Die Infektion stoppen |
22.07.2015 09:55 Uhr |
Von Pascal Heitel, Daniel Merk und Manfred Schubert-Zsilavecz / Bestimmte Calciumkanäle spielen im Infektionsweg des Ebola- Virus eine Schlüsselrolle. Dies entdeckte kürzlich eine deutsch-amerikanische Forschergruppe. Zugleich zeigten die Wissenschaftler einen Weg auf, wie man diese Kanäle blockieren und dadurch die Ausbreitung des Virus verhindern kann.
Um in die Wirtszelle zu gelangen, bindet das Ebola-Virus an verschiedene Proteine auf der Oberfläche der Zellmembran. Anschließend wird es durch Bildung einer Ausstülpung von der Zellmembran umschlossen und von der Zelle aufgenommen. Diesen Vorgang bezeichnet man als Makropinozytose.
Weltweit wird mit Hochdruck nach einer geeigneten Therapie gegen die Ebola-Infektion gesucht.
Foto: dpa; Bertram Solcher/UKE
Das von der Membran umgebene Virus, auch Endosom genannt, verschmilzt dann in der Zelle mit anderen Vesikeln, den Lysozym-reichen Lysosomen. Daraufhin spalten Proteasen die Endosom-Lysosom-Bindung und setzen somit das Virus wieder frei, das sich dann in der Zelle replizieren kann.
Die Forscher um den Virologen Dr. Robert A. Davey vom Texas Biomedical Research Institute und die Pharmakologen Professor Dr. Martin Biel und Professor Dr. Christian Wahl-Schott von der LMU München fanden nun heraus, dass an der Fusion von Endosomen und Lysosomen bestimmte Calciumkanäle beteiligt sind. Damit haben sie ein entscheidendes Detail im Infektionsweg des Ebola-Virus entdeckt und zugleich einen weiteren Ansatz für eine mögliche Therapie aufgezeigt. Die Ergebnisse sind im Fachmagazin »Science« veröffentlicht (DOI: 10.1126/science.1258758).
Calciumkanäle sind maßgeblich an der Steuerung vieler Körperfunktionen beteiligt. Sie zählen zu den Transmembranproteinen und ermöglichen den Fluss von Calciumionen in beziehungsweise aus der Zelle, wodurch zahlreiche biologische Prozesse in Gang gesetzt werden. Die Öffnung der Calciumkanäle wird hauptsächlich vom Membranpotenzial bestimmt, kann aber auch durch Hormone, Proteinkinasen, Phosphatasen, Toxine oder Wirkstoffe beeinflusst werden.
Zweiporenkanäle als Target
Entscheidend für die Ausbreitung des Ebola-Virus sind sogenannte Zweiporenkanäle (Two-Pore Channels, TPC). Menschen und Mäuse haben zwei verschiedene Zweiporenkanäle, TPC1 und TPC2, die unterschiedliche Phasen des endosomalen Transports regulieren.
Während TPC1 die Calciumvorräte von Endosomen reguliert, ist TPC2 auf Lysosomen vorzufinden. TPC sind homodimere Proteine und bestehen aus jeweils sechs Transmembransegmenten sowie einem sogenannten reentrant loop, einer Schleife, die nicht vollständig durch die Membran dringt, sondern wieder zu der Seite zurückkehrt, von der sie gekommen ist (Abbildung).
Nach Aktivierung durch den intrazellulären Botenstoff Nicotinsäureadenindinukleotidphosphat (NAADP) setzen die TPC Calciumionen frei, was die Fusion von Endosomen und Lysosomen in Gang setzt. Schaltet man nun gezielt die Funktion der TPC aus, kann der Virustransport gestoppt und damit der Infektionszyklus unterbrochen werden.
Im Tiermodell erfolgreich
Das konnten die Wissenschaftler mittels zweier Untersuchungen nachweisen. Zum einen schalteten sie gezielt das Gen, das für die Expression der TPC-Proteine verantwortlich ist, durch Gen-Knockout oder kurze synthetische RNA-Moleküle (small interfering RNA, siRNA) aus. Embryonale Fibroblasten von Mäusen, die TPC1 oder TPC2 mangelhaft exprimierten, konnten sich der Virus-Ausbreitung widersetzen. Gleiches galt für menschliche HeLa-Zellen, die entweder mit TPC1- oder TPC2- siRNA transfiziert wurden.
Tetrandrin
Grafik: PZ/Wurglics
Zum anderen erwies sich der Wirkstoff Tetrandrin als effektiv. Das Alkaloid wurde ursprünglich aus der Wurzel der in Ostasien beheimateten Pflanze Stephania tetrandra (Stefaniawurzel oder Han Fang Ji) gewonnen, wird aber mittlerweile synthetisch hergestellt und in der chinesischen Medizin als analgetisch und antipyretisch wirksamer Inhaltsstoff verwendet. Seine Wirkung entfaltet das Bisbenzylisochinolin-Derivat durch Blockieren vermutlich beider Zweiporenkanäle, sodass der Calcium-Signalweg unterbrochen und das Ebola-Virus nicht freigesetzt wird. Da dieser Ansatz auf die Zweiporenkanäle abzielt, besteht die Gefahr, dass die Freisetzung anderer Stoffe, die mittels Endozytose aufgenommen werden können, verhindert wird.
Für ihre Untersuchungen inkubierten die Wissenschaftler humane Makrophagen mit Tetrandrin, wodurch die Replikation des Virus wirkungsvoll unterbunden werden konnte. Die Makrophagen wurden als Modell ausgewählt, da sie beim Befall mit dem Ebola-Virus im menschlichen Körper als Erstes angegriffen werden. Zudem wurde im Tierversuch mit Mäusen, die mit dem Ebola-Virus infiziert wurden, die Überlebensrate bei Zugabe von Tetrandrin (eine Woche lang ab der Infektion jeden zweiten Tag) deutlich erhöht, ohne sichtbare Nebeneffekte zu zeigen.
Laut Biel besteht der Vorteil dieser Methode darin, dass das Virus nicht direkt angegriffen, sondern lediglich die Ausbreitung verhindert wird, so der Forscher in einer Pressemitteilung der LMU. Damit werde die Gefahr von Resistenzen durch Mutationen des Virus verringert. Es bestünde daher die Chance, einen geeigneten Wirkstoffkandidaten zur Weiterentwicklung zu finden. /
Literatur bei den Verfassern