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Asthma und COPD

Interaktionen mit Betablockern

22.08.2017  15:03 Uhr

Von Andrea Gerdemann, Nina Griese-Mammen und Martin Schulz / Die Interaktion zwischen Betablockern und Betasympathomimetika gehört zu den häufigen Warnmeldungen der Apothekensoftware. Was sollten Apotheker wissen, um den Nutzen und das Risiko gegeneinander abzuwägen?

Betasympathomimetika werden vor ­allem bei Asthma bronchiale und COPD verordnet. Sie stimulieren relativ selektiv die adrenergen β2-Rezeptoren der Bronchialmuskulatur mit dem Ziel, die Bronchial­obstruktion zu vermindern. 

 

Bei Asthma werden lang wirkende ­Betasympathomimetika wie Salmeterol oder Formoterol zusätzlich zur entzündungshemmenden Komponente als Controller in der Dauertherapie verordnet. Rasch wirkende Substanzen wie ­Fenoterol und Salbutamol werden zur Akutbehandlung der Atemnot eingesetzt. Bei COPD gehören lang wirkende Betasympathomimetika zur Basistherapie. Sie reduzieren die Atemnot sowie die Exazerbationen und verbessern die Lungenfunktion. Auch bei COPD gilt die Inhalation rasch wirkender Betasympathomimetika bei akuter Atemnot als Standard.

 

Betablocker werden vor allem bei ­arterieller Hypertonie, koronarer Herzkrankheit (KHK), tachykarden Herzrhythmusstörungen sowie chronischer Herz­insuffizienz eingesetzt. Am Herzen führt eine Aktivierung von β1-Adrenozeptoren primär zu einer Steigerung von Herzkraft und Herzfrequenz. β2-Adrenozeptoren regulieren unter anderem die glatten Muskeln der Bronchien und der Blutgefäße. Während die nicht selektiven Betablocker sowohl an β1- als auch an β2-Rezeptoren wirken, sind kardioselektive Betablocker wie Metoprolol und Biso­prolol relativ β1-selektiv. Insbesondere bei höheren Dosierungen haben sie aber ebenfalls einen hemmenden Einfluss auf β2-Rezeptoren. Auch die nicht selektiven Betablocker unterscheiden sich in ihrer Affinität zu den β2-Rezeptoren in der Rangfolge Timolol > Carvedilol > Propranolol > Nadolol > Sotalol.

 

Bronchienerweiternde Wirkung vermindert

 

Die Wechselwirkung zwischen Betasympathomimetika und Betablockern ist eine pharmakodynamische Interaktion, bei der es zu einer verminderten Wirkung der Betasympathomimetika kommen kann. Bei gleichzeitiger ­Einnahme können vor allem nicht kardioselektive Betablocker die bronchien­erweiternde Wirkung der Beta­sympathomimetika vermindern. 

Eine Metaanalyse zeigte eine komplette Aufhebung der Wirkung der Betasympathomimetika durch nicht kardioselektive Betablocker im Vergleich zu Placebo (»Chest« 2014, DOI: 10.1378/chest.13-1235). Bei kardioselektiven Beta­blockern fanden die Autoren dagegen eine geringere Abschwächung. Bei einer Bronchokonstriktion kann somit von einer guten Response auf Betasympathomimetika bei Gabe von kardioselektiven Betablockern ausgegangen werden. Allerdings kann eine höhere Dosis der Betasympathomimetika erforderlich sein.

 

Sowohl kardioselektive als auch nicht kardioselektive Betablocker können unabhängig von der Interaktion mit Betasympathomimetika zu einer Bronchokonstriktion führen. So wird immer wieder über lebensbedrohliche Zwischenfälle bei Asthmatikern nach Betablocker-Gabe berichtet. Eine Aktivierung von β2-Rezeptoren führt über eine Hemmung des cholinergen Tonus zu einer Erschlaffung der Bronchialmuskulatur. Durch die Blockade von β2-Rezeptoren wird bei asthmakranken Patienten eine ungebremste Freisetzung von Acetylcholin und damit möglicherweise eine Betablocker-induzierte Bronchokonstriktion ausgelöst. Mit diesem Mechanismus kann auch die bronchospasmolytische Wirkung des Anticholinergikums Ipratropium erklärt werden. Bei Lungengesunden wird dagegen der Anstieg von Acetylcholin und damit eine Steigerung des Tonus über eine Stimulation von Autorezeptoren gebremst.

 

Daher stellt sich die Frage, ob Betablocker bei Patienten mit Asthma und COPD eingesetzt werden sollten beziehungsweise können. Kardiovaskuläre Erkrankungen wie Herzinsuffizienz oder KHK sind häufige Komorbiditäten bei Patienten mit Asthma und COPD. Betablocker haben bei einigen kardiovaskulären Erkrankungen wie Herz­insuffizienz und KHK nach Myokard­infarkt einen positiven Effekt auf Morbidität und Mortalität. Patienten mit diesen Erkrankungen sollten Betablocker daher nur vorenthalten bleiben, wenn das Risiko der Therapie ­höher als der Nutzen ist.

