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Kinderarzneimittel

Eltern dosieren häufig falsch

03.08.2010  12:29 Uhr

Von David Schwappach / Eltern richten häufig die Medikamente für ihre erkrankten Kinder. Dabei kann es zu Fehlern kommen. Eine Studie zeigt, unter welchen Umständen die Bestimmung der richtigen Menge und das Dosieren von Medikamenten für Eltern eine Herausforderung darstellen kann.

Wie häufig Fehler beim Dosieren flüssiger Medikamente durch Eltern auftreten, untersuchten Wissenschaftler des Department of Pediatrics der New Yorker University School of Medicine, USA (»Arch Pediatr Adolesc Med.«, 2010, Band 164 (2), Seiten 181-186).Yin et al. prüften dies für verschiedene Dosierungshilfen und in Zusammenhang mit der Gesundheitskompetenz der Eltern. Im Rahmen einer experimentellen Studie wurden 302 Väter und Mütter in die Studie eingeschlossen. Die Teilnehmer waren aufgefordert, 5 ml beziehungsweise einen Teelöffel eines flüssigen Medikamentes abzufüllen. Dafür sollten sie der Reihe nach sechs verschiedene handelsübliche Dosierungshilfen verwenden, und jeweils die korrekte Dosis abmessen. Diese Dosierhilfen waren: 15 ml Dosierbecher mit schwarzen Kalibrierungsmarkierungen; 30  ml Dosierbecher mit durchsichtigen geätzten Markierungen; 5 ml Tropfer; 10 ml Dosierungslöffel; 5 ml Spritze; 5 ml Spritze mit Adapter für die Medikamentenflasche. Die Reihenfolge, in der die Eltern die verschiedenen Instrumente verwendeten, wurde jeweils randomisiert. Die durch die Eltern abgemessene Flüssigkeit wurde dann mit der korrekten Menge anhand des Gewichtes verglichen und auf Genauigkeit untersucht.

 

Kleine und große Fehler

 

Die Dosierungen der Eltern wurden als korrekt bewertet, wenn sie die korrekte Menge nicht um mehr als 20 Prozent unter- oder überschritt (also zwischen 4 und 6 ml). Eine Unter- oder Überschreitung um 20 bis 40 Prozent wurde als »kleiner Fehler«, eine Abweichung von mehr als 40 Prozent als »großer Fehler« bewertet. Die Gesundheitskompetenz der Eltern wurde mit einem standardisierten Fragebogeninstrument (Newest Vital Sign Test) erhoben.

Dosierungsfehler traten besonders häufig bei beiden Varianten des Dosierungsbechers auf. Hiermit machten jeweils etwa 25 Prozent der Eltern »große Fehler«, also Abweichungen um mehr als 40 Prozent. Dabei waren fast alle Fehler Überdosierungen. Beim Dosierbecher mit aufgedruckter Kalibrierung konnten nur 31 Prozent der Eltern die korrekte Dosis abmessen. Die wenigsten Fehler traten beim Tropfer und bei der Spritze ohne Adapter auf (94 beziehungsweise 91 Prozent korrekte Dosierungen). Limitierte Gesundheitskompetenz stellte ein unabhängiges Risiko für einen Dosierungsfehler dar: Eltern mit eingeschränkter Gesundheitskompetenz machten etwa zweimal häufiger Dosierungsfehler, unabhängig von der Dosierungshilfe. Nach Adjustierung verschiedener Aspekte stellte der Einsatz des Dosierbechers das größte Risiko für Fehler dar: Im Vergleich zur Abmessung mittels einer Spritze war das Risiko für einen Fehler mit dem Dosierbecher etwa 25-mal so hoch, das Risiko für eine große Dosisabweichung etwa siebenfach erhöht. Die Studie zeigt ein großes Sicherheitsproblem in der Arzneimitteltherapie von Kindern und hat große Praxisrelevanz. Sie ist wichtig, da zunehmend auch Medikamente mit großem Risikopotential (zum Beispiel orale Chemotherapien) durch Eltern ambulant abgegeben werden.

 

Fazit

 

Die Instrumente, die Eltern für die Abmessung von Medikamenten erhalten, haben einen erheblichen Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit einer Fehldosierung. Die Studie legt nahe, dass Dosierbecher vermieden werden sollten da sie ein hohes Risiko für Überdosierungen aufweisen. Gerade bei regelmäßiger Abgabe von Medikamenten, oder Arzneimitteln, die ein hohes Schadenspotenzial aufweisen, sollten die Eltern unter Anleitung der Fachpersonen die Zubereitung und Dosierung der Medikamente trainieren können. Dabei muss die Gesundheitskompetenz der Eltern unbedingt berücksichtigt werden, sie stellt ein unabhängiges Risiko dar. Solche Interventionen können die Gefahr von Medikationsfehlern reduzieren und die Sicherheit der Arzneimitteltherapie in der Pädiatrie verbessern. / 

Der Autor

Privatdozent Dr. David Schwappach ist wissenschaftlicher Leiter der Stiftung für Patientensicherheit und Dozent am Institut für Sozial- und Präventivmedizin (ISPM) der Universität Bern.

 

Privatdozent Dr. David Schwappach

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