Ökogemeinschaft Mensch |
31.07.2018 10:34 Uhr |
Von Marion Hofmann-Aßmus / Eine Vielzahl von Mikroben besiedelt die menschliche Haut und steht in enger Wechselbeziehung zu den Körperzellen. Das Hautmikrobiom ist wichtig für die Gesundheit der Haut. Bei Erkrankungen wie der atopischen Dermatitis oder Psoriasis beobachtet man eine abweichende Zusammensetzung der Mikroben.
Das Mikrobiom der Haut besteht aus Pilzen, Viren, Archaeen (früher: Arche- oder Urbakterien) und vor allem Bakterien. Da Letztere den überwiegenden Anteil ausmachen, werden sie oft stellvertretend für die Mikrobengemeinschaft genannt. Lange Zeit sah man Mikroben generell als Eindringlinge (Pathogene) an, die es zu bekämpfen galt. Dabei sind nur etwa 200 Pathogene beschrieben. Die Mehrheit der mikrobiellen Gemeinschaft besteht aus kommensalen (lateinisch cum mensa, den Tisch teilen) oder fakultativ pathogenen Mikroben (1).
Heute weiß man, dass der Mensch eine symbiotische Lebensgemeinschaft mit den Mikroben bildet. Forscher prägten dafür den Begriff »Metaorganismus« (2). Die Erkenntnis, dass der Mensch die Mikrobengemeinschaft braucht und diese gesundheitsförderlich ist, führt derzeit zu einem Paradigmenwechsel: Nicht einzelne Bakterien sollen bekämpft, sondern das Mikrobiom als Ganzes unterstützt werden – damit es den Körper gegen die Überhandnahme einzelner Pathogene schützt. Auch aus diesem Grund sind Antibiotika sehr achtsam einzusetzen.
So verschieden wie die Menschen ist auch ihr Hautmikrobiom.
Foto: Fotolia/pathdoc
Mikrobieller Fingerabdruck
Früher ging man davon aus, dass das Mikrobiom in Darm, Mund und auf der menschlichen Haut zehn Mal mehr Mikroorganismen umfasst als der Mensch Zellen hat. Neueren Untersuchungen zufolge entspricht die Anzahl an Mikroben auf und im Menschen in etwa der Anzahl der eigenen Körperzellen (3).
Dabei lässt sich das menschliche Hautmikrobiom in zwei Gruppen von kommensalen Mikroorganismen einteilen: residente und transiente. Transiente Mikroorganismen gelangen aus der Umwelt auf die Haut, verweilen dort aber nicht lange. Die residenten Mikroben bilden das Kern-Mikrobiom, das bei allen Menschen vorkommt und uns von anderen Lebewesen unterscheidet.
Bei jedem Menschen ist das residente Mikrobiom individuell zusammengesetzt: quasi ein »mikrobieller Fingerabdruck«. Das verdeutlicht beispielsweise ein Versuch, bei dem verschiedene Teilnehmer einige Stunden in einer Klimakammer zubrachten (4). Die Luft der Klimakammer wurde abgeleitet und analysiert. Jeder Teilnehmer hinterließ eine individuell zusammengesetzte »Mikrobenwolke« im Raum. Auch die Mikroben auf dem Boden verrieten, welche Person im Raum gewesen war. Dabei fanden sich nicht nur Besiedler der Haut, sondern bei Frauen auch Milchsäurebakterien, die der Vaginalflora zugeordnet wurden. Das zeigt, dass die verschiedenen Mikrobiome eines Menschen eng zusammenhängen und nicht getrennt betrachtet werden können. Obwohl sich das Mikrobiom täglich leicht verändert, ist es stabil genug, um sich über viele Monate hinweg einzelnen Personen zuordnen zu lassen.
Das Hautmikrobiom unterliegt Einflüssen wie Alter, Geschlecht und insbesondere Umgebung, in der der Mensch lebt – ländlich oder urban (5). So weisen Erwachsene eine größere Diversität auf als Ältere oder Heranwachsende, und bei Stadtbewohnern kommen bestimmte Enterobakterien, zum Beispiel Trabulsiella, häufiger vor.
