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Ständige Impfkommission

Schmerz und Stress vermeiden

31.08.2016  09:29 Uhr

Von Christina Hohmann-Jeddi / Die Ständige Impfkommission am Robert-Koch-Institut (STIKO) hat ihre Empfehlungen über­arbeitet. Ein wichtiger Aspekt sind dabei die Aktualisierungen zur Pneumokokken-Schutzimpfung. Außerdem gibt die Kommission erstmals Hinweise, wie Schmerzen und Stress für Impflinge vermindert werden können.

Neuerungen gibt es in den Empfehlungen, die im »Epidemiologischen Bulletin« 34/2016 erschienen sind, in Bezug auf den Schutz vor Pneumokokken. Diese stellen in Europa die Hauptursache von bakteriellen Lungenentzündungen dar. Die STIKO schätzt, dass jedes Jahr mehr als 5000 Menschen in Deutschland an den Folgen einer Pneumo­kokken-Erkrankung sterben. Besonders gefährdet sind Kinder unter zwei Jahren, Menschen ab 60 Jahren sowie Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit bestimmten Grunderkrankungen, etwa Immunschwäche oder chronischen Krankheiten des Herzens oder der Lunge. Alle Säuglinge sollten im ersten Lebensjahr gegen Pneumokokken grundimmunisiert werden.

Neben dem bereits seit 1983 zugelassenen 23-valenten Pneumokokken-Polysaccharid-Impfstoff PPSV23 steht seit einigen Jahren mit dem 13-valenten Pneumokokken-Konjugatimpfstoff PCV13 ein zweiter Impfstoff für die Impfung von Erwachsenen zur Verfügung. Das veranlasste die STIKO, ihre Empfehlungen zur Pneumo­kokken-Impfung für Erwachsene zu überarbeiten.

 

Wiederholung nötig

 

Nach Analyse aller verfügbaren Studien empfiehlt sie auch weiterhin für alle Personen ab 60 eine alleinige Impfung mit PPSV23. Diese hat gegenüber PCV13 den Vorteil, gegen ein deutlich breiteres Spektrum – nämlich 23 statt 13 – der insgesamt mehr als 90 Pneumokokken-Serotypen zu schützen. Nur für Personen mit Immunschwäche und einige wenige weitere Risikogruppen ist eine sequenzielle Impfung mit PCV13 gefolgt von PPSV23 nach sechs bis zwölf Monaten sinnvoll. Für Kinder unter zwei Jahren gilt weiterhin die Empfehlung der routinemäßigen Impfung mit Konjugatimpfstoff, weil sie nach Impfung mit PPSV23 keine ausreichende Immunantwort entwickeln.

 

Erstmals empfiehlt die STIKO nun, bei mit PPSV23 geimpften Risikopersonen eine Wiederholungsimpfung zu erwägen. Aufgrund der begrenzten Dauer des Impfschutzes sei diese bei den genannten Risikogruppen grundsätzlich sinnvoll. Gesunde Erwachsene, auch Senioren, sollten aber nicht routine­mäßig erneut geimpft werden.

 

Eine bessere Umsetzung der Impfempfehlungen ist laut STIKO dringend wünschenswert: Bislang sind nur 31 Prozent der Senioren im Alter von 65 bis 79 Jahren gegen Pneumokokken geimpft. Das zeigen Daten der Deutschen Erwachsenengesundheitsstudie (DEGS) des Robert-Koch-Instituts. Die Pneumokokken-Impfung von Erwachsenen kann beim selben Impftermin durchgeführt werden wie die Grippeschutzimpfung, die ebenfalls für Ältere und für chronisch Kranke aller Altersstufen empfohlen ist. Eine ausführliche Darstellung aller Neuerungen und die wissenschaftlichen Begründungen werden in den Ausgaben 35 bis 37 des »Epidemiologischen Bulletins« veröffentlicht, teilt die STIKO mit.

