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Ernährung

Süße Getränke mit Nebenwirkungen

16.08.2011  14:15 Uhr

Von Hannelore Gießen / Schon der mäßige Konsum von zuckerhaltigen Getränken hat schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit: Ein bis zwei Gläser täglich reichen aus, um bei gesunden Menschen den Lipid- und Kohlehydratstoffwechsel durcheinanderzubringen und den Bauchumfang zu vergrößern.

Vor allem in westlichen Ländern werden viele gesüßte Getränke getrunken, nicht nur von Kindern und Jugendlichen. In den USA wurde vor mehr als zehn Jahren als Süßungsmittel ein Getreidesirup eingeführt, der hochkonzentriert Fructose enthält. Parallel dazu stieg die Zahl übergewichtiger und adipöser Menschen rasant an. Ob zwischen diesen beiden Entwicklungen ein kausaler Zusammenhang besteht, blieb bisher unklar.

Die Nurses‘ Health Study, eine große epidemiologische Studie an US-amerikanischen Krankenschwestern aus den 1980er-Jahren, wies darauf hin, dass Frauen, die mehr als zwei Süßgetränke pro Tag tranken, deutlich häufiger eine koronare Herzkrankheit entwickelten als Probandinnen, die im Durchschnitt weniger als ein gesüßtes Getränk täglich konsumierten. Zwei Interventionsstudien an US-amerikanischen Erwachsenen aus den beiden letzten Jahren zeigten eine signifikante Korrelation zwischen dem Genuss von fructose- oder saccharosehaltigen Getränken und dem Auftreten von Fettstoffwechselstörungen.

 

Allerdings waren bei den meisten der bisherigen Interventions-Studien, die die Ergebnisse der epidmiologischen Untersuchungen überprüfen sollten, Getränke verwendet worden, deren Zuckeranteil einem täglichen Konsum von 1,7 bis 4 Litern Süßgetränken entspricht. Dies spiegelt nicht den üblichen Genuss von Limonaden und konzentrierten Fruchtsäften wider. Die Züricher Forschergruppe um den Endokrinologen Dr. Kaspar Berneis hatte deshalb ein Studiendesign entwickelt, das die üblichen Trinkgewohnheiten abbildet: Speziell für die Studie wurden Getränke zusammengestellt, mit denen die Probanden – 29 gesunde, normalgewichtige junge Männer – 40 oder 80 g Fructose, 40 oder 80 g Glucose oder 80 g Saccharose zu sich nahmen. Die Studienteilnehmer tranken drei Wochen lang dreimal täglich 200 ml von einem der fünf Getränke, bevor verschiedene metabolische Parameter bestimmt wurden.

 

Nach einer vierwöchigen Washout-Phase begann die nächste Intervention mit einem anderen Getränk. Insgesamt durchliefen alle Probanden fünf Interventionen mit den unterschiedlich zusammengesetzten Getränken. Als Kontrolle dienten die Werte vor der ersten Intervention. Da die Endokrinologen noch bestimmen wollten, wie sich der Kohlenhydrat- und Lipidstoffwechsel unter fructosearmer Ernährung verändert, wurden die Probanden in einer weiteren Studienphase beraten, wie sie mit der Nahrung möglichst wenig Fructose aufnehmen.

 

Viel Fructose, viel Bauchfett

 

Die Ergebnisse der Studie überraschten auch die Wissenschaftler: »Wir haben den schädlichen Effekt von Softdrinks unterschätzt«, sagt Berneis. Er hätte nicht erwartet, dass die Auswirkungen bei gesunden jungen Männer so deutlich ausfallen. Der Nüchternblutzucker war nach allen fünf Interventionen signifikant um 4 bis 9 Prozent erhöht, ebenso die Konzentration des hochsensitiven C-reaktiven Proteins (CRP) um 60 bis 109 Prozent. Der höchste Wert wurde in der Gruppe mit dem hohen Fructosekonsum erreicht. CRP ist ein Marker für eine subklinische Entzündung, die unter anderem als Schlüsselfaktor beim Entstehen einer Insulin­resistenz identifiziert wurde. Ihre Ergebnisse publizierten die Forscher im »American Journal for Clinical Nutrition« (doi: 10.3945/ajcn.111.013540 ).

 

Auch der Bauchumfang und Körperfettanteil stiegen bei allen fünf Interventionen. Dies war in den beiden Fructose-Gruppen aber deutlich stärker ausgeprägt als in den Glucose-Gruppen. Die fructosehaltigen Getränke senkten auch die LDL-Partikelgröße, was sie atherogener macht. Der Effekt von Fructose auf den Stoffwechsel scheint insgesamt schädlicher zu sein als der von Glucose, folgern die Autoren. Obwohl beide Zucker gleich viele Kalorien liefern, werden sie unterschiedlich metabolisiert: Glucose kann in Form von Glykogen gespeichert werden, Fructose wird zum Teil in Fett umgewandelt und begünstigt die Lipidablagerung im viszeralen Fettgewebe.

 

Bereits aus früheren Studien war bekannt, dass der Stoffwechsel die Zufuhr von Energie aus zuckerhaltigen Getränken offenbar schlechter kompensiert als die Zufuhr von Energie aus festen Lebensmitteln. Zudem enthalten Softdrinks deutlich höhere Konzentrationen an Fructose als andere fructosehalige Lebensmittel wie Obst. Zum Vergleich: Ein Apfel enthält 5,7 g Fruchtzucker, eine Dose Cola dagegen 17,5 g. So werden mit Softdrinks schnell Mengen erreicht, die der Körper ncht mehr verarbeiten kann.

 

Die Züricher Studie ist die erste, die zeigt, dass auch ein niedriger oder moderater Konsum von gesüßten Getränken über einen Zeitraum von nur drei Wochen den Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsel ungünstig beeinflusst. Dass die metabolischen Effekte bereits bei dreiwöchigem Konsum der Süßgetränke auftraten, findet Studienleiter Berneis beunruhigend, noch dazu weil die Probanden gesund, jung und normalgewichtig waren. Obwohl die einzelnen Interventionen nur drei Wochen und die Washout-Phasen dazwischen jeweils vier Wochen dauerten, schienen sich die ungünstigen Effekte der Süßgetränke über die gesamte Studiendauer noch zu addieren. /

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