Die Komplexität des Hautmikrobioms zeigt sich auch im Detail. Denn die Mikroben verteilen sich nicht gleichmäßig über den menschlichen Körper. Vielmehr unterscheidet sich ihre Zusammensetzung je nachdem, welches Mikroklima das jeweilige Hautareal aufweist (feucht, trocken, fettig) (6). So werden bedeckte Körperregionen wie Achselhöhlen, Zehenbereich oder Leistengegend von feuchtigkeits- und wärmeliebenden Mikroben besiedelt, zum Beispiel gramnegativen oder coryneformen Bakterien oder Staphylococcus aureus. Von Hautzonen mit zahlreichen Talgdrüsen wie Gesicht, Ausschnitt und oberer Rückenbereich profitieren dagegen lipophile Mikroben wie Propionibakterien und Hefepilze (Malassezia). Trockene Hautstellen wie Arme und Beine weisen weniger Mikroben, zum Beispiel Staphylokokken, auf als feuchte Areale.
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Bei einer natürlichen Geburt bildet die Vaginalflora den Ausgangspunkt für die Entwicklung des kindlichen Hautmikrobioms. Wie aktuelle Studien zeigen, ist das vaginale Mikrobiom diverser als man früher dachte und unterscheidet sich je nach Ethnie.So wurden in einer Studie fünf Vaginaltypen ermittelt (21). Vier davon wurden von jeweils einer bestimmten Laktobazillen-Art dominiert. Die fünfte Gruppe war dadurch charakterisiert, dass mehr strikt anaerobe Organismen und weniger Milchsäure-Bakterien vorhanden waren. Je nach Ethnie (Weiße, Schwarze, Hispanierinnen, Asiatinnen) unterschied sich der Anteil der vorherrschenden Bakterienart signifikant.Wie auf der Haut finden sich auch im vaginalen Mikrobiom pathogene Bakterien und Pilze, die sich mit den zahlenmäßig weit überlegenen Laktobazillen im Gleichgewicht befinden. Im Krankheitsfall nimmt die Anzahl der Laktobazillen ab, und die Pathogene gewinnen die Oberhand. Eine große Diversität an Laktobazillen scheint auch hier vorteilhaft zu sein. So hatten Schwangere, deren vaginales Mikrobiom verschiedene Laktobazillen-Stämme enthielt, ein geringeres Risiko für Frühgeburten (22).
Woher stammt die Hautflora?
Ob Kinder im Mutterleib in einer vollkommen sterilen Umwelt leben, ist noch strittig; ein Hautmikrobiom haben sie jedoch nicht. Das erhalten sie bei einer vaginalen Geburt durch den Kontakt mit der mütterlichen Genitalflora. In Untersuchungen fand man innerhalb einer Stunde nach der Geburt auf der Haut des Neugeborenen eine Mikroben-Zusammensetzung, die zahlreiche Laktobazillen aufweist und der mütterlichen Vaginalflora gleicht (7).
Kaiserschnitt-Kinder zeigen vor allem Mikroben des mütterlichen Hautmikrobioms (Propionibakterien und Streptokokken). Möglicherweise gelangen schon vor der Geburt einige Mikroben der Mutter zum Kind. Denn Kinder, die im Verlauf der Geburt durch einen Notkaiserschnitt auf die Welt kamen, zeigen ein ähnliches Hautmikrobiom wie Kinder mit natürlicher Geburt (8).
Direkt nach der Geburt sind die Mikroben noch diffus über den kindlichen Körper verteilt. Das ändert sich jedoch relativ rasch. Bereits sechs Wochen später beobachtet man eine Verteilung auf bestimmte Habitate wie bei Erwachsenen.
