Kosten für Krankheit komplett absetzbar? |
16.08.2011 15:34 Uhr |
Von Renate Schlüter / Der Bundesverband der Lohnsteuerhilfevereine (BDL) ist der Auffassung, dass Krankheitskosten vollständig, also ohne Reduzierung um die sogenannte zumutbare Belastung, als außergewöhnliche Belastung steuerlich abzugsfähig sein müssen. In einem Gerichtsverfahren wird bezweifelt, dass die bestehende steuerliche Vorschrift verfassungsgemäß ist.
Aufwendungen für Krankheitskosten können grundsätzlich als außergewöhnliche Belastungen steuerlich geltend gemacht werden. Dazu gehören alle Aufwendungen, die die Heilung einer Krankheit bezwecken oder dazu dienen, eine Krankheit erträglicher zu machen.
Gesetzlich Versicherte müssen viele Gesundheitsleistungen aus eigener Tasche zahlen. Sie sollten in der Steuererklärung alle Krankheitskosten angeben.
Foto: PZ/Siebenand
Der Gesetzgeber mutet allerdings jedem Steuerpflichtigen zu, einen bestimmten Teil seiner Krankheitskosten selbst zu tragen. Daher wirkt sich nur der Betrag steuermindernd aus, der über der sogenannten zumutbaren Belastung liegt. Diese wiederum ist abhängig vom Einkommen, Familienstand und Kinderzahl des Steuerpflichtigen und beträgt je nach Fall zwischen einem und sieben Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.
Neue rechtliche Zweifel
Bei einem verheirateten Steuerpflichtigen mit zwei Kindern, dessen Gesamtbetrag der Einkünfte 70 000 Euro beträgt, liegt der Anteil der zumutbaren Belastung bei vier Prozent, dies entspricht 2800 Euro. Einem Alleinstehenden mit gleichen Einkünften wird ein Eigenanteil von sieben Prozent (4900 Euro) zugemutet.
Diese Regelung der zumutbaren Belastung war in der Vergangenheit wiederholt Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen. Dabei wurde regelmäßig entschieden, dass gegen den Ansatz einer zumutbaren Belastung keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen.
Warum sind nun wieder rechtliche Zweifel an der oben dargestellten Regelung aufgekommen? Grund hierfür ist ein Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Februar 2008, wonach die Aufwendungen eines Steuerpflichtigen für seine Krankenversicherung steuerfrei bleiben, soweit sie mit der Versorgung auf Sozialhilfeniveau vergleichbar sind (sogenannte Basisversorgung). Der Gesetzgeber hat dieses Urteil umgesetzt: Seit dem Jahr 2010 wurde der Sonderausgabenabzug für Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge neu geregelt. Die Versicherungsbeiträge für die Basisversicherung sind seitdem unbeschränkt als Sonderausgabe abziehbar.
Gerade bei gesetzlich Krankenversicherten fallen bei Inanspruchnahme vieler Leistungen Zahlungen an, die nicht durch die Basisversicherung abgedeckt werden und daher vom Versicherten selber zu tragen sind. Insbesondere die Praxisgebühr, Zuzahlungen zu Arznei-, Heil- und medizinischen Hilfsmitteln, zu stationärer Krankenhausbehandlung, zu Rehabilitationsmaßnahmen sowie der Eigenanteil der Aufwendungen für Zahnersatz fallen darunter. Nicht betroffen sind Aufwendungen für Sehhilfen, da diese auch Empfänger von Arbeitslosengeld II und Sozialgeld selbst tragen müssen.
Alle Kosten angeben
In konsequenter Anwendung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts müsste ein steuerlicher Abzug der oben genannten Zuzahlungen auch in voller Höhe, also ohne Kürzung um einen zumutbaren Eigenanteil, möglich sein. Zur Klärung dieser Rechtsfrage ist vor dem Finanzgericht Rheinland-Pfalz ein Verfahren anhängig.
Daher sollten in der Steuererklärung grundsätzlich alle Krankheitskosten angegeben werden, unabhängig davon, ob sie offensichtlich unter dem Betrag der zumutbaren Belastung liegen oder nicht. Die Finanzämter werden voraussichtlich eine Kürzung um die zumutbare Belastung vornehmen. Unterbleibt der Abzug der Krankheitskosten ganz oder teilweise, sollte Einspruch eingelegt und unter Hinweis auf das beim Finanzgericht Rheinland-Pfalz anhängige Verfahren das Ruhen des Verfahrens aus Zweckmäßigkeitsgründen beantragt werden. /