Vorne FSME, hinten Borrelien |
03.07.2012 14:06 Uhr |
Von Ulrike Viegener / Sie sind gefürchtet wie kaum eine andere Tierart in unseren Breiten: Zecken können schwere Krankheiten übertragen, vor allem Borreliose und Frühsommermeningoenzephalitis (FSME). Wichtig ist eine sachliche Aufklärung, wie man sich gegen die Blutsauger schützen kann und wie man sich im Fall eines Falles verhalten soll.
Zecken fallen nicht von Bäumen. Sie lauern vielmehr in Gräsern, in Büschen und im Unterholz. Zunehmend ist nicht nur in Wald und Flur, sondern auch in Gärten mit ihnen zu rechnen. Die in Deutschland häufigste Zeckenart ist der Gemeine Holzbock. Er verletzt die Haut seines Opfers mit scherenartigen Mundwerkzeugen, verankert sich mithilfe von Widerhaken und saugt dann mit seinem Stechrüssel aus der relativ großen Wunde Blut.
Foto: Fotolia/Schubbel
Da die Zecke ein Betäubungsmittel absondert, spürt man den Zeckenstich nicht, obwohl der Stechapparat der Zecke viel größer ist als der einer Mücke. Außerdem enthält der Speichel der Zecke Gerinnungshemmer, sodass der Nachschub nicht versiegt, wenn sie sich über Stunden bis Tage vollsaugt. Bevor die Zecke zusticht, krabbelt sie oft längere Zeit auf ihrem Opfer herum und sucht sich eine optimale – dünnhäutige, gut durchblutete und am liebsten feuchtwarme – Stelle. Besonders beliebt sind Kniekehlen, Achselhöhlen und auch der Genitalbereich.
Borrelien-Infektion frühestens nach 12 Stunden
Borrelien sind spiralförmige Bakterien, die sich im Darm der Zecken befinden. Sie können in den Wirt gelangen, weil Zecken nicht verwertbare Nahrungsbestandteile erbrechen. Allerdings tun sie das erst nach einer gewissen Zeit. Mit einer Borrelien-Übertragung ist daher nur zu rechnen, wenn sich eine Zecke zwölf Stunden und länger ungestört festsaugen kann. Deshalb gilt es, Zecken möglichst schnell zu entdecken und zu entfernen (siehe Kasten).
Laut Robert-Koch-Institut sind bundesweit bis zu 35 Prozent aller Zecken mit Borrelien verseucht. Neuen Zahlen der Krankenkasse DAK zufolge erkranken in Deutschland jährlich rund 214 000 Menschen an einer Borrelien-Infektion. Das sind deutlich mehr als bislang angenommen: Konservative Schätzungen der Erkrankungszahlen bewegen sich zwischen 60 000 und 80 000 pro Jahr.
Das Arsenal gegen Zeckenborreliose könnte bald um eine Option reicher sein: Das Fraunhofer Institut für Zelltherapie und Immunologie hat gemeinsam mit dem schweizerischen Unternehmen Ixodes ein Gel mit dem Antibiotikum Azithromycin entwickelt, das – gleich nach dem Zeckenbiss drei Tage lang zweimal täglich aufgetragen – in der Bisswunde vorhandene Borrelien abtöten soll, bevor sie den Körper entern können. Ob diese Infektionsprophylaxe tatsächlich funktioniert, wird derzeit in einer großen klinischen Studie überprüft.
Borrelien können fast alle Organsysteme des Körpers angreifen, bevorzugt befallen sie Gelenke, Nervensystem und Haut. Die prognostisch wichtige Früherkennung wird erschwert durch die sehr variablen Verläufe. Die Einteilung in drei Stadien ist im Einzelfall oft nicht nachvollziehbar.
Im Frühstadium treten eventuell gar keine oder nur sehr unspezifische grippeähnliche Symptome auf. Ein charakteristisches, aber eben nicht obligates Warnsignal ist die Wanderröte (Erythema migrans): ein von der Einstichstelle ausgehender Fleck, Ring oder Doppelring, der sich nach außen ausbreitet und typischerweise im Zentrum blasser ist als am Rand.