Der unterschiedliche Geburtsmodus könnte sich auf die Gesundheit der Kinder auswirken. So wurde postuliert, dass Kaiserschnitt-Kinder nicht mit dem »richtigen« Mikrobiom angeimpft wurden und daher später häufiger unter Allergien oder atopischer Dermatitis leiden. Nun zeigen neuere Untersuchungen, dass zwischen dem Mikrobiom von Kaiserschnitt-Kindern und vaginal Geborenen nach wenigen Wochen keine funktionellen Unterschiede der Mikrobengemeinschaft mehr nachweisbar sind. Demnach organisiert sich das kindliche Mikrobiom in den ersten Wochen je nach Vorliebe für die jeweilige Körperstelle und nicht abhängig vom Geburtsmodus (8).
Wechselspiel mit dem Immunsystem
Dennoch bleibt die Frage, warum Kaiserschnitt-Kinder scheinbar empfindlicher für bestimmte Erkrankungen sind. Experten wie Professor Thomas Bosch, Zoologe an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, vermuten in der frühen Zeit der Mikrobiom-Entstehung ein »window of opportunity«, in dem das Immunsystem mit dem entstehenden Mikrobiom interagiert.
Gestützt wird diese These durch Tierversuche: In einem Mausmodell musste die Haut in einer bestimmten Zeitspanne nach der Geburt mit Mikroben besiedelt sein, damit das Immunsystem eine Toleranz gegen das eigene Mikrobiom ausbilden konnte (9). Dieses Zeitfenster war dadurch charakterisiert, dass regulatorische T-Zellen (Treg) die neonatale Haut schwarmartig durchfluteten. Eine gezielte Ausschaltung des Treg-Einstroms verhinderte die Entwicklung der Immuntoleranz vollständig.
Möglicherweise fehlt bei Kaiserschnitt-Kindern in diesem frühen entscheidenden Zeitfenster ein wichtiger Teil des Mikrobioms für die Ausbildung eines normalen Immunsystems.
Vielfältige Barriere gegen Pathogene
Das Hautmikrobiom ist widerstandsfähig: Händewaschen oder -desinfizieren verändert die Besiedelung nur vorübergehend.
Foto: Fotolia/Gerhard Seybert
Die chemischen, physikalischen und immunologischen Barrierefunktionen der Haut sind gut bekannt. Aktuellen Daten zufolge übernimmt das Mikrobiom eine weitere Schutzfunktion und bildet die mikrobielle Barriere. Die Umweltsignale gelangen also nicht unmittelbar auf die Haut, sondern treffen zunächst auf eine vielgestaltige lebendige Mikrobenschicht, die mit den äußeren Einflüssen – wie Chemikalien, Medikamenten, Cremes oder »fremden« Mikroben – interagiert.
Mithilfe der Kolonisierungsresistenz – das bedeutet, dass alle verfügbaren Nischen auf der Haut quasi schon besetzt sind – verhindert die vorhandene Mikrobengemeinschaft, dass sich neu ankommende Mikroben ausbreiten können. Auch im Mikrobiom natürlicherweise vorkommende Pathogene wie Staphylococcus (S.) aureus oder opportunistische Erreger wie S. epidermidis hält das Mikrobiom durch ein fein austariertes Gleichgewicht in Schach. So sind etwa Propionibacterium acnes und S. epidermidis an der Wachstumskontrolle von S. pyogenes und S. aureus beteiligt (10). Salopp gesagt: Je diverser, desto gesünder ist die Hautflora.
Kommt es zu einem Ungleichgewicht (Dysbiose), beispielsweise durch wiederholte topische Applikation eines Antibiotikums, können einzelne Spezies (Bakterien oder Pilze) die Überhand gewinnen. Äußere Einflüsse wie Waschen mit Seife sowie Hände- oder Hautdesinfektion verändern das Hautmikrobiom nur vorübergehend; es regeneriert sich rasch wieder.
