Genetik beeinflusst, wie Kinder die Welt ansehen |
18.07.2017 13:29 Uhr |
Von Daniela Hüttemann / Die Gene beeinflussen stark, wann und wie lange sich Kinder Gesichter oder die Aktionen anderer Kinder ansehen, was ihr Sozialverhalten maßgeblich prägt. Bei Kindern mit Autismus ist diese visuell- soziale Interaktion gestört. Einen direkten genetischen Zusammenhang konnten jetzt US-Wissenschaftler erstmals zeigen, indem sie die Augenbewegungen von 338 Kleinkindern in sozialen Situationen auswerteten.
166 der Probanden, anfänglich im Alter von 18 bis 24 Monaten, waren eineiige oder zweieiige Zwillinge. 88 weitere Teilnehmer waren Kinder ohne Zwillingsgeschwister, die eine Diagnose aus dem Autismus-Spektrum hatten. Als Kontrollgruppe dienten 84 Einzelkinder ohne autistische Störung.
Blickkontakt ist für Säuglinge ein wichtiger Bestandteil der Kommunikation.
Foto: Shutterstock/balenopix
Die eineiigen Zwillinge reagierten zu 91 Prozent gleich auf visuelle Stimuli wie Gesichter und soziale Szenen. Bei den zweieiigen Zwillingen stimmten die Reaktionen dagegen nur zu 35 Prozent überein, schreiben die Forscher im Fachjournal »Nature« (DOI: 10.1038/nature 22999). Die Autoren um Professor Dr. Warren Jones von der Emory University School of Medicine in Atlanta folgern, dass die genetische Ausstattung bestimmt, wie ein Kind die Welt sieht und sein Sozialverhalten entwickelt. Und diese Prägung hält an, wie eine Wiederholung des Versuchs mehr als ein Jahr später zeigte: Eineiige Zwillinge zeigten immer noch das gleiche Blickverhältnis, während sich zweieiige Zwillinge etwas stärker als zuvor unterschieden.
Die Eye-Tracking-Experimente zeigten zudem ein atypisches Verhalten bei Kindern mit autistischen Störungen, insbesondere bei dem Blickverhalten, das sich in den Zwillingsvergleichen als besonders stark genetisch geprägt gezeigt hatte, wie das Interesse für die Mund- und Augenpartie bei Gesichtern. Die Forscher hoffen, dass sich aus ihren Ergebnissen Maßnahmen ableiten lassen, um Kindern mit genetischem Risiko für Autismus ein besseres Umfeld für ihre Entwicklung zu schaffen und Therapiemöglichkeiten zu verbessern. Schon zuvor hatten Studien gezeigt, dass Babys, die bereits im Alter von zwei bis sechs Monaten weniger Blickkontakt mit anderen Menschen suchen, wahrscheinlicher unter Autismus leiden. /