Marktregulierende Wirkung sichtbar |
15.07.2008 14:41 Uhr |
<typohead type="3">Marktregulierende Wirkung sichtbar
Von Hartmut Morck, Holzkirchen
Seit über einem Jahr bestimmen Rabattverträge die Schlagzeilen. Bisher war der Fokus auf Patienten, Apotheken und Krankenkassen gerichtet. Wie lebt die pharmazeutische Industrie mit den Rabattverträgen? Das wollte die PZ in einem Gespräch mit dem Sprecher des Vorstandes der Hexal AG und Länderchef von Sandoz Deutschland, Helmut Fabry, erfahren.
Die Reaktionen der Generikahersteller auf die diesjährigen AOK-Ausschreibungen belegen, dass sich die Hersteller mit den Rabattverträgen arrangieren. Sie müssen es auch, wollen sie am Markt bleiben, da die Verträge marktregulierende Wirkung haben. Sie sind damit bereits eine fest installierte Größe im Geschäft dieser Firmen. Der gesetzliche Rahmen sei allerdings schlecht erarbeitet worden, was zu der kuriosen Aufforderung durch Vertreter des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) an die Industrie geführt habe, bestehende Rechtsunsicherheiten auf dem Rechtsweg klären zu lassen. »Das ist aus meiner Sicht eine vollkommen abwegige Vorstellung. Wer etwas unsauber erarbeitet hat, hat auch die Verantwortung, das wieder zu reparieren«, so der Vorstandssprecher der Hexal AG.
Für Fabry ist es wichtig, dass die Industrie einen Rahmen vorfindet, der es erlaubt, mittelfristig zu planen. Immerhin habe das Unternehmen Verantwortung für die rund 4500 Mitarbeitern in Deutschland und es sei ausgesprochen schwierig, ein Unternehmen vor dem Hintergrund derzeitiger Unsicherheiten zukunftsgerichtet zu führen. »Wir produzieren in Deutschland. Der überwiegende Teil unseres Bedarfs wird von 1400 Mitarbeitern in unserem Werk in Barleben bei Magdeburg hergestellt. Damit garantieren wir eine fast hundertprozentige Versorgungssicherheit mit hoher Flexibilität, was mit Herstellungsbetrieben zum Beispiel in Indien nicht möglich wäre. Auch kleine Hersteller sind dazu nicht in der Lage.«
Bei den Ausschreibungen der Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) sind für Fabry die Zeiten viel zu kurz, um vernünftig planen zu können. Sein Favorit ist das zweistufige Ausschreibungsverfahren der Deutschen Angestellten-Krankenkasse (DAK) mit einer Screeningstufe, in der unterschiedliche Kriterien definiert werden, bevor Verhandlungen geführt werden. Damit haben große und kleine Hersteller gleiche Chancen. Außerdem erlaubt das DAK-Verfahren, Lösungen im Gespräch zu finden und neben der Ware auch Service-Leistungen anzubieten. »Ich habe kein Problem damit, wenn mit mir weitere Unternehmen gleichzeitig einen Vertrag mit einer Krankenkasse haben. Mit Wettbewerb können wir umgehen. Womit ich nicht umgehen kann und will, ist die augenblickliche Situation, die uns die Politik beschert, dass neben dem Preiswettbewerb durch die Rabattverträge die im Gesetz festgeschriebenen Zwangsregularien wie Festbeträge und Zwangsrabatte bestehen bleiben. Mit beiden können wir getrennt umgehen, eine Kombination aus beiden ist ruinös.« Fabrys Analyse: Der durch die Kombination der beiden Formen entstandene ökonomische Druck werde dazu führen, dass Unternehmen keine Erträge mehr erwirtschaften und mittelfristig keine Innovationen mehr entwickeln können.
Preisverfall schafft Probleme
Dieser Trend wird nach Meinung von Fabry auch dazu führen, dass die Entwicklung von Biosimilars behindert werde. Immerhin werden in den nächsten zehn Jahren 50 Prozent der Biotechnologieprodukte patentfrei. Die Entwicklung von Biosimilars sei extrem teuer und sehr anspruchsvoll. Das Epoetin-Produkt der Hexal beispielsweise habe einen hohen zweistelligen Millionenbetrag gekostet. Gehe der aktuelle Trend auf dem Generikamarkt dahin, nur noch den niedrigsten Preis zu erstatten, so Fabry weiter, fehle definitiv das Geld zur Entwicklung von Biosimilars. Damit könnten große Einsparvolumina für das Gesundheitssystem nicht ausgeschöpft werden. Kurzfristige Optimierungen schaffen damit mittelfristig Probleme.
Trotz Kostendruck setzt Hexal weiter auf seinen Außendienst. Für Fabry ist er ein wichtiges Informationsmittel in Richtung Apotheker und Ärzte. Durch Marktstudien sei belegt, dass die Unternehmen die besten Marktchancen haben, die einen Außendienst beschäftigen. »Wir leisten damit einen Beitrag zur Qualität des deutschen Gesundheitswesens. Große Krankenkassen sagen inzwischen, dass sie nicht nur am Preis interessiert sind, sondern auch an einer Qualitätssicherung. Deshalb arbeiten wir mit Krankenkassen im Bereich der Versorgungsforschung zusammen. Über die Hexal-Initiative Kinderarzneimittel fördern wir auch die Entwicklung von Arzneimittel für Kinder, an denen die Krankenkassen ebenfalls interessiert sind.« Voraussetzung, so etwas zu tun, ist eine ausreichende Rendite im Arzneimittelgeschäft.