Dass das Mikrobiom und seine Stoffwechselprodukte in engem Austausch mit dem Immunsystem stehen, wird immer deutlicher. Denn die Bakterien des Mikrobioms kommen auch in tieferen Hautschichten vor, etwa in Epidermis, Dermis und Fettgewebe (11). Dort befinden sich spezialisierte Zellen wie Langerhans-Zellen oder dendritische Zellen, die Rezeptoren aufweisen, die eine Immunantwort einleiten können (1). Wie Studien zeigen, kontrolliert S. epidermidis die Aktivierung von dendritischen Zellen und T-Lymphozyten in der Haut, um eindringende Pathogene abzuwehren (12, 13). So scheint das Mikrobiom nicht nur maßgeblich an der kutanen Immunität beteiligt zu sein, sondern koordiniert diese Immunantwort sogar (14).
Insgesamt stellen sich die Funktionen der Haut heute in einem anderen Licht dar. Anstelle einer einfachen mechanischen Barriere gegenüber der Außenwelt gilt die Haut nun als ein wichtiges immunologisches Organ, das mit den verschiedenen Bestandteilen der Barriere interagiert.
Veränderungen bei atopischer Dermatitis
Die atopische Dermatitis (AD) ist eine häufige chronisch-entzündliche Hauterkrankung, die insbesondere Kinder betrifft. Die sehr trockene, entzündete Haut geht auf eine gestörte Hautbarriere zurück, an deren Entstehung verschiedenen Gene beteiligt sind.
Cleverer Keim: Staphylococcus epidermidis kontrolliert die Aktivierung von dendritischen Zellen und T-Lymphozyten in der Haut, um eindringende Pathogene abzuwehren.
Foto: Your Photo Today
Gut erforscht ist das Filaggrin-Gen, von dem zahlreiche Mutationen bekannt sind. Etwa jeder fünfte AD-Patient trägt mindestens eine der 40 Mutationen, die zu einem Filaggrin-Mangel führen (15). Dieser Mangel verursacht jedoch nicht immer das Vollbild einer AD; manche Betroffene haben nur eine trockene Haut.
Interessant ist nun, dass die bakterielle Besiedlung von Menschen mit Filaggrin-Mangel teilweise der von Patienten mit atopischer Dermatitis gleicht (16). Entwickelt sich aus der trockenen Filaggrin-Mangel-Haut eine AD, ändert sich das Mikrobiom weiter. Die prominentesten Veränderungen bestehen in einer verminderten bakteriellen Vielfalt sowie einer unterschiedlichen Zusammensetzung von Staphylokokken-Stämmen.
Von gesunder über trockene zu entzündeter Haut nimmt die Diversität der Bakterien immer mehr ab, während das Bakterium S. aureus immer mehr zunimmt. Dies bestätigt Professor Dr. Claudia Traidl-Hoffmann vom Universitären Zentrum für Gesundheitswissenschaften am Klinikum Augsburg (UNIKA-T) und Mitglied im Direktorium der Christine-Kühne-Stiftung (CK-CARE) im Gespräch mit der PZ. »Bei der atopischen Dermatitis hat sich S. aureus als der zentrale Keim erwiesen. Auf atopisch veränderten Hautstellen überwächst er alle anderen Bakterien. Dadurch verringert sich die Diversität der Mikrobengemeinschaft in der entzündeten Haut deutlich.«
Besonders überrascht waren die Forscher von folgender Beobachtung (16): Die für Gesunde typische, unterschiedliche mikrobielle Besiedelung je nach Körperstelle war nicht mehr vorhanden, wenn sich die Haut entzündete. Demnach verändert die Entzündung das Hautmikrobiom unabhängig von der Körperstelle (16). Darüber hinaus wurde in dieser Studie nicht nur das Mikrobiom der häufig betroffenen Hautareale (Armbeugen, Kniekehlen) von AD-Patienten untersucht, sondern auch scheinbar unveränderte Stellen. Hier zeigten sich ebenfalls die für AD-Patienten typischen Veränderungen der mikrobiellen Zusammensetzung – wenn auch nicht so stark ausgeprägt wie an den läsionalen Stellen.
