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Ultraschall bringt Neurone auf Abwege

14.08.2006  13:10 Uhr

Ultraschall bringt Neurone auf Abwege

Von Christina Hohmann

 

Ultraschalluntersuchungen, wie sie in der Schwangerschaftsvorsorge vorgesehen sind, beeinträchtigen die Migration von Neuronen im Gehirn des Fetus. Dies stellten US-amerikanische Forscher bei Untersuchungen an Mäusen fest.

 

Auf Menschen seien die Daten aber nicht direkt zu übertragen, schreiben die Wissenschaftler im Fachjournal »Proceedings of the National Academy of Sciences« (Doi: 10.1073/pnas.0605294103). Pasko Rakic und seine Kollegen von der Yale Medical School in New Haven, Conneticut, hatten einen speziellen Farbstoff in das Gehirn von Mäusefeten injiziert, um die Wanderungsbewegung der Nervenzellen verfolgen zu können. Dabei bemerkten die Wissenschaftler, dass bestimmte Zellen des Cortex sich nicht normal verhielten.

 

Diese vorläufigen Ergebnisse stellte Rakic bereits 2004 auf dem Treffen der Society for Neuroscience vor. Nun hat er weitere 335 Mäuse untersucht. Diese setzte er im Mutterleib einer 30-minütigen, kontinuierlichen Ultraschallbehandlung aus, die in Intensität und Dauer einer Vorsorgeuntersuchung bei Schwangeren glich. Wenige Tage nach der Geburt untersuchte er die Gehirne der jungen Mäuse. Dabei zeigte sich, dass bei den bestrahlten Tieren nicht alle wandernden Neurone ihr Ziel, die äußere Schicht der Hirnrinde, erreichten. Einige Nervenzellen fanden sich in inneren Schichten des Cortex oder in der benachbarten weißen Substanz. Je länger die Tiere dem Ultraschall ausgesetzt waren, desto stärker verstreut waren die Neurone.

 

Durch eine 30-minütige Bestrahlung des Gehirns wurden etwa 6 Prozent der markierten Nervenzellen zu »Irrläufern«. Makroskopisch zeige das Gehirn aber keine pathologischen Befunde, so Rakic. Er habe bislang auch nicht getestet, ob die geringfügigen Veränderungen die kognitiven Fähigkeiten der Tiere beeinträchtigen.

 

Außerdem ließen sich die Daten nicht ohne weiteres auf den Menschen übertragen. Vor allem, weil es bei einer normalen Untersuchung nicht zu einer 30-minütigen, kontinuierlichen Bestrahlung des Gehirns kommt, da auch andere Körperregionen untersucht werden. Um die Wirkung der Strahlung beim Menschen zu klären, sind weitere Studien notwendig. Derzeit wiederholt Rakic seine Experimente mit Affen und sucht nach Verhaltensänderungen bei den Nachkommen. Ergebnisse liegen noch nicht vor.

 

Schwangere sollten nicht aus Sorge um ihr ungeborenes Kind die medizinisch notwendigen Ultraschalluntersuchungen versäumen, betont der Wissenschaftler. Der Nutzen der Methode sei enorm groß. Gleichzeitig wendet er sich aber dagegen, die Ultraschallsitzungen unnötig lange auszudehnen, zum Beispiel um Videos vom Baby zu machen. Auch die US-amerikanische FDA und andere medizinische Organisationen raten von unnötigen Untersuchungen ab.

 

In der Vergangenheit haben mehrere Studien bereits Hinweise darauf gefunden, dass Ultraschalluntersuchungen zu kleinen Veränderungen des Gehirns führen, die zum Beispiel das Risiko für Linkshändigkeit, Sprachstörungen oder ein verzögertes Wachstum erhöhen. Andere Studien konnten diese Ergebnisse nicht bestätigen.

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