 

Der seit Langem als leit­liniengerecht eingestufte Einsatz von Betablockern bei Herzinsuffizienz hat den Unterschied zwischen akuten und chronischen Effekten dieser Arzneistoffgruppe gezeigt. Trotz der mög­lichen akuten Verschlechterung der Herzfunktion führt eine chronische ­Anwendung von Betablockern bei systolischer Herz­insuffizienz zu einer ­Reduktion von Morbidität und Mortalität. Auch bei COPD und Asthma stehen vergleich­bare Überlegungen an.

 

Zwei Metaanalysen kamen zu dem Ergebnis, dass der Einsatz von kardio­selektiven Betablockern bei Patienten mit COPD aufgrund des geringen Risikos für Bronchospasmen möglich ist (Cochrane Database of Systematic Reviews 2005, DOI: 10.1002/14651858.CD003566.pub2; »Respiratory Medi­cine« 2003, DOI: 10.1016/S0954-6111(03)00168-9). Als eine von vielen Leitlinien bewertet die europäische Leitlinie zu Herzinsuffizienz Betablocker daher als nicht kontraindiziert bei COPD, favorisiert allerdings den Einsatz kardioselektiver Betablocker. Es mehren sich zudem Hinweise, dass der Einsatz von Betablockern bei Patienten mit COPD nach Myokardinfarkt beziehungsweise bei Herzinsuffizienz, aber auch allgemein sogar mit einer besseren Überlebenswahrscheinlichkeit verbunden ist. Zudem gibt es Anhaltspunkte, dass es bei Anwendung von Betablockern zu weniger Exazerbationen kommt.

 

Bei Asthmapatienten hingegen ist das Risiko einer Verschlechterung der Lungenfunktion durch Betablocker höher als bei COPD-Patienten. In vielen Fachinformationen von Betablockern wird bronchiale Hyperreagibilität bei Asthma als Kontraindikation aufgeführt. Diese Einstufung basiert auf kleinen Fallserien der 1980er- und 1990er-Jahre mit initial sehr hohen Dosierungen der Betablocker bei jungen Patienten mit schwergradigem Asthma (»BMC Medicine« 2017, DOI: 10.1186/s12916-017-0781-0).

 

Eine Metaanalyse zum akuten ­Einsatz von Betablockern bei Asthma zeigte eine bessere Verträglichkeit von kardioselektiven im Vergleich zu nicht kardioselektiven Betablockern bei ­Asthma (»Chest« 2014, DOI: 10.1378/chest.13-1235). Sie zeigte aber auch, dass kardioselektive Betablocker nicht ohne Risiko sind. Ein Bronchospasmus trat bei 1 von 33 Patienten nach akuter Einnahme eines selektiven Betablockers auf. Auch weitere Risikofaktoren, wie ein Infekt oder eine Allergieexposition, können dazu führen, dass schon geringe Dosen eines Betablockers eine Bronchial­obstruktion auslösen. In einer aktuellen Fall-Kontroll-Studie war das Ausmaß der Verschlechterung der Lungenfunk­tion von dem Ausmaß der Kardioselektivität, der Dosis und der Dauer der Anwendung abhängig. Kardioselektive Betablocker, oral angewendet, zeigten kein signifikant erhöhtes Risiko für Exazerbationen (»BMC Medicine« 2017, DOI: 10.1186/s12916-017-0781-0). Nicht kardioselektive Betablocker zeigten dagegen schon bei niedriger Dosierung bei Akutanwendung und bei chronischer Anwendung bei hohen Dosierungen ein erhöhtes ­Risiko. Der Unterschied im Risiko zwischen akuter und chronischer Anwendung könnte mit einer Verminderung des Risikos durch eine Hochregulation von β2-Rezeptoren erklärt werden. Eine andere Möglichkeit ist, dass vor allem Patienten, die eine Erstanwendung vertragen, Folgeverordnungen erhalten.

 

Topische Betablocker gehören zu den Mitteln der ersten Wahl zur Behandlung eines Glaukoms. Sie führen zu einer Verringerung der Kammerwasserproduk­tion. Bei der topischen Anwendung kommen vor allem nicht kardioselektive Betablocker wie Timolol zum Einsatz (Tabelle). Betaxolol ist der einzige kardio­selektive Betablocker, der in Form von Augentropfen erhältlich ist. Die Abgabe­daten aus den Jahren 2011 und 2016 des Deutschen Arzneiprüfungs­instituts (DAPI) zeigen, dass sich die Verordnungen von Betaxolol, das nur als Mono­präparat erhältlich ist, in diesem Zeitraum fast halbiert haben.

