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Polens Arzneimittel

Teuer verkauft

07.09.2016  09:18 Uhr

Von Sebastian Becker, Warschau / In Polen fehlt es an Medikamenten, weil sie lukrativer ins Ausland exportiert werden können. Die Regierung hat nur mäßig Erfolg, das Problem in den Griff zu bekommen. Ein polnischer EU-Abgeordneter fordert nun härtere Regelungen.

Noch immer kann Polen seine Arzneimittel-Versorgung nicht stabilisieren, weil viele Händler lebensnotwendige Medikamente aus dem Land schaffen. Aufgrund des niedrigen Preisniveaus exportieren sie lieber ins Ausland – auch nach Deutschland. »Unsere Patienten müssen immer in den Apotheken hören, dass keine Präparate auf Lager sind«, sagte Bolesław Piecha, Politiker der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) und EU-Abgeordneter, der polnischen Tageszeitung »Nasz Dziennik«. »Dies ist ein riesiges Problem und eine unerhörte Gefahr.«

Seit Jahren kämpft Polen gegen den Arzneimittelmangel an. Das betrifft vor allem Insulin, aber auch kardiologische und onkologische Medikamente. Laut einer kürzlich veröffentlichten Liste eines Pharmafachdiensts fehlen den Apotheken rund 160 Präparate, weil die Hersteller etwa in Deutschland viel mehr daran verdienen. »Solange der Preisunterschied so groß ist, wird es diesen Export weiterhin geben«, ärgert sich Piecha. Expertenschätzungen der vergangenen Jahre zufolge geht der volkswirtschaftliche Schaden durch fehlende Arzneimittel in die Milliarden Euro. Doch jetzt berichten polnische Medien, dass nur noch Arzneimittel für etwa 1 Milliarde Złoty (230 Millionen Euro) ins westliche Ausland abfließen. Bei den jährlichen Gesamtumsätzen von rund 25 Milliarden Złoty (5,7 Milliarden Euro) im polnischen Pharmamarkt wäre das eine positive Entwicklung. Dennoch ist das Problem nicht gelöst.

 

Kritikern zufolge ist an der Entwicklung ein Gesetz von 2012 schuld, das feste Preise und Gewinnspannen für Medikamente im Großhandel einführte, die der Staat finanziell bezuschusst. So seien die Preise gefallen und hätten den Export erst attraktiv gemacht. Mitte 2015 hatte die Vorgängerregierung eine Neuregelung geschaffen – das sogenannte Anti-Export-Gesetz. Dieses beinhaltet eine Liste jener Medikamente, die nicht exportiert werden dürfen – sofern der Händler keine Genehmigung beantragt hat. Bei Verstößen droht der Entzug der Händlerlizenz. Trotzdem beachten viele polnische Händler diese Regelungen wohl nicht: Laut der Obersten Kontrollkammer Najwyz˙sza Izba Kontroli in Warschau, die die Verwendung von Steuergeldern prüft, haben Behörden zwischen 2012 und 2015 rund 200 illegalen Exporteuren die Lizenz entzogen. Das ist ein Teilerfolg für Polen. »Trotzdem brauchen wir hier noch härtere rechtliche Restriktionen«, fordert Piecha. »Der Export ist ja zur Hälfte legal«, sagt er. Natürlich könne nicht jeder Medikamente ins Ausland verkaufen, dafür sei eine entsprechende Genehmigung nötig, so der Politiker. »Doch wie man sieht, lässt sich diese Hürde ganz einfach umgehen«, kritisiert er. /

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