigen Probleme an den unterschiedlichsten Organen gesammelt zu beheben.
Zwar gibt es nur eine Form der Krankheit, die wir als Mukoviszidose bezeichnen. Aber es gibt sehr viele verschiedene genetische Variationen, die zu dieser Krankheit führen. Für einige dieser Variationen – darunter auch die meistverbreitete – deuten sich Lösungen an, für andere jedoch (noch) nicht. Und genau das ist es, was »personalisierte Medizin« bedeutet. Das mag man als »Nischenmedizin« bagatellisieren oder als »PR-Kampfbegriff« skandalisieren. In Wahrheit ist es das rationale Herangehen an die molekularen Probleme, die zu einer Krankheit führen, um sie auf Basis dieses komplexen Wissens mit den neuen Möglichkeiten der modernen Naturwissenschaften zu lösen.
Noch haben diese Ansätze den letzten Beweis ihrer Realisierbarkeit nicht erbracht und befinden sich in der Entwicklung. Daher muss man auch weiter mit einer generalisierten Kritik der Medien am Konzept der personalisierten Medizin rechnen. Allerdings sind die Ansätze so plausibel, dass kein Zweifel besteht, dass sich dieses neue Konzept durchsetzen wird. Dann von einem Paradigmenwechsel in der Medizin zu sprechen, wäre nicht übertrieben.
Professor Dr. Theo Dingermann
Mitglied der Chefredaktion