Abbott kooperiert mit Europa Apotheek |
30.08.2011 14:47 Uhr |
Von Uta Grossmann / Abbott arbeitet mit der Europa Apotheek Venlo zusammen. Seit August liefert das Pharmaunternehmen Teilnehmern seines Abbott-Care-Patientenservice-Programms Medikamente über den niederländischen Versandhändler.
Mehrere Apotheker wandten sich empört an die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung (PZ), nachdem sie von der Zusammenarbeit des Herstellers Abbott mit der Europa Apotheek erfahren hatten. Apothekerin Margit Schlenk empfindet die Kooperation mit dem Versandhändler als »Schlag ins Gesicht« für die 21 500 Offizin-Apotheken. Die Leiterin der Moritz Apotheke in Nürnberg und der NM Vital Apotheke in Neumarkt hat sich bei dem Pharmaunternehmen beschwert.
Komplizierte Rechtslage
Der Außendienst habe ihr die Neuerung im Lieferservice von Abbott Care bestätigt. Margit Schlenk fragt sich, ob der Hersteller mit dem niederländischen Versender kooperiert, weil er dadurch den Herstellerrabatt spare.
Teilnehmer des Abbott-Care-Patientenservice-Programms bekommen Medikamente von der Europa Apotheek, die auch das Pick-up-System mit dem Drogeriemarkt dm etabliert hat.
Foto: Europa Apotheek
Nach einem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) in Kassel haben ausländische Versandapotheken keinen Anspruch auf die Erstattung des Herstellerabschlags. DocMorris hatte seinerzeit gegen die Teva-Tochter AWD Pharma geklagt und von ihr den Herstellerrabatt zurückgefordert. Der Hersteller hatte sich geweigert, den Abschlag zu erstatten. Die Begründung: Die in den Niederlanden ansässige Versandapotheke fühle sich gewöhnlich den Regelungen des deutschen Sozialgesetzbuchs V (SGB V) nicht verpflichtet. Als Konsequenz aus dem Urteil trat DocMorris zum 1. August 2010 dem Rahmenvertrag über die Abwicklung der Herstellerabschläge nach §130a SGB V bei.
DocMorris gehört wie die Europa Apotheek zum Gemeinschaftsunternehmen Medco Celesio mit Sitz in Amsterdam. Der Herstellerrabatt wurde 2003 mit dem Arzneimittelausgabenbegrenzungsgesetz im SGB V festgelegt. Die Apotheken ziehen ihn automatisch ein, geben ihn an die Krankenkassen weiter und erhalten eine Rückerstattung von den Pharmaunternehmen. Im Gesetz zur Änderung krankenversicherungsrechtlicher und anderer Vorschriften wurde der Herstellerrabatt auf verschreibungspflichtige Arzneimittel vom 1. August 2010 bis zum 31. Dezember 2013 von sechs auf 16 Prozent erhöht.
Anna Jensen, bei Abbott zuständige Pressesprecherin für den Bereich Immunologie, versicherte der PZ, Abbott zahle »definitiv« den Herstellerrabatt bei der Lieferung von Medikamenten an die Europa Apotheek. Die Versand-apotheke sei dem Rahmenvertrag beigetreten. Sie kann den Herstellerrabatt, den sie an die deutschen Krankenkassen abführen muss, also vom Hersteller einfordern. Das bestätigte auch der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) auf Nachfrage der PZ. Schlechter informiert zeigte sich Klaus Gritschneder, Mitbegründer und Pressesprecher der Europa Apo-theek. Er wisse nicht sicher, ob sie beigetreten sei, sagte er.
Lieferservice wenig genutzt
Abbott-Sprecherin Jensen sagte der PZ, dass der Lieferservice über die Europa Apotheek nur für das Antirheumatikum Humira (Adalimumab) gelte. An dem seit 2006 bestehenden Abbott-Care-Patientenservice-Programm nehmen nach Aussage Jensens »nur wenige« Patienten teil, von denen wiederum nur ein kleiner Teil sich das kühlpflichtige Arzneimittel liefern lasse. Die meisten Teilnehmer versorgten sich über ihre örtliche Apotheke.
