Gerührt, nicht geschüttelt |
29.06.2016 10:37 Uhr |
Von Maria Pues, Münster / Spricht man von Individualrezeptur, meint man damit üblicherweise die Herstellung für einen bestimmten Patienten. Aber auch für Rezepturen gilt: Viele erfordern eine individuelle Behandlung.
Wiegen, rühren, abfüllen, fertig – so einfach ist das mit der Rezepturherstellung bekanntlich nicht. Apotheken bei der Sicherstellung und Verbesserung der Rezepturqualität zu unterstützen, hat sich die Apothekerkammer Westfalen-Lippe mit ihrem Projekt RezepturFit zum Ziel gesetzt. Dazu gehört auch eine Rezepturmesse unter anderem mit Vorträgen zu Problemen bei der Prüfung von Ausgangssubstanzen, bei der Herstellung von Rezepturen sowie zu Erkenntnissen aus den Ringversuchen des Zentrallaboratoriums Deutscher Apotheker (ZL), die nun erstmalig in Münster stattfand.
Zweifelsfreie Identität
Fantaschale und Pistill sind bei sehr niedrig dosierten Zubereitungen die Methode der Wahl.
Foto: DAC/NRF
Ausgangssubstanzen für die Rezeptur, die mit einem validen Prüfzertifikat geliefert werden, müssen in der Apotheke »nur« auf ihre Identität geprüft werden. Doch etliche Arzneibuch-Prüfungen der für Apotheken vorgesehenen zweiten Prüfreihe lassen sich in der Offizin nicht durchführen, sagte Dr. Michael Hörnig, Leiter des Prüflaboratoriums des Deutschen Arzneimittelcodex (DAC) in Eschborn. Das Fehlen spezieller Geräte, etwa für die Hochleistungsflüssigkeitschromatografie, bestimmter Reagenzien oder Vergleichssubstanzen ist ein möglicher Grund. Für 353 Substanzen fehle überhaupt eine zweite Identifikationsreihe.
Abhilfe schaffen können in vielen Fällen die alternativen Prüfverfahren des DAC. »Sie dürfen nur von Apotheken angewendet werden, nicht vom Hersteller«, erläuterte Hörnig. Für Hersteller gilt die erste Identifikationsreihe des Arzneibuchs. Das sei auch bei der Kontrolle des Prüfzertifikats zu beachten, wo die alternativen Verfahren nicht aufgeführt sein dürfen. Apotheken müssen alle für die jeweilige Substanz vorgesehenen Prüfungen durchführen. Insbesondere Schmelzpunkt und Brechungsindex, (Mikro-) Dünnschichtchromatografie und nasschemische Methoden finden hierbei Verwendung.
Allerdings weisen viele Substanzen Schmelzpunkte in einem schmalen Bereich auf, sodass sie allein durch dessen Prüfung nicht eindeutig zu identifizieren sind, so Hörnig. Für diese Substanzen sieht das DAC/Neues Rezepturformularium (NRF) eine Prüfung des Mischschmelzpunkts vor. Verwendet wird hierbei neben dem zu prüfenden neuen Stoff eine Vergleichssubstanz, etwa eine frühere andere Charge der Substanz. Bestimmt werden nun die Schmelzpunkte der beiden Einzelsubstanzen sowie der einer homogenen 1:1-Mischung aus beiden.
Massebasierte Kapselherstellung
Zu geringe Wirkstoffmengen, etwa durch Unterfüllung oder eine zu starke Streuung bei der Kapselherstellung, können sich bei niedrigen Dosierungen besonders stark auswirken. »Genau diese werden jedoch heute immer häufiger verordnet«, sagte Dr. Holger Reimann, Leiter des pharmazeutischen Laboratoriums des NRF. Häufig handelt es sich um Zubereitungen für Kinder, für die keine Fertigarzneimittel in geeigneter Dosierung auf dem Markt sind.
Vermahlen und häufiges Umfüllen von Wirk- und Füllstoffen bergen beim volumenbasierten Verfahren die Gefahr von Veränderungen, zum Beispiel des Schüttverhaltens bei intensivem Verreiben, und von Verlusten, etwa durch Anhaften an den Messzylinder. Ein massebasiertes Verfahren könne diese vermindern, führte Reimann aus. Ein Ansatz müsse sich zudem nicht mehr auf die Größe des Kapselbretts beschränken, was die Arbeit in der Apotheke erleichtern kann. Die Mengen der benötigten Bestandteile werden dabei aus der jeweiligen Kapselgröße selbst berechnet und durch Wiegen ermittelt. Im nächsten Arbeitsschritt werden diese nur noch gemischt, nicht mehr verrieben, und die Kapseln anschließend befüllt. Abschließend kann die Apotheke eine eigene Qualitätskontrolle durchführen, indem sie die Kapseln nachwiegt.
Allerdings müssen auch beim Einsatz dieses Verfahrens bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. So benötigt man ein standardisiertes Füllmittel mit weitgehend konstanter Schüttdichte. Hier sei eine neu spezifizierte Mannitol-Siliciumdioxid-Mischung eine Option, so Reimann. Weitere sollen folgen. Standardisierungen sind auch bei der Vorbereitung des Wirkstoffs und beim Befüllen der Kapseln erforderlich. Nicht zuletzt benötigt man zuverlässige Angaben dazu, mit welchen Massen aus Wirkstoff und Füllmitteln die verschiedenen Kapselgrößen befüllt werden können. Apotheken, die das Verfahren bereits anwenden, haben hierzu eigene Validierungen durchgeführt. Für standardisierte Herstellungsvorschriften müssten diese noch experimentell erarbeitet werden.
Erkenntnisse aus Ringversuchen
Qualitätskontrollen durch Ringversuche können nicht nur dazu beitragen, individuelle Herstellungsmängel aufzudecken, damit diese abgestellt werden können. Sie erlauben auch, die Einsatzmöglichkeiten bestimmter Herstellungsverfahren oder -vorschriften zu beurteilen, erläuterte Dr. Holger Latsch, der beim ZL für die Ringversuche verantwortlich ist. In einem Einzelfall sei zudem ein Qualitätsmangel bei einem bestimmten Ausgangsstoff gefunden worden; auffallend viele Einsendungen waren »durchgefallen«, ohne dass ein Herstellungsmangel identifiziert werden konnte. Diese zeigen sich häufig beispielsweise an einer unzureichenden Verteilung des Wirkstoffs in halbfesten Zubereitungen oder in Fehldosierungen.
Bei der Verwendung elektrischer Rührsysteme sollte das Sandwich-Prinzip angewendet werden, erinnerte Latsch: zuerst die Hälfte der Grundlage, dann der Wirkstoff, dann wieder Grundlage. Die Wirkstoffe sollten dabei weder zu dicht an den Rand noch zentral in die Kruke gegeben werden. Auch sollte die Vorgabe der Hersteller für die jeweiligen Rezepturen unbedingt beachtet werden. Pulverförmige Wirkstoffe sollten aus der Rezeptur nach Möglichkeit zugunsten industrieller Verreibungen verbannt werden. Zumindest sollten jedoch mikronisierte Wirkstoffe verwendet werden.
Überraschend gut schnitt vielfach die manuelle Herstellung mit Fantaschale und Pistill ab. Sie stellt laut Latsch im Zweifelsfall insbesondere bei sehr niedrig dosierten Zubereitungen die Methode der Wahl dar. Niemals vergessen werden dürften natürlich die Genauigkeit der verwendeten Waagen und eventuelle Einwaagekorrekturfaktoren. /