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Präimplantationsdiagnostik

Freispruch für frühe Gentests

13.07.2010  14:40 Uhr

Von Bettina Sauer / Das Erbgut von künstlich erzeugten Embryonen darf bei Verdacht auf schwere Schäden genetisch untersucht werden. Dieser Richterspruch könnte Gesetzesänderungen erforderlich machen.

Lob von Reproduktionsmedizinern, Bundesärztekammer und FDP, Kritik von katholischer Kirche und CDU/CSU – das Urteil des Bundesgerichtshofes zur Präimplantationsdiagnostik sorgt für eine heftige Kontroverse. Befürworter wie Ablehner sehen gesetzlichen Regelungsbedarf. Das zugrunde liegende Embryonenschutzgesetz stammt von 1990 und verbietet strikt die Auswahl, Aufbewahrung und Vernichtung von künstlich erzeugten Embryonen. Es äußert sich aber mit keinem Wort zur bei seinem Inkrafttreten sehr jungen Prä­implantationsdiagnostik (PID).

 

Dabei entnehmen Mediziner einem durch künstliche Befruchtung erzeugten Embryo mindestens eine Zelle, um ihr Erbgut im Labor zu untersuchen. Meist passiert das nach etwa drei Tagen, wenn sich die embryonalen Zellen schon im pluri­potenten Stadium befinden, also keinen kompletten Menschen mehr hervorbringen können. Ergibt der Test Erbkrankheiten oder Chromosomen-Anomalien, setzen die Ärzte den Embryo nicht in die Gebärmutter der Kinderwunschpatientin ein, sondern lassen ihn absterben. Inzwischen kommt die PID in vielen Ländern zum Einsatz, nicht aber in Deutschland. Denn nach der vorherrschenden Auffassung verstößt sie gegen das Embryonenschutzgesetz.

 

Damit wollte sich ein Frauenarzt in einem Berliner Kinderwunschzentrum nicht abfinden. 2005 und 2006 praktizierte er die PID bei drei Paaren mit bekannten genetischen Belastungen, die schwere Erbkrankheiten des Nachwuchses wahrscheinlich machten. Dann zeigte er sich selber an, um Rechtssicherheit zu erzwingen. Das gelang ihm nun nach viereinhalb Jahren und in höchster Instanz: Vergangene Woche, am 6. Juli, sprach der Bundesgerichtshof (BGH) den Selbstankläger frei, folgte dabei einem Urteil des Landgerichts Berlin von 2009 und machte Schluss mit der bisherigen Rechtsauffassung.

 

Denn dem Urteil zufolge steht die PID an pluripotenten Zellen, die nach »schwerwiegenden genetischen Schäden« fahndet, nicht im Widerspruch zum Embryonen­schutzgesetz, da sie »schwerwiegende Gefahren« vermindere. Schließlich mussten Eltern, die sich trotz eines bekannten erb­lichen Risikos ein Kind wünschen, bislang eine Schwangerschaft abwarten, eine in Deutschland erlaubte Pränataldiagnostik durchführen lassen und gegebenenfalls entscheiden, ob sie abtreiben. »Die un­logische Diskrepanz zwischen Pränatalal- und Präimplantationsdiagnostik ist durch das Urteil des BGH endlich aufgehoben«, kommentierte der Präsident der Bundesärztekammer, Professor Dr. Jörg-Dietrich Hoppe. Ferner begrüßte er, dass die PID nur bei entsprechend schwerwiegender Indikation zum Einsatz kommen dürfe. »Der BGH hat eine geschlechtsspezifische Auswahl wie auch eine unbegrenzte Selektion von Embryonen strikt untersagt.« Damit sei eindeutig klargestellt, dass die PID keinesfalls als Methode zur Erzeugung von »Designer-Babys« erlaubt sei.

 

Dem stehen ohnehin hohe Hürden im Weg. Denn um eine PID durchzuführen, müssen Frauen eine belastende Eizell-Entnahme über sich ergehen lassen. Zudem sei es technisch noch gar nicht möglich, die ganze Bandbreite an genetischen Merkmalen zu testen, betonte Professor Dr. Jan-Steffen Krüssel, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Reproduktionsmedizin, gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Die PID komme nur für Eltern mit bekannten erblichen Vorbelastungen infrage. »Wir rechnen im Jahr mit 150 bis 200 Paaren.«

 

Doch definierte der BGH nicht näher, was er denn genau mit »schwerwiegenden genetischen Schäden« meint. Hier besteht also Regelungsbedarf. Bundesforschungsministerin Annette Schavan hat bereits vorgeschlagen, den Deutschen Ethikrat mit der Frage zu beauftragen. /

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