Traidl-Hoffmann erklärt das ausgeprägte Wechselspiel zwischen S. aureus und der atopischen Dermatitis so: »Unsere Forschungen deuten darauf hin, dass das Wachstum von Staphylococcus aureus sowohl eine Folge als auch eine Ursache der Erkrankung sein könnte. Am Anfang steht die Barrierestörung, die zu einer Hautveränderung beziehungsweise einer Entzündung führt. Aufgrund dieser Milieuveränderung gelingt es S. aureus, seine Wachstumsnische innerhalb des Mikrobioms auszudehnen. Zugleich verstärkt das Bakterium seine Vermehrung, indem es entzündungsfördernde Substanzen produziert. Außerdem reguliert es bestimmte Proteine herunter, die an der Bildung der Tight Junctions beteiligt sind und eine wichtige Funktion für den Zusammenhalt der Hautzellen erfüllen. Dies fördert den Barrieredefekt und ermöglicht löslichen Substanzen, in die Haut einzudringen und die Entzündung zu verstärken – wovon wiederum S. aureus profitiert.«
Bietet das Mikrobiom neue Therapieansätze?
In einer noch nicht publizierten Studie konnte der umweltmedizinische Fachbereich von Direktorin Traidl-Hoffmann den Verlust der mikrobiellen Diversität bei läsionaler und nicht-läsionaler Haut von AD-Patienten bestätigen. Zudem stellte sich heraus, dass die betroffenen Hautstellen zwar von S. aureus überwuchert wurden, andere Stämme des »normalen« Mikrobioms jedoch in geringerer Konzentration noch vorhanden waren.
Bei atopischer Dermatitis verändert sich die Hautflora nachhaltig.
Foto: Fotolia/photophonie
Daraus ergeben sich laut Traidl-Hoffmann zwei mögliche Behandlungsansätze: Entweder unterdrückt man gezielt S. aureus oder fördert die übrigen Spezies. Ein Ansatz bestehe darin, bessere Wachstumsbedingungen für die nützliche Mikrobengemeinschaft zu schaffen, um S. aureus zurückzudrängen. Denn es reiche nicht aus, nützliche Keime auf die Haut zu bringen, wenn sie dort nicht wachsen können. »Wir suchen nach einer Substanz, die das Wachstum der übrigen Keime fördert.« Die Dermatologin hält es für möglich, dass es in absehbarer Zeit ein Produkt gebe, das die Mikrobengemeinschaft unterstützt.
Interessant ist zudem, dass bei AD-Patienten gerade solche Staphylokokken-Stämme seltener vorkommen, die antimikrobielle Peptide (AMP) produzieren, die S. aureus selektiv abtöten (17). Brachten die Forscher diese Stämme von S. epidermidis und S. hominis auf die Haut von AD-Patienten, nahm die S.-aureus-Besiedelung ab.
Festzuhalten ist, dass zwischen der Veränderung des Mikrobioms und dem Auftreten sowie der Zunahme von Dermatitis-Symptomen lediglich Korrelationen beobachtet wurden. Eine Kausalität konnte nicht gezeigt werden. Auch ist die Frage von Henne und Ei noch nicht geklärt: Verändert sich zuerst das Mikrobiom und folgt dann die Entzündung oder ist die Zunahme von S. aureus eine Folge der Entzündungsvorgänge?
Neue Erkenntnisse erwartet die Expertin von der deutsch-schweizerischen ProRaD-Studie (Progressive Längsschnittstudie zur Untersuchung der Remissionsphase bei Patienten mit atopischer Dermatitis und assoziierten Erkrankungen wie Asthma und allergischer Rhinitis; www.ck-care.ch/ck-care-proradstudie). »Mit der CK-CARE führen wir eine Studie durch, in der wir zahlreiche Patienten mit atopischer Dermatitis über mehrere Jahre verfolgen. Unser Ziel ist es, den natürlichen Verlauf der Erkrankung zu verstehen und Biomarker im Hautmikrobiom zu finden, die eine Prognose der Erkrankung ermöglichen. Anhand der Registerdaten wollen wir neue Therapie- und Präventionsstrategien entwickeln.«
Verringerte Diversität bei Psoriasis
Der Verlust von mikrobieller Diversität wird bei zahlreichen Erkrankungen im Darm und auf der Haut beobachtet, etwa bei entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn, bei Nahrungsmittelallergie gegen Kuhmilchproteine und bei Hauterkrankungen wie atopische Dermatitis.
