Kombipräparate sollen Kosten senken |
31.08.2010 15:25 Uhr |
Von Nils Franke, Berlin / Als Todesursache Nummer eins stehen sie ganz besonders im Fokus der medizinischen Forschung, aber auch der Pharmaforschung: Herz-Kreislauf-Erkrankungen bieten erhebliches Potenzial. Eine größere Therapietreue könnte viele stationäre Aufenthalte vermeiden, Leben retten und Kosten senken.
Die Folgekosten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen ließen sich erheblich reduzieren, wenn medikamentöse Therapien effektiver und in größerem Umfang zum Einsatz kämen, sagte Dr. Wolfgang Erdlenbruch bei einer Podiumsdiskussion des Wirtschaftsrats der CDU, in dem sich Unternehmen zur Interessenvertretung zusammengeschlossen haben. Erdlenbruch ist Medizinischer Direktor von Daiichi Sankyo Deutschland, einem japanischen Unternehmen mit weltweit rund 29 000 Mitarbeitern. Aktuelle Forschungsschwerpunkte sind Onkologie und in Europa vor allem Herz-Kreislauf.
Sparen mithilfe von Medikamenten
Herz-Kreislauf-Erkrankungen verursachten in der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland Kosten von 36 bis 37 Milliarden Euro jährlich. Der Medikamentenanteil davon betrage ein Siebtel, die Apotheken- endpreise dafür lägen bei etwa fünf bis sechs Milliarden Euro, rechnete Erdlenbruch vor. »Durch effektive medikamentöse Maßnahmen können wir erreichen, Kosten von den anderen sechs Siebteln zu reduzieren. Wir reden hier von Konsultationskosten, Interventionskosten, Notarztkosten, Intensivstationskosten, Klinikkosten und Rehabilitationskosten«, zählte der Direktor auf. Schlaganfälle etwa, ließen sich durch eine bessere Einstellung von Blutdruck, Fettwerten und Diabetes verhindern.
Wolfhard Erdlenbruch von Daiichi Sankyo.
»Dann haben wir vielleicht – ich phantasiere jetzt – 5,5 bis 6,5 Milliarden Euro Ausgaben für Medikamente. Vielleicht also schreckliche zehn Prozent, die in der Zeitung stehen. Aber wir könnten die Zahl stationärer Fälle dramatisch reduzieren und hätten plötzlich eine ganze Menge erreicht.« Eine Therapie von 500 Euro im Jahr könnte einen Patienten vor einem Reinfarkt bewahren, der in der Klinik Kosten bis 6000 Euro nach sich ziehe. Für die Kostenträger wäre es deshalb sinnvoller, das Gesamtbild anzuschauen und nicht einseitig die Arzneimittelkosten drücken zu wollen. »Wir neigen dazu, wenn wir über Kosten im Gesundheitswesen reden, sehr gerne in Sektoren oder Töpfen zu denken«, kritisierte Erdlenbruch.
Sein Unternehmen arbeite daran, die Therapietreue bei Medikamenten zu erhöhen. »Da wir hier von einem Großteil von geriatrischen Fällen sprechen, müssen wir hier auch die Begrenzungen der alten und multimorbiden Patienten in Rechnung stellen«, sagte Erdlenbruch. Da seien zum einen Präparate zu entwickeln, die mit anderen verträglich sind. Auch an bekannten Substanzklassen sei also durchaus noch weiter zu forschen. Zum anderen könnten Kombinationspräparate den Menschen das Leben erleichtern. »Das ist einer der Hauptpunkte, warum alte Patienten Medikamente nicht nehmen – weil die Therapie zu kompliziert ist, weil der Patient am Morgen sechs verschiedene Pillen nehmen muss und die hoffentlich dann nicht verwechselt.« Dr. Michael Thiede, Leiter des Bereichs Versorgungsforschung vom IGES Institut in Berlin, bestätigte, dass die Therapietreue ein vorrangiges Thema bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen sei. Bei Kombinationspräparaten gebe es großes Potenzial zur Weiterentwicklung.
»Wenn wir uns für Studien den Zeitablauf der Verordnungen anschauen, dann überrascht es immer wieder, wie rasch und wie häufig Reereignisse nach einem Ereignis wie einem Infarkt und solider Versorgung infolge des Ereignisses auftreten«, sagte Thiede. Die Verordnungsdaten an sich könnten leider gerade nicht aufzeigen, in welchem Rhythmus Patienten die Präparate einnehmen. »Sodass hier sehr viel mehr an Primärforschung mit den Patienten erforderlich wäre. Darum wollen wir uns kümmern.«
Stefanie Vogelsang kritisierte, dass Deutschland neben Griechenland das einzige Land in der Europäischen Union sei, das keinen nationalen Rahmenplan zu den Herz-Kreislauf-Erkrankungen habe.
Fotos: PZ/Pietschmann
CDU fordert nationalen Rahmenplan
Stefanie Vogelsang, Mitglied der CDU/CSU-Fraktion und des Ausschusses für Gesundheit im Bundestag, kritisierte, dass Deutschland neben Griechenland das einzige Land in der Europäischen Union sei, das keinen nationalen Rahmenplan zu den Herz-Kreislauf-Erkrankungen habe. »Ich finde es schwierig, dass wir da eine föderale Verantwortung bei den Ländern haben.« Landespolitisch habe es beispielsweise in Berlin gar nichts an Plänen gegeben.
Es bedürfe eines zentralen Plans, was in einem weiter gesteckten Zeitrahmen erreicht werden solle, um die Erkrankungszahlen für die Menschen und die Kassen niedrig zu halten. Ein weiteres Problem sei, dass das Bundesministerium für Gesundheit nicht einmal in der Versorgungsforschung die Federführung besitze. »Diese liegt beim Bundesministerium für Bildung und Forschung.«
Drittens sollten die Bemühungen zur Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen gebündelt werden, um staatliche und privatwirtschaftliche Maßnahmen von Firmen zentral zu koordinieren. /