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Schwangere

Mehr Untersuchungen als vorgesehen

29.07.2015  10:01 Uhr

PZ / Zu viel Ultraschall, zu häufige Untersuchungen: Fast alle Schwangeren nehmen Vorsorgemaßnahmen in Anspruch, die in den Richtlinien gar nicht vorgesehen sind. Dies zeigt eine aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung, für die knapp 1300 Mütter kurz nach der Geburt befragt wurden.

Nahezu unerheblich war dabei, ob eine Risikoschwangerschaft oder ein unauffälliger Verlauf vorlag. Vier von fünf Frauen griffen zudem für zusätzliche Präventionsmaßnahmen auch selbst in die Tasche. Experten fürchten, dass Schwangerschaft auf diese Weise immer mehr als etwas Krankhaftes und Behandlungswürdiges angesehen werde.

 

Bei der Befragung gab fast die Hälfte der Frauen mit normaler Schwangerschaft an, mehr als fünf Ultraschalluntersuchungen gemacht zu haben. Die Richtlinien sehen nur drei vor. Auch scheint eine spezielle Herzton- und Wehenmessung (CTG/Kardiotokografie) längst zur Routine zu gehören. Obwohl diese Methode nur bei drohenden Frühgeburten und anderen Auffälligkeiten vorgesehen ist, ließen 98 Prozent die Untersuchung durchführen – im Schnitt sogar öfter als vier Mal. Auch Blutuntersuchungen, die über den normalen Vorsorgestandard hi­nausgehen oder dreidimensionaler Ultraschall wurden von den Schwangeren genutzt.

Der Berufsverband der Frauenärzte und die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe kritisieren die Bertelsmann-Studie in einer gemeinsamen Pressemitteilung deutlich. »Frauenärztliche Schwangerenvorsorge ist sinnvoll und notwendig«, heißt es dort. Es sei richtig, dass viele Schwangere mehr diagnostische Leistungen erhalten als in den Richtlinien vorgesehen. Das liege unter anderem daran, dass es heute mehr Möglichkeiten gibt, als die Richtlinien vorgeben und dass die gesetzlichen Krankenkassen bisher nur die Kosten für Leistungen übernehmen, die auch wirtschaftlich sind. »Sinnvolle diagnostische Maßnahmen, zum Beispiel den Toxoplasmose-Test oder auch den Test auf Streptokokken in der Spätschwangerschaft, werden wir Schwangeren immer empfehlen, auch wenn sie keine Kassenleistungen sind«, so die Fachgesellschaften. Beides trage zur Senkung der Krankheitsrisiken infizierter Kinder bei.

 

Die Studie sei bewusst darauf ausgelegt, die frauenärzt­liche Mutterschaftsvorsorge zu diskreditieren, heißt es in der Mitteilung. Immerhin stehe Deutschland in Bezug auf die niedrige perinatale Mortalität und die Müttersterblichkeit mit an der Spitze in der Welt. »Ein Wechsel dieses Systems, so wie von den Autorinnen in die Diskussion eingeworfen, würde die gesundheitliche Versorgung der Schwangeren und ihrer Kinder mit Sicherheit verschlechtern.« /

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