Entstehen hier Hauttumoren oder nicht? Die mikrobielle Besiedelung der Haut könnte entscheidenden Einfluss haben.
Foto: Fotolia/MrVettore
Auch die Psoriasis scheint mit einer verringerten Diversität der Haut-Mikroben an bestimmten läsionalen Stellen einherzugehen. Darauf verweist eine Untersuchung, die gesunde und betroffene Hautstellen bei Patienten verglich (18). Die Autoren fanden einen Anstieg der Gattung Staphylococcus in den Psoriasis-Plaques. Die genauere Analyse der Bakterien-Arten ergab jedoch keinen Unterschied, sodass sich kein Biomarker für Psoriasis ermitteln ließ.
Auch Traidl-Hoffmann berichtet von einer deutlich reduzierten Diversität der psoriatrischen Haut, schränkt aber ein: »Das halte ich nicht für ursächlich, sondern für eine Folge der immunologischen Vorgänge der Autoimmunerkrankung. Das Mikrobiom bietet hier keinen therapeutischen Ansatzpunkt, es kann bestenfalls unterstützt werden.«
Ein bislang wenig beachteter Aspekt: Auch in der Haut von Psoriasis-Patienten herrscht ein Filaggrin-Mangel (19). Darauf verweisen Untersuchungen, die eine verminderte Expression des Filaggrin-Gens ermittelten, vor allem in Läsionen, aber auch in nicht-veränderten Hautarealen. Der Mangel beruht jedoch nicht auf Mutationen im Filaggrin-Gen, sondern auf einer erhöhten Expression des Tumornekrosefaktors TNF-α. Letztlich kommt es dadurch wie bei AD zu einer Barrierestörung. Welche Rolle das Mikrobiom dabei spielt, ist noch nicht geklärt.
Wachstumshemmung von Melanomzellen
Ein bestimmter Stamm von S. epidermidis scheint noch mehr positive Eigenschaften aufzuweisen. Er produziert 6-N-Hydroxyaminopurin (6-HAP), das im Mausmodell das Wachstum von Hauttumoren hemmte (20). Da 6-HAP eine ähnliche Struktur hat wie die Nukleinbase Adenin, wird es an deren Stelle in die DNA eingebaut und unterbricht die DNA-Synthese – die Tumorzellen können sich nicht weiter teilen. Körperzellen schützen sich davor durch ein Enzym, über das die Tumorzellen nicht mehr verfügen.
Im Tierversuch verursachte die intravenöse Injektion von 6-HAP keine toxische Reaktion. Übertrugen die Forscher den S.-epidermidis-Stamm auf die Haut haarloser Mäuse, bildeten sich unter UV-Bestrahlung deutlich weniger Hauttumoren als bei Tieren, die diesen Stamm nicht auf ihrer Haut trugen. Der 6-HAP-produzierende S. epidermidis bildet bei vielen gesunden Menschen einen gängigen Bestandteil des Hautmikrobioms. Die Autoren der Studie folgerten daraus, dass bestimmte kommensale Bakterien ihren Wirt bei der Abwehr gegen Hauttumoren unterstützen. Fehlen diese, könnte das Risiko für Hauttumoren steigen. Möglicherweise lässt sich die Besiedelung mit 6-HAP-produzierendem S. epidermidis bei diesen Menschen präventiv nutzen. /
Marion Hofmann-Aßmus absolvierte eine Ausbildung als veterinärmedizinisch-technische Assistentin (VMTA) und studierte anschließend Biologie an der Ludwig-Maximilians-Universität, München. Promoviert wurde sie 1999 mit einer Arbeit zu molekularer Kardiologie an der Chemischen Fakultät der LMU München. Seither ist sie freiberuflich in verschiedenen Redaktionen und als Fachjournalistin tätig.
Dr. Marion Hofmann-Aßmus
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Literatur