Pharmazeutische Zeitung online
Blutspende

Sicherheit geht vor

15.07.2014  16:13 Uhr

Von Stefan Oetzel / Jede Blutspende durchläuft eine Reihe von Tests, bevor sie übertragen wird. So kann das Infektionsrisiko für den Empfänger eines Blutpräparats minimiert werden. Welche Untersuchungen werden durchgeführt, und wie sicher sind Bluttransfusionen wirklich?

Die Infektionssicherheit bei Bluttransfusionen ist besonders seit der gehäuften Übertragung des HI-Virus durch Blutprodukte in den späten 1980er-Jahren ein wichtiges Thema. Neben HIV kann auch eine Reihe weiterer Erreger übertragen werden. Hierzu gehören unter anderem Viren wie Hepatitis B und C oder Parvovirus B19, der Erreger einer Erythema infectiosum, Bakterien wie der Syphilis-Erreger Treponema pallidum und Einzeller wie Plasmodien (Malaria).

Um das Risiko für die Empfänger so weit wie möglich zu minimieren, gibt es Richtlinien zur Hämotherapie, die die zu untersuchenden Laborwerte festlegen. »Die Richtlinien werden gemäß den Paragrafen 12a und 18 des Transfusionsgesetzes von der Bundesärztekammer im Einvernehmen mit dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) aufgestellt und gegebenenfalls durch Bescheide des PEI ergänzt«, erklärte Dr. Ruth Offergeld vom Berliner Robert-Koch-Institut im Gespräch mit der PZ. Demnach muss eine Spende mindestens auf die Krankheitserreger HBV, HCV, HIV-1 und -2 sowie Treponema pallidum getestet werden, bevor sie freigegeben wird (siehe Tabelle) (1).

 

Darüber hinaus gibt es laut Offergeld in bestimmten Situationen weitere verpflichtende Untersuchungen für Spendenwillige, zum Beispiel wenn Personen von Auslandsaufenthalten zurückgekehrt sind und sich möglicherweise mit Malaria oder dem West-Nil-Virus infiziert haben. Außerdem werden je nach Blutspende-Einrichtung freiwillig noch Tests auf andere Erreger durchgeführt. So untersucht der DRK-Blutspendedienst West jede Blutspende zusätzlich auf Hepatits-A- und -B-Viren per PCR-Testung sowie auf Parvoviren B19 (PCR-Testung) und bei Spezialpräparaten auf Zytomegalieviren (Antikörpernachweis) (2).

 

Den Ablauf erklärt der Pressesprecher des DRK-Blutspendediensts West, Friedrich-Ernst Düppe: »Dem Spendewilligen werden neben dem halben Liter Spendeblut noch vier Röhrchen à 7 bis 10 ml für die Testung abgenommen.« Die Untersuchungen beginnen sofort, parallel dazu wird das Blut in drei Bestandteile aufgetrennt: Erythrozyten, Thrombozyten und Plasma. »Diese Bestandteile sind unterschiedlich lange haltbar«, so Düppe. Während das Plasma eingefroren über Monate aufbewahrt werden kann, müssen die Erythrozyten innerhalb von 42 Tagen und die Thrombozyten innerhalb von vier Tagen aufgebraucht werden. Entsprechend schnell erfolgen die Untersuchungen und die Freigabe bei unauffälligen Ergebnissen, wobei die Thrombozyten zuerst freigegeben werden.

 

Indirekter und direkter Nachweis

 

Für den Nachweis infektiöser Erreger im Spenderblut stehen mehrere Verfahren zur Verfügung. Dabei unterscheidet man grundsätzlich zwischen indirekten Nachweisen durch Antikörpertests wie ELISA, Immunoblot oder Westernblot und direkten Nachweisen wie Antigentests oder Nukleinsäureamplifikationstests (NAT) wie die PCR, durch die sich das Genom der Krankheitserreger entdecken lässt.

 

In der Regel werden die Verfahren in einer bestimmten Reihenfolge angewandt. Als erster Schritt wird als Suchtest ELISA eingesetzt. Das kostengünstige und einfache Verfahren, das Antikörper gegen den gesuchten Erreger nachweist, hat allerdings den Nachteil, dass diese Antikörper erst eine gewisse Zeit nach der Infektion auftreten (bei HIV nach etwa zwölf Wochen). Die Dauer bis zur Bildung von Antikörpern heißt »diagnostisches Fenster«. Der aufwendigere Westernblot wird als Bestätigung eingesetzt, wenn der ELISA-Test einen Krankheitserreger angezeigt oder ein grenzwertiges Ergebnis gebracht hat. Er hat allerdings den gleichen Nachteil. Bei der Suche nach Hepatitis-B-Viren wird auch routinemäßig ein Antigentest auf ein Oberflächenprotein des Erregers durchgeführt.