 

Schmerzmittel, Eisspray und Ablenkung

 

Schmerz- und Stressreaktionen beim Impfen können bei jeder Impfung und in jedem Alter auftreten. Die Sorge davor kann die Einstellung gegenüber dem Impfen und die Akzeptanz von Impfungen ein Leben lang beeinträchtigen, heißt es in einer Mitteilung der Kommission. Die STIKO will dem entgegen­wirken und gibt nun erstmals generelle Handlungsempfehlungen für impfendes medizinisches Personal. Dieses sollte bei der Immunisierung eine ruhige Ausstrahlung haben, sachkundig sein und auf seine Wortwahl achten, um nicht ver­sehentlich Ängste zu wecken. Zu vermeiden sind unehrliche Phrasen wie: »Das tut überhaupt nicht weh.«

Zur Schmerzreduktion können laut STIKO Eissprays verwendet werden. In Einzelfällen können bei Kindern Lidocain-haltige Schmerzpflaster oder Cremes unter einem Okklusionsverband benutzt werden, um die Schmerzen an der Injektionsstelle zu reduzieren. Auch bei Jugendlichen und Erwachsenen mit ausgeprägter Angst vor Spritzen kann diese Maßnahme hilfreich sein. Dabei sei die Mindesteinwirkzeit von 30 bis 60 Minuten zu berücksichtigen. Die Kosten des Pflasters muss der Impfling beziehungsweise dessen Eltern selbst tragen.

 

Auf Neugeborene wirkt auch das Nuckeln an einem Schnuller und das Stillen schmerzreduzierend. Säuglinge, die gestillt werden, können während des Impfens angelegt werden, empfiehlt die STIKO. Ältere Kinder könnten eine Glucose­lösung oder eine andere süße Flüssigkeit erhalten. Hilfreich ist es, wenn Kleinkinder während der Impfung auf dem Arm oder dem Schoß der Eltern gehalten werden. Auch Ablenkung, etwa durch Aufblasen eines Luftballons, Spielzeug oder Seifenblasen, kann Stress und Schmerzen reduzieren. Älteren Kindern kann es helfen, wenn sie vor der Impfung über mögliche Schmerzen oder auftretende Angst aufgeklärt werden sowie über mögliche Bewältigungsstrategien, etwa das Drücken der Hand eines Elternteils.

 

Werden mehrere Impfungen am selben Tag verabreicht, sollte die schmerzhafteste zuletzt injiziert werden. Besonders schmerzhaft können die Pneumokokken- und die Masern-Mumps-Röteln-Impfung (MMR) sein. Nicht zu empfehlen ist laut STIKO, den Impfstoff vor Applikation zu erwärmen oder die Injektionsstelle manuell zu stimulieren, etwa durch Reiben oder Kneifen. Auch eine orale Analgetika-Gabe vor oder während der Impfung wird nicht empfohlen.

 

Impfkomplikation oder -reaktion?

 

Ebenfalls neu ist die Abgrenzung üblicher Impfreaktionen von möglichen Komplikationen, die die STIKO in der Veröffentlichung vornimmt. Nach dem Infektionsschutzgesetz ist der Verdacht auf eine Impfkomplikation dem Gesundheitsamt zu melden, eine normale Impfreaktion dagegen nicht. Letztere zeigt die Auseinandersetzung des Körpers mit dem Impfstoff an.

 

Um eine Abgrenzung zu erlauben, hat die STIKO Kriterien für eine normale Impfreaktion definiert. Als normal gilt eine Rötung, Schwellung und Schmerzhaftigkeit an der Injektionsstelle für eine Dauer von ein bis drei Tagen – selten darüber. Ebenfalls für ein bis drei Tage können Fieber unter 39,5 °C, Kopf- und Gliederschmerzen, Müdigkeit, Unwohlsein, Übelkeit, Unruhe oder Schwellung der regionären Lymphknoten auftreten. Außerdem kann es ein bis drei Wochen nach der Applikation eines Lebendimpfstoffs auch zu einer sogenannten Impfkrankheit kommen, einer abgeschwächten Form der Infektionskrankheit mit Symptomen wie leichte Parotisschwellung, flüchtiger Ausschlag oder milde gastrointestinale Beschwerden. Darüber hi­nausgehende Schädigungen müssen dem Gesundheitsamt gemeldet werden. Auch der Impfstoff-Hersteller kann informiert werden. /

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