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Lieferengpass

Cannabisblüten werden knapp

01.08.2017  15:40 Uhr

Von Daniela Hüttemann und Anna Pannen / Schwer kranke Patienten sollten seit März eigentlich leichter an medizinisches Cannabis kommen. Doch es gibt Probleme: Viele Importeure können die Blüten aufgrund der großen Nachfrage nicht liefern.

Gerade erst wurde die Verordnung auf Kassenrezept legal, nun müssen Patienten schon wieder auf Medizinalhanf verzichten: In vielen Apotheken sind Cannabisblüten derzeit nicht erhältlich. Keine der 14 Blütensorten sei momentan lieferbar, bestätigte ein Mitarbeiter des DAC/NRF der PZ. Grund ist ABDA-Sprecherin Ursula Sellerberg zufolge die hohe Nachfrage und die wenig flexible Produktion: Im Gegensatz zu chemisch hergestellten Medikamenten könne man Pflanzen schließlich nicht plötzlich schneller wachsen lassen.

 

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte teilte mit, es liege nicht an schleppender Bürokratie, dass die Blüten nicht in die Apotheken kommen. Man habe alle Anträge auf Import genehmigt, sagte ein Sprecher gegenüber der PZ. Allein, die Importeure kommen momentan selbst nicht an Cannabis. Die Blüten seien restlos ausverkauft und es kämen derzeit keine neuen nach, erklärten sie. Importeur Spektrum Cannabis teilte mit, die von ihm vertriebenen Sorten Princeton, Houndstooth, Argyle und Penelope seien erst ab September wieder lieferbar. Nur die neue Sorte Bakerstreet werde ab kommender Woche ausgeliefert.

 

Bestimmte Sorte bevorzugt

 

Für viele Patienten bedeutet das, dass sie ihre gewohnte Sorte nicht bekommen. Das ist ein Problem, denn die Blüten unterscheiden sich im Gehalt der Hauptwirkstoffe ∆9-Tetrahydrocannabinol und Cannabidiol und so auch in ihrer Wirkung stark voneinander. Ärzte und Patienten bevorzugen daher meist eine bestimmte Sorte.

 

Laut DAC/NRF bedeutet der derzeitige Lieferengpass dennoch nicht, dass Patienten nun unversorgt bleiben. Schließlich könne ihr Arzt ihnen Cannabis in anderer Form verschreiben: »Als ohnehin bessere Alternative zu Cannabisblüten sind Cannabis- und Cannabinoid-Fertigarzneimittel sowie Cannabinoid-Rezepturarzneimittel mit Dronabinol und Cannabidiol mit sofortiger Verfügbarkeit verordnungsfähig«, erklärte der DAC/NRF in einem Rezeptur-Hinweis. Die Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft (DPhG) hatte schon vor Wochen bemängelt, dass Blüten nur schwer exakt zu dosieren sind. »Angesichts der Schwankungen im Gehalt der Inhaltsstoffe ist eine Pharmakotherapie mit der Arzneidroge nicht optimal«, heißt es in einem DPhG-Statement.

 

Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linkspartei, Frank Tempel, kritisierte die derzeitige Situation. Es komme nicht infrage, dass Patienten ständig die Sorte wechseln müssen, sagte er der Nachrichtenagentur dpa. Kritisch sieht Tempel auch die derzeitigen Preise für Cannabisblüten, auf die die Apotheker jedoch keinen Einfluss haben. Vor der Gesetzesänderung im März mussten Patienten nämlich weniger zahlen. Nun werden die Blüten in geprüftem, aber unverändertem Zustand nach § 4 AMPreisV zu berechnet. Verarbeitet die Apotheke die Blüten hingegen gemäß NRF-Vorschriften, gilt § 5 AMPreisV. Der höhere Preis ist problematisch, da viele Kassen sich nach wie vor weigern, das Medikament zu erstatten und die schwer kranken Patienten dann selbst in die Tasche greifen müssen.

 

Tempel zufolge sollten Cannabisblüten deutlich günstiger werden. Der Deutsche Apothekerverband und die Krankenkassen müssten dringend eine Lösung finden. »Notfalls muss die Regierung die Preise per Rechtsverordnung im Sinne der Patienten senken, und zwar kurzfristig«, forderte der Linken-Politiker. /

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