Für Fabry sind die Generika nicht das Kostenproblem, auch wenn von der Politik dies immer wieder behauptet wird. Seit Jahren hätten die Generika nachhaltig und zuverlässig zusätzliche Einsparungen erwirtschaftet. Allein im vergangenen Jahr seien es sechseinhalb Milliarden Euro gewesen. »Wir leisten unseren Beitrag für das System, die Probleme liegen woanders.«
Zu der Frage »Einzelverträge« oder »Sortimentsverträge« hat Fabry eine klare Meinung: Aus Sicht von Sandoz und Hexal seien Verträge über ein Sortiment vorteilhafter. Man könne damit komplette Lösungen anbieten. Auch für die Kassen, Ärzte und Apotheker sind Sortimentsverträge übersichtlicher und einfacher in der Handhabe. Beim Patienten wirkten sie sich darüber hinaus noch vorteilhaft auf die Compliance (Therapietreue) aus. Er könne sich höchstens Mischformen vorstellen, in denen Ausschreibungen zu wichtigen Indikations- oder Substanzgruppen, zum Beispiel ACE-Hemmer oder Neurologie, stattfinden und über den Rest ein Sortimentsvertrag abgeschlossen wird.
»Denkpause einlegen«
Ausschreibungen zu einzelnen Substanzen hält Fabry nicht für zielführend, auch für die Apotheken nicht. Fazit für den Sprecher des Hexal-Vorstandes: Von Sortimentsverträgen profitieren alle: Krankenkassen, Apotheken, Ärzte, Patienten und auch der Hersteller. Sie sind ökonomisch, bieten Planungssicherheit und fördern die Compliance des Patienten.
»Man sollte jetzt eine Denkpause einlegen und schauen, was am Markt passiert. Ideologische Diskussionen, wie angebliche Oligopole durchbrochen werden können, sind in der Sache falsch und nicht hilfreich. Wettbewerb hatten wir bisher genug und werden wir auch weiter haben.«
Auch zur Transparenz hat Fabry eine klare Meinung: »Es ist für Ärzte und Apotheker nicht entscheidend zu wissen, zu welchem Preis die Krankenkassen ein Medikament von einem Hersteller eingekauft haben. Wichtig für die Gesellschaft und die Politik ist nur, wie viel die Krankenkassen letztendlich eingespart haben.«
Das Zielpreiskonzept der Apothekerschaft ist für Fabry ein Modell, über das man reden könne. Nur lasse es sich nicht kombinieren mit Rabattverträgen. Man müsse sich für ein Modell entscheiden und dies konsequent verfolgen. Jetzt gebe es die Rabattverträge. Man sollte die Auswirkungen abwarten, bevor neue Modelle ausprobiert würden.
Aus seiner Sicht funktionieren die Rabattverträge, sie generieren Wert für die Krankenkassen. Sie seien allerdings an einem Punkt angekommen, an dem die Grenzen der Finanzierbarkeit erreicht worden seien.
Fabry erwartet nicht, dass vor der Bundestagswahl an dem augenblicklichen System etwas geändert wird. Dem Vertragsverletzungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof sieht er gelassen entgegen. Nach seiner Meinung sollte die Regierung darüber nachdenken, die Zwangsregularien wie Festbeträge und Zwangsrabatte abzubauen. Versprochen habe man es, nur erinnere sich jetzt keiner mehr daran.
Auch die Übernahme der Beitragsverwaltung durch den neuen Spitzenverband der Krankenkassen wird auf die Rabattverträge nach seiner Meinung keine Auswirkungen haben. Die Einzelkasse wird sie weiter anstreben, um Wirtschaftlichkeit zu garantieren.
Appell an die Politik
Die Sorge, zusätzliche Beiträge nehmen zu müssen, sei groß, deshalb wird man weiter auf Rabattverträge setzen, um mit dem zugewiesenen Geld auszukommen. Aber auch hier sollte man abwarten, wie sich das neue Finanzierungssystem entwickelt und welche Auswirkungen es auf die einzelne Krankenkasse haben wird.
Abschließend appelliert Fabry an die Politik, nicht weitere Bürokratien und Dokumentationspflichten für die Leistungserbringer aufzubauen. Würde man sie abbauen, würde man schon sehr viel Geld, sparen können, auch ohne Rabattverträge. Der Patient würde ebenfalls profitieren, weil Ärzte und Apotheker mehr Zeit für ihn hätten.
»Bürokratie nimmt sehr viel Geld aus dem System, was der nachhaltigen guten Versorgung des Patienten fehlt. Mehr Vertrauen in die Professionalität der heilberuflich Tätigen und weniger Kontrolle würde dem System guttun.«