Abbott verdiene nichts an der Kooperation. »Wir machen das ausschließlich als Service für Patienten, die auf dem Land leben und weite Wege zur nächsten Apotheke scheuen oder durch die Krankheit nicht mobil sind.« Seit Beginn des Programms habe der Hersteller mit einer Versandapotheke zusammengearbeitet und sei Anfang August zur Europa Apotheek gewechselt.
Abbott verspricht den Patienten seines Serviceprogramms, dass sie von der Europa Apotheek eine Gutschrift von bis zu 15 Euro pro zuzahlungspflichtigem Medikament auf Rezept erhalten. Die Gutschrift werde mit der Zuzahlung beziehungsweise bei der Bestellung von freiverkäuflichen Artikeln verrechnet, heißt es in einem Brief über den »exklusiven und kostenfreien Medikamenten-Lieferservice« an die Teilnehmer des Abbott Care Patientenservice-Programms, der der PZ vorliegt.
Um das Bonussystem der Europa Apotheek gibt es ebenfalls Rechtsstreit. Das Bundessozialgericht in Kassel hat in zwei Urteilen 2008 und 2009 die Auffassung vertreten, dass ausländische Versandapotheken die deutsche Arzneimittelpreisverordnung ignorieren dürfen, also berechtigt seien, beim Kauf verschreibungspflichtiger Medikamente einen Bonus bis zu 15 Euro pro Packung zu gewähren. Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe sieht das anders. Er ist der Auffassung, die Europa Apotheek sei an deutsches Arzneimittelpreisrecht gebunden, wenn sie nach Deutschland Medikamente versendet. Demnach wären die Boni nicht rechtmäßig. Der Streit liegt auf Eis, bis der Gemeinsame Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes eine Entscheidung trifft. Damit ist kaum vor Ende des Jahres zu rechnen.
Die Apotheker sind zudem schlecht auf die Europa Apotheek zu sprechen, weil sie zusammen mit der Drogeriemarktkette dm in Deutschland das Pick-up-System als Variante des Versandhandels mit Arzneimitteln etabliert hat.
Kritik an »Pseudoservice«
Abbott Care lobt seinen Kooperationspartner in dem Brief an die Teilnehmer des Serviceprogramms: »Die Europa Apotheek Venlo garantiert Ihnen höchste Qualitätsstandards inklusive der Prüfung, ob Ihre bestellten Medikamente miteinander harmonieren.« Die Versendung erfolge »in der Regel am Tag des Rezepteingangs mit garantierter Kühlung nach Hause oder an einen anderen von Ihnen gewünschten Ort innerhalb Deutschlands«.
Das Bonussystem der Europa Apotheek ist juristisch umstritten.
Foto: Fotolia/Jackal
Margit Schlenk findet nicht nur die Zusammenarbeit mit dem Versandhändler verwerflich. Sie kritisiert auch die »Tendenz, über einen Pseudoservice Adressen von Patienten zu sammeln«.
Empört reagiert auch Apotheker Michael Gastreich. Eine Patientin zeigte dem Leiter der Marien Apotheke in Olfen den Brief von Abbott Care. »Es kann nicht sein, dass sich die Vertriebsschienen nach und nach von den lokalen Apotheken entfernen«, sagt er.
Abbott erachte offensichtlich den Vertriebsweg der öffentlichen Apotheke für zweitrangig. »Die Apotheker in Deutschland sollten darüber informiert werden, wie ihre Geschäftspartner ihnen hinter ihrem Rücken das Wasser abgraben und welche Auswirkungen es hat, wenn Patientendaten an die pharmazeutische Industrie weitergegeben werden«, so Gastreich. »Sie sollten wissen, dass die Gelder, die von ihnen in den letzten Jahren und Jahrzehnten an Abbott gezahlt wurden, heute verwendet werden, um gegen deutsche Apotheken zu werben und lieber der ausländische Versandhandel unterstützt wird.« Es sei »eine neue Qualität«, dass der Versandhandel einseitig von pharmazeutischen Unternehmen protegiert und beworben werde.
Offenbar über die Reaktionen der Apotheker erschrocken, will Abbott den Lieferservice nicht weiter bewerben. »Wir schätzen unsere Beziehungen zu den örtlichen Apotheken und sind offen für Gespräche«, sagte Jensen. /