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Umstrittenes Freihandelsabkommen

Mittelstand warnt vor TTIP

20.07.2016  09:42 Uhr

Von Ev Tebroke / Angeblich soll insbesonders der deutsche Mittelstand vom geplanten Transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP zwischen den USA und der EU profitieren. Doch die Unternehmen sehen eher Nachteile und warnen vor einer Unterzeichnung. Auch für kleinere und mittelgroße Firmen in der Pharmabranche könnte es schwierig werden.

Die Verhandlungen für TTIP ziehen sich schon drei Jahre hin, am Freitag vergangener Woche endete die 14. Runde. Parallel dazu werden kritische Stimmen immer lauter. Am besagten Freitag hat die Wirtschaftsinitiative kleine und mittlere Unternehmen (KMU) gegen TTIP in Berlin dem Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) eine Unterschriftenliste übergeben. Mit der Aktion, an der sich 2500 Unternehmen beteiligten, warnt die Initiative vor den Risiken von TTIP für viele Marktbereiche.

 

Höhere Arzneimittelkosten

 

Eigentlich soll besonders der Mittelstand von dem geplanten Investitions- und Handelsabkommen profitieren. »Ein transatlantisches Freihandelsabkommen eröffnet gerade kleinen und mittelständischen Exportunternehmen die Möglichkeit, leichter in die amerikanischen Märkte einzusteigen«, heißt es auf der Internetseite der deutschen Industrie- und Handelskammer. Doch aus Sicht der Betroffenen ist genau das Gegenteil der Fall. So müssten beispielsweise mittelständische Unternehmen der Pharma- und Gesundheitsbranche mit negativen Folgen rechnen, wie ein neu vorgestelltes Hintergrundpapier der Initiative unterstreicht.

 

»Die Deregulierungen, wie sie durch TTIP angestoßen würden, könnten die Kosten dieser Branche, vor allem für Arzneimittel deutlich steigern«, warnte Katharina Reuter, Geschäftsführerin des Bundesverbands der grünen Wirtschaft (UnternehmensGrün). Längere Patentlaufzeiten und damit weniger Einsatz von Generika könnten aus dem größeren Einfluss von Big Pharma resultieren. Da das amerikanische Gesundheitssystem stark marktwirtschaftlich und wenig solidarisch geprägt ist, könne das deutsche Gesundheitssystem zudem unter einen unkontrollierten Kosten- und Privatisierungsdruck geraten, so die Befürchtung. Abgesehen vom Verbraucher würden darunter neben den kleinen und mittleren Unternehmen auch Arzt- und Zahnarztpraxen sowie die Apotheken leiden.

 

Zudem befürchtet die Initiative erhebliche Wirtschaftsnachteile für die Agrar- und Ernährungswirtschaft sowie regional ausgerichtete Handwerksbetriebe, mittelständische Maschinenbauunternehmen und Firmen der Elektroindustrie. Ein Grund dafür seien etwa spezifische Eigenarten des US-Marktes bei der Produktzulassung. Während in der EU allein das CE-Kennzeichen gültig ist, gibt es nach Angaben der Initiative in den USA 17 verschiedene Zertifikate. Eine Harmonisierung der Märkte sei unmöglich, da es keine zentrale Instanz für die Anerkennung der Produktstandards gebe, erläuterte Guido Körber, Geschäftsführer des Berliner Software-Unternehmens Code Mercenaries. Die USA sind demnach neben Liberia und Myanmar der einzige Markt weltweit ohne metrisches System. Während europäische Unternehmen mit diversen Prüfstandards konfrontiert würden, hätten es die amerikanischen Hersteller auf dem europäischen Markt mit nur einem Standard leicht.

 

TTIP-Leaks als Quelle

 

»Wir Mittelständler wurden nie gefragt, ob wir TTIP überhaupt wollen«, so Martina Römmelt-Fella, Mitinitiatorin von KMU gegen TTIP. Die Wirtschaftsinitiative habe es geschafft, das CETA und TTIP nun auch innerhalb der Wirtschaft kritisch diskutiert würden. Unter den Unterzeichnern der Liste ist nach Angaben der Initiative das Gewerbe und Handwerk mit 21 Prozent am stärksten vertreten, gefolgt von den freien Berufen (20 Prozent) und dem Handel (19 Prozent). Die Initiative, im Herbst 2015 von fünf Unternehmen aus verschiedenen Bundesländern gegründet, will in der Öffentlichkeit eine realistische Diskussion der Auswirkungen von TTIP erreichen. Als Quellen für ihre Thesen nennt sie vor allem die Analyse der durchgesickerten Verhandlungsdokumente zwischen der EU und den USA (TTIP-Leaks). /

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