Das PCR-Verfahren ist eine der genauesten Untersuchungsmethoden. Es ist zwar teurer und aufwendiger als die Antikörpertests, ermöglicht aber einen deutlich früheren Nachweis von Erregern. Es weist die Pathogene direkt nach. Dadurch kann aber das diagnostische Fenster nicht ganz geschlossen, sondern nur verkleinert werden. Düppe erklärt, woran das liegt: »Bei einer frischen Infektion sind nur ganz geringe Mengen des Erregers im Blut vorhanden.« Diese lägen in den ersten Tagen noch unter der Nachweisgrenze. Zudem habe sich kurz nach einer Ansteckung der Erreger noch nicht gleichmäßig im Blut verteilt. »Das Probenmaterial aus der Vene in der Armbeuge stellt quasi nur eine Stichprobe dar«, so Düppe. Theoretisch kann es also bei frischen Infektionen vorkommen, dass im Proberöhrchen zu wenig infektiöses Material für einen Nachweis vorhanden ist, aber in der Blutspende selbst genug Erreger, um eine Infektion zu bewirken. Somit bleibt ein gewisses Restrisiko bestehen.

 

An die Testverfahren, die bei der Herstellung von Blutprodukten eingesetzt werden, bestehen hohe Anforderungen insbesondere hinsichtlich ihrer Sensitivität, erklärt Offergeld. So sind für die Sensitivität der HIV- und HCV-Genomnachweise konkrete Grenzen durch das PEI festgelegt, das bei jeder Zulassung eines Blutprodukts auch überprüft, ob die verwendeten Testverfahren den geforderten Normen entsprechen. Hierdurch sinkt das diagnostische Fenster bei diesen Infektionen auf circa zehn bis zwölf Tage. Bei den Untersuchungen auf Hepatitis-B-Infektionen ist das diagnostische Fenster größer und liegt bei etwa 30 bis 35 Tagen.

 

Mehrstufiges Sicherheitssystem

 

Nicht für alle durch Blut übertragbaren Krankheiten stehen Untersuchungsmethoden zur Verfügung, die routinemäßig im verfügbaren Zeitrahmen eingesetzt werden können (2). So ist etwa die Untersuchung auf den Malariaerreger Plasmodium bei jedem Spender in der Praxis nicht möglich. Deshalb greifen bei der Blutspende neben der Testung weitere, aufeinander abgestimmte Maßnahmen ineinander, die insgesamt ein sehr hohes Sicherheitsniveau gewährleisten, sagt Offergeld.

 

So werden Personengruppen festgelegt, die zeitweise oder dauerhaft von einer Blutspende auszuschließen sind (lesen Sie dazu Hepatitis C: Infektiös trotz erfolgreicher Therapie). Mögliche Gründe hierfür sind beispielsweise, dass sie an einer durch Blut übertragbaren Infektion erkrankt sind oder durch Fernreisen oder Verhalten ein erhöhtes Infektionsrisiko haben. Die hygienisch einwandfreie Blutentnahme und Verarbeitung der Spenden in geschlossenen Systemen, sodass keine Kontamination von außen erfolgen kann, sind weitere wichtige Schritte, um die Sicherheit der Blutspende zu gewährleisten. Auch die Aufbereitung des Spenderbluts, etwa durch Entfernung der Leukozyten, trägt zur Sicherheit bei. Dadurch – so wird vermutet – kann außer der besseren immunologischen Verträglichkeit der Produkte auch ein erhöhter Schutz gegen die Übertragung von Prionen erreicht werden. Für das Plasma ist zudem noch eine Quarantänelagerung vorgeschrieben: Es wird erst freigegeben, wenn der Spender mindestens vier Monate nach der Spende erneut unauffällig auf HIV, HCV, HBV und Syphilis getestet wird.

Tabelle: Gesetzlich vorgeschriebene Untersuchungen auf infektiöse Erreger in Spenderblut (1)

Erreger Labormethode
Hepatitis-B-Virus (HBV) Antigen- plus Antikörpertest
Hepatitis-C-Virus (HCV) Antikörpertest plus Test auf Genom mittels Polymerasekettenreaktion (PCR) oder eines anderen Nucleinsäureamplifikationstests (NAT)
HIV 1 und 2 Antikörpertest plus Test auf HIV-1-Genom mittels PCR oder eines anderen NAT
Treponema pallidum Antikörpertest

Wie hoch ist das Restrisiko?

