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Karies bei Kindern

Nur ein halber Zahn

17.08.2016  10:28 Uhr

Von Annette Mende, Berlin / Zwölfjährige in Deutschland haben durchschnittlich nur einen halben kariösen Zahn. Damit sind Kindergebisse hierzulande so gesund wie nirgends sonst auf der Welt. Auch bei den Erwachsenen hat sich die Zahngesundheit deutlich gebessert.

Im Rahmen der Deutschen Mund­gesundheitsstudie (DMS) wird der Bevölkerung in Deutschland alle paar Jahre sehr viel gründlicher auf den Zahn gefühlt als in anderen Ländern. Laut Institut der Deutschen Zahnärzte (IDZ), das die Studie im Auftrag der Bundeszahnärztekammer und der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) betreut, ist die DMS in Größe und Umfang einzigartig. Es handelt sich um eine repräsentative Untersuchung der gesamten deutschen Bevölkerung. Die Ergebnisse der fünften Auflage wurden jetzt in Berlin vorgestellt.

 

»Seit der ersten DMS im Jahr 1989 in der Bundesrepublik beziehungsweise 1992 in den neuen Bundesländern ist es bei den Kindern zu einem Kariesrückgang von 90 Prozent gekommen«, sagte Privatdozent Dr. Rainer Jordan vom IDZ. In Anlehnung an Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation wurden in der DMS V Zwölfjährige stellvertretend für die Gruppe der Kinder untersucht, 35- bis 44-Jährige als jüngere Erwachsene, 65- bis 74-Jährige als jüngere Senioren und erstmals auch ältere Senioren im Alter von 75 bis 100 Jahren.

 

Internationale Spitze

 

Kinder haben demnach im Durchschnitt nur einen halben Zahn mit Karieserfahrung, also mit Karies oder Kariesfolgen. 81 Prozent haben überhaupt keine Karies – ein Spitzenwert, der zeigt, dass die Gruppen- und Individualprophylaxe für Kinder Wirkung zeigt, so Jordan. »81 Prozent Kariesfreiheit bedeutet aber auch, dass sich die gesamte Karieslast auf nur ein Fünftel der Kinder verteilt.« Bei den Kindern mit Karieserfahrung seien im Durchschnitt 1,4 Zähne betroffen. Hier habe die DMS V, bei der nicht nur die Zahngesundheit erfasst wurde, sondern auch sozialwissenschaftliche Parameter, ein soziales Ungleich­gewicht offenbart. Kinder aus sozial niedrigen Schichten haben also häufiger Karies als der Nachwuchs von Bessergestellten.

 

Auch Erwachsene haben heute in Deutschland weniger Karies als früher. Im Vergleich zu 1997 beträgt der Unterschied bei den jüngeren Erwachsenen fünf, bei den jüngeren Senioren sechs Zähne. Insgesamt haben 35- bis 44-Jährige 11,2 Zähne mit Karieserfahrung, 25 von 28 Zähnen sind primär gesund oder restauriert und damit funktionstüchtig. 65- bis 74-Jährige, in früheren Zeiten schon Kandidaten für »die Dritten«, weil zumeist gänzlich zahnlos, verfügen heute über durchschnittlich 17 eigene Zähne. Zahnlosigkeit im Alter ist aber ebenso wie Karies bei Kindern ungleich auf die sozialen Schichten verteilt.

 

Pflegebedürftigkeit im hohen Lebensalter bedeutet in jedem dritten Fall, dass der Betroffene auch Hilfe mit der Mundhygiene braucht. Das kann sich auf die Mundgesundheit auswirken, die laut Studie bei älteren Senioren mit Pflegebedarf schlechter ist als bei nicht pflegebedürftigen. Pflegebedürftige haben im Durchschnitt nur halb so viele funktionstüchtige Zähne wie nicht pflegebedürftige Altersgenossen (fünf statt zehn) und sind häufiger zahnlos.

 

Parodontitis noch nicht im Griff

 

»Neben der Karies ist die Parodontal­erkrankung die andere große zahn­medizinische Volkskrankheit«, sagte Dr. Wolfgang Eßer von der KZBV. Die Karies habe man in den Griff bekommen, die Parodontitis dagegen leider noch nicht. Zwar habe sich die Prävalenz schwerer Parodontalerkrankungen bei Erwachsenen seit der letzten Erhebung im Jahr 2006 halbiert. Doch die Erkrankungslast sei noch immer hoch und werde aufgrund der demografischen Entwicklung weiter steigen.

 

Bei den Erwachsenen ist laut DMS V mehr als die Hälfte von einer Parodontalerkrankung betroffen; bei den 35- bis 44-Jährigen beträgt der Anteil 51,6 Prozent, bei den 65- bis 74-Jährigen 64,6 Prozent. »Als chronische Entzündung erhöht eine Parodontitis erwiesenermaßen das Risiko etwa für Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Dieser Zusammenhang ist noch zu wenig bekannt«, sagte Eßer. Der zu erwartenden steigenden Krankheitslast könne nur mit besseren Behandlungsstrategien – zu denen auch eine Vergütung etwa der strukturierten Nachsorge gehöre – begegnet werden. /

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