Das zweite Stadium einer generalisierten Lyme-Borreliose ist einige Wochen bis sechs Monate nach Infektion erreicht. Bei Erwachsenen ist es charakterisiert durch das sogenannte Bannwarth-Syndrom, eine schmerzhafte Entzündung der peripheren Nerven. Bei Kindern ist das Leitsymptom eine Lähmung bestimmter Gesichtsmuskeln (periphere Fazialisparaese). Nach Monaten bis Jahren kommt es im dritten Stadium zu gefürchteten Spätkomplikationen: Lyme-Arthritis, die sich meist am Kniegelenk manifestiert, aber auch auf andere Gelenke überspringen kann, Fibromyalgien und pergamentartige Hautveränderungen.
Hoffentlich FSME-geimpft: Zecken gehen nicht nur im Wald, sondern immer häufiger auch in Gärten auf Opfersuche.
Foto: Fotolia/
contrastwerkstatt
Eine Impfung gegen Borrelien gibt es nicht. Gute Behandlungschancen im Fall einer Infektion bestehen, wenn die Antibiotikatherapie frühzeitig eingeleitet wird. Oberstes Therapieziel ist es, eine Chronifizierung zu verhindern.
FSME nicht nur im Frühsommer
Die für die FSME verantwortlichen Viren befinden sich im Speichel der Zecke und können deshalb relativ schnell nach dem Zeckenstich übertragen werden. Der Begriff Frühsommermeningoenzephalitis ist irreführend. Der Erkrankungsgipfel liegt zwar im Frühsommer, da Zecken aber ab einer Temperatur von 7 Grad Celsius aktiv sind, kann es auch in milden Wintern zu einer Übertragung der FSME-Viren kommen. Hohe Temperaturen dagegen mag der Gemeine Holzbock nicht, sodass die Zeckenaktivität in heißen Sommern zurückgeht, um dann im Herbst einen zweiten Gipfel zu erreichen.
Im Unterschied zur Belastung mit Borrelien gibt es in puncto FSME regionale Unterschiede. Eine hohe Durchseuchung findet man in Süd- und Südwestdeutschland, während gen Norden das Risiko einer FSME-Übertragung durch Zecken abnimmt. Der Durchseuchungsgrad in den Risikogebieten wird mit bis zu 5 Prozent angegeben. Gegenüber 2010 mit 260 registrierten FSME-Fällen haben sich die Erkrankungszahlen in Deutschland 2011 fast verdoppelt, wobei speziell auch schwere Verläufe mit Rückenmarksbeteiligung zugenommen haben.
Nach einer Inkubationszeit von bis zu drei Wochen entwickeln rund 30 Prozent der Infizierten grippeähnliche Symptome mit mäßigem Fieber, Kopfschmerzen und Erbrechen. Rund jeder zehnte Infizierte erkrankt im weiteren Verlauf nach einem mehrtägigen fieberfreien Intervall schwer mit hohem Fieber, starken Kopfschmerzen, Erbrechen, Lähmungen und Bewusstseineintrübung, wobei die Gefahr bleibender neurologischer Ausfälle besteht. Die Letalität beträgt etwa 1 Prozent.
Gegen FSME kann man sich impfen lassen. Wegen der Schwere der Erkrankung wird die Impfung in Risikogebieten empfohlen, was auch für Natururlauber gilt. Die Grundimmunisierung umfasst drei Impfungen, eine Auffrischung erfolgt nach drei Jahren und danach alle fünf Jahre. /
Die Kleidung sollte eng anliegen und den Blutsaugern möglichst keinen Zugang zur nackten Haut gewähren. Helle Kleidung erleichtert das Aufspüren von Zecken. Nach dem Aufenthalt in der Natur sollte die Kleidung ausgeschüttelt und der Körper nach Zecken abgesucht werden.
Wird eine Zecke entdeckt, soll sie – mit einer Zeckenzange, sonst mit den Fingernägeln – dicht über der Haut gepackt und möglichst beherzt herausgezogen werden. Um die Widerhaken zu lösen, kann ein kurzes Rütteln beziehungsweise Hin- und Herdrehen hilfreich sein. Anschließend sollte die Einstichstelle desinfiziert werden.
Auf keinen Fall soll man Klebstoff, Öl oder Alkohol auf die Zecke träufeln, da es im Todeskampf zur Absonderung großer Erregermengen kommen kann.
Die Zecke sollte nicht weggeworfen, sondern möglichst lebend für die Untersuchung auf Erreger feucht aufbewahrt werden, zum Beispiel in einem Taschentuch.