 

Betablocker aus Augentropfen werden zu circa 80 Prozent absorbiert, unterliegen keinem First-Pass-Effekt und weisen eine schnelle systemische Resorption auf. Diese ist vergleichbar mit einer intravenösen Gabe in Bezug auf die Blockade von β2-Rezeptoren und kardiopulmonalen Effekten. Es können also systemisch wirksame Plasmakonzentrationen mit der Gefahr eines Bronchospasmus erreicht werden. Eine Metaanalyse zeigte, dass eine akute Exposition mit nicht kardio­selektiven, topischen Betablockern bei einem von drei Patienten zu einem Abfall der Einsekundenkapazität (FEV1) von ≥ 20 Prozent führte. Bei oraler Anwendung war dies bei einem von neun Patienten der Fall. Betaxolol führte zu ­einer geringeren Verschlechterung der Lungenfunktion. In einer Fall-Kontroll-Studie war die Inzidenz moderater ­Asthma-Exazerbationen innerhalb von 30 Tagen nach Erstverordnung nicht kardioselektiver, topischer Betablocker signifikant erhöht. Bei Dauerverordnung zeigte sich keine erhöhte Inzidenz (»British Journal of Clinical Pharmacology« 2016, DOI: 10.1111/bcp.13006)

 

Empfehlungen in Leitlinien

Obwohl mittlerweile einige Leitlinien die Anwendung von Betablockern bei Asthma nach individueller Nutzen-­Risiko-Bewertung empfehlen, führen andere Leitlinien Asthma als Kontra­indikation auf. Der globale Strategie­report der GINA (Global Initiative for Asthma) bewertet Asthma nicht als absolute Kontraindikation für Betablocker. Nicht selektive Betablocker sollten allerdings bei Patienten mit Asthma, wenn möglich, vermieden werden. Für die meisten Indikationen stehen Alternativen in Form von kardioselektiven Betablockern oder anderen Arzneistoffgruppen zur Verfügung.

 

Kardioselektive Betablocker können bei Asthma-Patienten nach sorgfältiger Risiko-Nutzen-Abwägung und begleitet von einem Spezialisten vorsichtig eingesetzt werden. So kann bei Herzinsuffizienz und nach akutem Myokardinfarkt der Nutzen eines Betablockers für den Asthmapatienten ­höher als das Risiko sein. Voraussetzung für die gleichzeitige Einnahme ­eines Betablockers ist ein kontrolliertes Asthma. Die Patienten sollten mit einer niedrigen Dosierung starten und langsam in der Dosis hochtitriert werden. Dieses Vorgehen wird grundsätzlich bei der Initiierung einer Betablockertherapie empfohlen. Der Asthma­patient sollte ein Betasympathomimetikum und eventuell auch ein Anti­cholinergikum zur Verfügung haben, um sich im Falle eines Bronchospasmus behandeln zu können. Treten Bronchospasmen unter der Therapie auf, muss der Arzt informiert werden.

Tabelle: Absatz von Ophthalmika mit Betablockern zu Lasten der GKV in Deutschland in den Jahren 2011 und 2016. Quelle: Deutsches Arzneiprüfungsinstitut (DAPI) Berlin

Wirkstoff Absatz (Packungen) in 2011 Absatz (Packungen) in 2016
Timolol 1 342 436 1 162 700
Betaxolol 17 565 9 340
Levobunolol 58 456 26 095
Metipranolol 102 362 18
Carteolol 16 264 10 197
Pindolol 25
Metipranolol und Pilocarpin 24 628 10
Timolol und Latanoprost 242 474 363 926
Timolol und Bimatoprost 162 059 306 754
Timolol und Travoprost 190 431 200 051
Timolol und Dorzolamid 513 889 700 300
Timolol und Brinzolamid 225 705 237 932
Timolol und Pilocarpin 30 512 28 146
Timolol und Brimonidin 94 883 82 013
Gesamt 3 021 689 3 127 482

Alternativen beim Glaukom

 

Bei der Glaukomtherapie sind Carbo­anhydrase-Hemmer wie Dorzolamid, Brinzolamid und α2-Sympathomimetika wie Brimonidin mögliche Alternativen zu Betablockern. Bei den Prostaglandin-Analoga wie Latanoprost ist auch eine mögliche Exazerbation des Asthmas als Nebenwirkung beschrieben. Ist die Gabe eines Betablockers notwendig, kann Betaxolol eingesetzt werden. Durch leichten Druck auf den nasalen Augenwinkel über eine bis drei Minuten werden die Tränenkanälchen verschlossen. Dies vermindert das Abfließen in die Nase und damit die systemische ­Resorption des Betablockers.

 

In der Apotheken sollte bei dieser Interaktionsmeldung und einer Erstverordnung eines Betablockers zunächst die Indikationen der beiden Wirkstoffe ­abgeklärt werden. Bei COPD ist keine Intervention erforderlich. Bei Neu­verordnung von nicht kardioselektiven Betablockern bei Asthmapatienten ist eine Rücksprache mit dem Arzt sinnvoll. Das gilt auch bei kardioselektiven Betablockern, wenn sie bei Asthma­patienten eingesetzt werden sollen und eine andere Indikation als Herz­insuffizienz oder nach akutem Myokardinfarkt vorliegt beziehungsweise als Startdosis bereits höhere Dosierungen eingesetzt werden. Berichtet der Patient bei einer Wiederholungsverordnung von einer Verschlechterung des Asthmas, die im Zusammenhang mit dem Betablocker stehen kann, sollte auch hier mit dem Arzt Rücksprache gehalten werden. /

 

Literatur bei den Verfassern

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