Kampf den Apothekenketten |
30.11.2016 09:53 Uhr |
Von Sebastian Becker, Warschau / Nicht nur die internationalen Banken und Versicherungen hat die nationalkonservative polnische Regierung ins Visier genommen, sondern nun auch die Pharmaunternehmen. Ihre Pläne sehen vor, die Geschäfte der Ausländer zugunsten von Polen einzugrenzen. Ob das Konzept problemlos umgesetzt werden kann, bezweifeln Experten.
Polen macht seit der Regierungsübernahme der nationalkonservativen Partei für Recht und Gerechtigkeit (PiS) vor knapp einem Jahr mit überwiegend negativen Schlagzeilen auf sich aufmerksam. Dazu gehört der Versuch, den angeblich zu starken Einfluss der ausländischen Investoren wieder zurückzudrängen. Jetzt hat die PiS auch den internationalen Pharmaketten den Kampf angesagt, die Apotheken führen.
Fachfremde ausgeschlossen
Laut Gesetzentwurf sollen Apotheker in Polen ab 2017 nur vier Filialen führen dürfen. Auch dürfen nur noch Apotheker eine Betriebsgenehmigung beantragen.
Foto: dpa
Einem Gesetzesentwurf von Ende Oktober zufolge darf ein Apotheker ab 2017 nur jeweils vier Filialen führen, und die Entfernung zwischen den einzelnen Verkaufspunkten muss mehr als einen Kilometer betragen.
Darüber hinaus müssen sie unbedingt von Apothekern geführt werden, Fachfremde sind von diesem Zeitpunkt an ausgeschlossen. Das polnische Onlineportal »Wirtualna Polska« spricht von einer »Revolution am Markt«. Bislang kann beispielsweise auch ein Arzt eine Genehmigung für eine Apotheke beantragen, wenn er gleichzeitig auf die Ausübung seiner medizinischen Tätigkeit verzichtet. Bisher ist nicht gesondert im Gesetz verankert, dass nur ein Apotheker einen solchen Antrag stellen kann. Das soll sich nun ändern.
Hintergrund: Im Zentrum der Regierungspolitik steht die Stärkung des nationalen Kapitals. Sie will unbedingt die einheimischen Unternehmen unterstützen und ist sogar bereit, mit der EU auf Konfrontation zu gehen, sollte dies notwendig sein. So hat sie bereits die Banken und Versicherungen mit zusätzlichen Steuern belastet und ebenso die Medien und großen Einzelhändler ins Visier genommen. Der Pharmamarkt gerät nun auch in den Fokus der Regierung, weil hier die kleinen inhabergeführten Apotheken möglicherweise auch von den großen Ketten verdrängt werden.
In Zahlen liest sich das so: Im Land gibt es etwa 15 000 Apotheken, die zu 66 Prozent von kleinen Akteuren geführt werden. Die großen Konzerne verfügen über den Rest und kontrollieren damit 34 Prozent des Markts, der einen Gesamtwert von schätzungsweise 30 Milliarden Zloty oder rund sieben Milliarden Euro hat. Die drei größten von ihnen, die mehr als 50 Verkaufsstellen besitzen, beherrschen 14 Prozent.
Marktveränderung
Insgesamt verändert sich der Markt dramatisch. Nach Zahlen des Marktforschungsinstituts IMS Health gab es Ende 2015 9200 Filialen, die kleinen Anbietern gehören. Ihre Zahl ist demnach im Vergleich zu 2014 um fast 470 zurückgegangen. »Wenn diese Entwicklung anhält, werden wir bereits im Jahr 2020 keine inhabergeführten Apotheken mehr haben«, schätzt ein Sprecher der Obersten Apothekenkammer (NIA).
Das Vorhaben der Regierung hat aber nicht nur Befürworter. Kritiker befürchten, dass dies den Patienten teuer zu stehen kommt. Denn die großen Ketten können bisher die Medikamente wesentlich günstiger anbieten, sagen sie. Bei manchen Arzneien beträgt der Preisunterschied ihren Beobachtungen zufolge bis zu 30 Prozent.
Doch das ist nicht das einzige Problem: »Die Kosten für die Eröffnung einer Verkaufsstelle liegen bei etwa einer halben Million Zloty (rund 115 000 Euro)«, betont Dobrawa Biadun, Pharmaexpertin der privaten Unternehmer-Vereinigung Lewiatan. Ein junger Apotheker, der sich selbstständig machen will, wird diese Summe ihrer Einschätzung zufolge kaum alleine aufbringen können. »Und den Unterhalt wird er schon gar nicht leisten können«, erklärte die Fachfrau, die darauf anspielt, dass manchmal eben auch fachfremde Geldgeber notwendig seien, um ein erfolgreiches Geschäft zu führen. »Es besteht die Gefahr, dass in den großen Städten über Jahrzehnte hinweg keine neuen Apotheken entstehen,« mahnt Biadun. /