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Klug entscheiden

Empfehlungen der Gastroenterologen

31.08.2016  09:29 Uhr

Von Christina Hohmann-Jeddi / Die Initiative »Klug entscheiden« der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) zielt darauf ab, Über- und Unterversorgung in der Medizin zu reduzieren. Jetzt haben die Gastroenterologen ihren Beitrag dazu geleistet: Sie veröffentlichten Empfehlungen, welche Handlungen Ärzte besser unterlassen und welche sie häufiger vornehmen sollten.

Nicht immer ist medizinisches Handeln am Patienten notwendig. Auf der anderen Seite werden sinnvolle Leistungen nicht immer erbracht. Gegen diese Über- und Unterversorgung in der Medizin richtet sich die Initiative »Klug entscheiden« der DGIM. Diese hatte im vergangenen Jahr alle internistischen Fachgesellschaften aufgefordert, jeweils fünf Maßnahmen zu benennen, die nicht sinnvoll sind und zu häufig angewendet werden beziehungsweise sinnvoll sind und zu selten angewendet werden. Inzwischen liegen erste Ergebnisse vor.

Die Deutsche Gesellschaft für Gastro­enterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) hat ihre Empfehlungen nun im »Deutschen Ärzteblatt« (Jg. 113, Heft 29-30) veröffentlicht. »Wir arbeiten seit vielen Jahren daran, evidenzbasierte, interdisziplinäre Leitlinien nach hohem wissenschaftlichem Standard zu erstellen«, sagt DGVS-Präsident Professor Dr. Markus M. Lerch in einer Mitteilung der Gesellschaft. »Für die Klug-entscheiden-Kampagne haben wir eine Auswahl von Empfehlungen aus unseren Leitlinien getroffen, die von besonderer Relevanz für die Qualität der Patientenversorgung ist.«

 

Es handele sich durchweg um »starke« Empfehlungen, die durch gute wissenschaftliche Studien belegt sind, ergänzt DGVS-Vorstandsmitglied Professor Dr. Stefan Zeuzem. »Allerdings fehlen bislang konkrete Zahlen darüber, wie häufig diese Leistungen erbracht oder eben versäumt werden.« Wesentlich für den Erfolg der Initiative werde es sein, Strukturen in der Versorgungsforschung zu schaffen, die die Durchsetzung der genannten Maßnahmen messbar machen, schreiben die Autoren.

 

Kein ASS zur Darmkrebsprophylaxe

 

Zu den Negativ-Empfehlungen, also Handlungen, auf die Gastroentero­logen künftig verzichten sollten, zählt der Test auf Blut im Stuhl bei Patienten, die an der Darmkrebs-Vorsorge per Darmspiegelung teilnehmen. Die Kolo­skopie ist das effektivste Verfahren zur Früherkennung von Darmkrebs, heißt es zur Begründung. Wer bei dieser einen unauffälligen Befund hat, dessen Darmkrebs-Risiko ist für die kommenden zehn Jahre sehr gering. Wegen der häufigen falsch positiven Ergebnisse sollte bei diesen Personen daher auf Tests auf okkultes Blut verzichtet werden.

 

Ebenfalls nicht empfohlen wird die Verschreibung von Acetylsalicylsäure (ASS) oder COX-2-Hemmern zur Darmkrebsprophylaxe für Gesunde. Denn dem geringen Schutzeffekt stehen die gastrointestinalen beziehungsweise kardiovaskulären Nebenwirkungen gegenüber. Nicht sinnvoll sind den Gastroenterologen zufolge auch Operationen von Gallensteinen, wenn sie keine Symptome verursachen. Die Steine können über Jahre asymptomatisch bleiben, sodass Mediziner lieber abwarten sollten.

Zudem raten die Gastroenterologen ihren Kollegen, auf Computertomo­grafie oder Magnetresonanztomo­grafie bei gutartigen Läsionen der Leber, etwa den häufigen Blutschwämmchen (Hämangiomen) oder Zysten, zu verzichten. Zur Verlaufsbeobachtung könne die Sonografie (Ultraschalluntersuchung) herangezogen werden.

 

Die letzte Negativ-Empfehlung betrifft Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen, wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa. Bei ihnen sollte keine langfristige Cortisongabe zur Vermeidung von Krankheitsschüben erfolgen. Steroide sind in der Rezidiv­prophylaxe nachweislich unwirksam.

 

Zu den Maßnahmen, die Mediziner künftig häufiger ergreifen sollten, zählt die Motivation zum Nichtrauchen für Morbus-Crohn-Patienten. Der Rauchstopp kann bei diesen Patienten die Rezidiv­rate halbieren, heißt es in der Veröffentlichung.

 

Nach einer Bauchspeicheldrüsenkrebs-Operation sollten Patienten ergänzend eine Chemotherapie erhalten. Obwohl diese nachweislich das krankheitsfreie und langfristige Überleben verbessert, wird sie nicht bei allen infrage kommenden Patienten durchgeführt. Es ist anzustreben, dass eine adjuvante Chemo­therapie allen potenziell geeigneten Patienten angeboten wird.

 

Halbjährliche Kontrollen

 

Zu den Positiv-Empfehlungen zählt auch, dass allen Patienten mit Hepa­titis-C-assoziierter Leberzirrhose, mit chronischer Hepatitis-B-Infektion oder mit Fettleberhepatitis halbjährliche eine Ultraschalluntersuchung zur Früherkennung von Leberkrebs angeboten werden soll. Diese Patientengruppen haben ein erhöhtes Risiko, ein hepatozelluläres Karzinom (HCC) zu entwickeln. In Studien konnte eine halbjährliche Ultraschalluntersuchung bei Risikopatienten die HCC-bedingte Mortalität senken.

 

Eine weitere Empfehlung ist, dass bei sedierten Patienten während einer Magen- oder Darmspiegelung kontinuierlich zur Überwachung Sauerstoff- und Blutdruck gemessen werden sollten. Neben der klinischen Überwachung ist die Sauerstoffmessung Voraussetzung für eine Sedierung bei der Koloskopie. Diese Forderung werde inzwischen weitgehend erfüllt, heißt es in der Veröffentlichung. Wird das Narkotikum Propofol verwendet, ist zudem eine Blutdruckmessung erforderlich. Denn eine bedeutende potenzielle unerwünschte Wirkung der Substanz ist neben der Atemdepression der mitunter massive Blutdruckabfall. /

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