Hersteller nutzen Gesetzeslücke |
03.08.2010 17:27 Uhr |
Von Stephanie Schersch / Seit Anfang August müssen Arzneimittelhersteller den Krankenkassen einen erhöhten Zwangsrabatt gewähren. Einige Unternehmen nutzen jedoch einen Trick, um diese Auflage zu umgehen: Mitte Juli haben sie ihre Preise angehoben, um sie pünktlich zum 1. August wieder herabzusetzen. Diese »Preissenkung« wird ihnen laut Gesetz auf den Abschlag angerechnet.
Das hatte sich Philipp Rösler (FDP) sicherlich anders vorgestellt. Die Anhebung des Herstellerabschlags von 6 auf 16 Prozent soll den Krankenkassen eigentlich rund 1,15 Milliarden Euro pro Jahr einsparen. Hinzu kommt ein Preismoratorium, das den Herstellern ein Einfrieren ihrer Preise bis Ende 2013 vorschreibt. Beide Regelungen sind zum 1. August mit dem GKV-Änderungsgesetz in Kraft getreten. Doch nun führen die Pharmaunternehmen den Minister mithilfe seines eigenen Gesetzes vor.
Die Pharmahersteller profitieren von einer unzureichenden Formulierung im Gesetzestext. Ein ähnlicher Fehler ist dem BMG bereits vor einigen Jahren unterlaufen.
Foto: Fotolia/Sanders
Eine Einschränkung fehlt
Nach Informationen des Nachrichtenmagazins »Der Spiegel« hatten mehrere Hersteller die Preise für ihre Präparate Mitte Juli kurzfristig erhöht. Nur zwei Wochen später, zum 1. August, wurden die Preise wieder auf das Ursprungsniveau herabgesetzt. Wie ein Blick in die Apothekensoftware zeigt, stieg etwa der Preis des monoklonalen Antikörpers Cetuximab (Erbitux®) von 1379,95 Euro am 1. Juli auf 1516,98 Euro am 15. Juli, um nun wieder auf 1379,95 Euro zu sinken. Pamidron® von Hexal kostete Anfang des letzten Monats 1088,06 Euro, zwischenzeitlich 1207,89 Euro und wird seit August wieder für 1088,06 Euro angeboten.
»Preisschaukel« nennen Experten dieses Vorgehen. Die Hersteller nutzen damit eine Lücke im Gesetzestext. Denn in Absatz 1a des Paragrafen 130a im Sozialgesetzbuch V heißt es: Wenn ein Pharmaunternehmen die Preise zum 1. August reduziert, dann wird ihm die jeweilige Differenz auf den 16-prozentigen Zwangsrabatt angerechnet, maximal um 10 Prozent. Eine Einschränkung jedoch, dass die Preissenkung nur dann verrechnet wird, wenn das Arzneimittel weniger kostet als im August 2009, fehlt. Auf dieses Datum hatte die Bundesregierung das Preismoratorium zurückdatiert.
Im Bundesministerium für Gesundheit (BMG) ist man sich der Problematik bewusst. Bereits Anfang Juli hat die Behörde ein Rundschreiben an Pharmaverbände und den GKV-Spitzenverband verschickt. Darin mahnt sie und weist ausdrücklich darauf hin, dass sich aus Paragraf 130a durchaus ein Verbot der Preisschaukel herleite. Der Bundesverband der Arzneimittelhersteller (BAH) ist anderer Meinung. »Aus dem Wortlaut des Gesetzes leitet sich kein entsprechendes Verbot ab«, sagte Dr. Hermann Kortland, Geschäftsführer des BAH, gegenüber der »Pharmazeutischen Zeitung« (PZ). Der Verband forschender Arzneimittelhersteller (VFA) wollte auf Anfrage der PZ keine Stellung zum Gesetzestext beziehen. »Preisgestaltungen sind Sache der Unternehmen, nicht des Verbandes der forschenden Pharma-Unternehmen«, sagte VFA-Sprecher Dr. Jochen Stemmler. »Eine einheitliche Linie gibt es hier nicht.« Nach Informationen im »Spiegel« ist bei mehreren Hundert Arzneimitteln ein Preisschaukeln zu beobachten. Wie viele Unternehmen tatsächlich die Preise erhöht und sie dann wieder fallen gelassen haben ist unklar. Eine entsprechende Analyse steht noch aus.
BMG zieht Konsequenzen
Einige Hersteller bekennen sich derweil offen zu dieser Preistrickserei. »Wir nutzen für einige wenige Produkte die uns gebotenen rechtlichen Möglichkeiten der Preisgestaltung, um die Ertragseinbußen durch den heraufgesetzten Zwangsrabatt etwas abzumildern«, sagte ein Firmensprecher von Merck im »Spiegel«. Die Erhöhung des Herstellerrabattes sei unverhältnismäßig hoch und »stellt in seiner Dauer von über drei Jahren auch eine wirtschaftliche Belastung dar«, so der Sprecher weiter.
Das BMG kündigte nun Konsequenzen an. »Zum 1. Januar 2011 werden wir die Bestimmungen präzisieren«, sagte Staatssekretär Daniel Bahr (FDP) in Berlin. Außerdem werde geprüft, »wie durch höhere Abschläge ein möglicherweise entstandener finanzieller Schaden für die Gesetzliche Krankenversicherung ausgeglichen werden kann«. In einem ähnlichen Fall hatte das Ministerium bereits 2007 mit Strafabschlägen reagiert. Damals hatten zahlreiche Generikafirmen ebenfalls eine Lücke im Gesetz genutzt und ihre Preise schaukeln lassen, um so den 10-prozentigen Rabatt auf Nachahmerprodukte zu umgehen. Das Ministerium setzte daraufhin ein rückwirkendes Verbot der Preisschaukel durch und belegte die Unternehmen zusätzlich mit einem 2-prozentigen Strafzins. Ein ähnliches Vorgehen könnte den Herstellern auch dieses Mal drohen. /