 

Die Gefahr, durch eine Bluttransfusion eine ernsthafte Infektion zu bekommen, ist in Anbetracht dieser Sicherungsmaßnahmen insgesamt gesehen sehr gering, aber nicht gleich null. So sind in Deutschland nach Einführung des direkten Genomnachweises für HIV im Jahr 2004 nur noch zwei HIV-Übertragungen durch Blutspenden bekannt geworden – bei mehr als vier Millionen Transfusionen pro Jahr. Nach Einführung des verbindlichen HCV-Genomnachweises im Jahr 1999 wurde zuletzt im Jahr 2004 eine HCV-Übertragung berichtet. Nach Einführung der Antikörpertestung gegen Hepatitis B im Jahr 2006 wurden bis zum Jahr 2010 noch drei HBV-Übertragungen bekannt. In den letzten 15 Jahren sind keine Syphilis-Übertragungen bekannt geworden. »Diese Meldungen zeigen, dass Übertragungen von viralen Erregern durch Blutpräparate außerordentlich selten sind«, betont Offergeld.

 

Darüber hinaus lässt sich das Infektionsrisiko anhand von mathematischen Modellen schätzen, denen die Anzahl der diagnostizierten Infektionen unter den Spendern als Maß zugrunde liegt. Demnach ist die Wahrscheinlichkeit, sich durch eine Bluttransfusion mit HIV beziehungsweise HCV zu infizieren, kleiner als 1 zu 5 Millionen und bei HBV kleiner als 1 zu 500 000, so Offergeld.

 

Eine Sicherheitsmaßnahme, nämlich der Ausschluss von Risikogruppen, ist jedoch nicht unumstritten. So bietet der seit den 1990er-Jahren geltende generelle Ausschluss homosexueller Männer von einer Blutspende seit einiger Zeit Anlass zu kontroversen Diskussionen. Homosexuellen-Verbände beklagen die Diskriminierung, während die Bundesärztekammer als Grund für das Blutspendeverbot auf das 100-fach höhere Risiko von HIV-Neuinfektion bei homosexuellen Männern verweist.

 

Hier zeichnet sich jedoch ein Trend zur Lockerung der gesetzlichen Bestimmung ab. So hat sich bereits im April 2012 eine gemeinsame Arbeitsgruppe für eine Reform beim Umgang mit männlichen homosexuellen Blutspendern ausgesprochen und statt eines generellen Verbots eine zeitlich befristete Zurückstellung für ein Jahr empfohlen. Das würde bedeuten, dass spendenwillige homosexuelle Männer dann Blut spenden können, wenn sie mindestens ein Jahr lang keinen Geschlechtsverkehr hatten. /

 

Quellen: 

  1. Bundesärztekammer, Paul-Ehrlich-Institut. Richtlinien zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten (Hämotherapie) – zweite Richtlinienanpassung 2010. www.bundes­aerztekammer.de/downloads/RiliHaemo therapie2010.pdf
  2. www.blutspendedienst-west.de, Untersuchung auf Infektionskrankheiten

Kommentar

Gleiches Recht für alle

Der generelle Ausschluss homosexueller Männer von der Blutspende ist diskriminierend und gehört deshalb abgeschafft. Es steht außer Frage, dass Empfänger von Spenderblut so gut wie irgend möglich vor einer Übertragung von Krankheitserregern geschützt werden müssen. Deshalb ist es auch richtig, dass jeder potenzielle Blutspender in einem umfangreichen Fragenkatalog Auskunft über sein Privatleben zu geben hat, bevor er zur Ader gelassen wird. Darin wird er unter anderem gefragt, ob er in den letzten vier Monaten ungeschützten Intimkontakt mit einem neuen Partner hatte. Das sollte genügen, um eine mögliche Infektion auszuschließen. Die Bundesärztekammer verweist zur Begründung der Ungleichbehandlung auf das statistisch erhöhte HIV-Infektionsrisiko homo­sexueller Männer. Das ist so pauschal jedoch völlig indiskutabel, denn die sexuelle Veranlagung sagt nichts über ein mögliches Risikoverhalten aus. Menschen, die Blut spenden, tun das aus Nächstenliebe und nicht, um andere in Gefahr zu bringen. Niemand sollte von dieser Möglichkeit ausgeschlossen werden, nur weil er schwul ist.

 

Annette Mende 

Redakteurin

Mehr von Avoxa