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Existenzgründung

Sicher in die Selbstständigkeit

17.06.2015  10:18 Uhr

Von Verena Arzbach und Daniel Rücker, Düsseldorf / Wer mit dem Gedanken spielt, eine Apotheke zu kaufen oder neu zu gründen, muss sich mit vielen Fragen auseinandersetzen. Was Neugründer bei der Wahl der Apotheke, der Finanzierung und betriebswirtschaftlichen Problemen beachten müssen, war Thema eines Existenzgründerworkshops von Apothekerkammer und -verband Nordrhein.

Junge Apotheker haben derzeit gute Rahmenbedingungen für den Aufbau einer eigenen Apotheke. »Die Zahl der Apotheken sinkt seit einigen Jahren«, stellte die Rechtsökonomin Silke Wolff von der Treuhand Hannover fest. Mit gut 16 000 Selbstständigen liege die Apothekenzahl um rund 4000 unter der Zahl von 2005. Gleichzeitig würden Inhaberwechsel seltener. Im Jahr 2008 gab es noch 732 Wechsel, im vergangenen Jahr sank die Zahl auf 219.

 

Nachfrage und Angebot

 

Derzeit ist die Nachfrage nach Apotheken noch größer als das Angebot – zumindest bei wirtschaftlich interessanten Apotheken – in den kommenden Jahren dürfte es womöglich wieder mehr Übernahmen geben. Laut Wolff sind 35 Prozent der Apothekeninhaber älter als 55 Jahre. Nicht alle haben einen Verwandten, der die Apotheke übernimmt. Damit stiegen auch die Chancen, dass wirtschaftlich attraktive Objekte verkauft werden.

 

Wer eine Apotheke übernehmen oder neu eröffnen will, der sollte sich vorab Gedanken über den Apothekentyp machen, riet Wolff. Zwischen dem Betrieb einer Center-Apotheke und einer klassischen Apotheke gebe es deutliche Unterschiede. Die klassische Apotheke habe weniger Wochenöffnungsstunden, weniger Kunden und einen deutlich niedrigeren Umsatz als die Centerapotheke. Diese habe dafür deutlich mehr HV- und Gesamtumsatz, fast die dreifache Packungszahl und etwa doppelt so hohe Personalkosten wie die klassische Apotheke. Dazwischen liege die Ärztehausapotheke, so Wolff. Sie habe moderate Öffnungszeiten, einen deutlich höheren Anteil Kassenrezepte und dafür einen geringen OTC-Anteil beim Umsatz. In ihrer Struktur unterscheiden sich die Apothekentypen deutlich. Beim durchschnittlichen Betriebsergebnis lägen sie allerdings gar nicht so weit auseinander. Dieses liegt laut Wolff in der Center-Apotheke bei 121 000 Euro, bei der Apotheke im Ärztehaus bei 117 000 Euro und in der klassischen Apotheke bei 111 600 Euro im Jahr.

 

Wichtig bei der Kaufentscheidung seien auch Standortfaktoren wie Einwohnerzahl, Kaufkraft und Alter der Bevölkerung, so Wolff. Das Verschreibungsvolumen der Ärzte und die Nähe zu Frequenzbringern wie Post, Einkaufszentren oder anderen großen Geschäften, seien ebenfalls über den Erfolg entscheidende Faktoren. Auch die Konkurrenzsituation zu anderen womöglich gut etablierten Apotheken dürfe nicht ignoriert werden.

 

Expertenrat wichtig


Grundsätzlich sollten sich kaufwillige junge Apotheker von Experten beraten lassen, sagte Wolff und verwies auf Apobank und Treuhand Hannover, deren Berater in dem Markt viel Erfahrung hätten. Die beiden Institutionen hätten das nötige Fachwissen, die Apotheke sowie deren langfristige wirtschaftliche Perspektive zu bewerten und die steuerlichen Aspekte des Apothekenkaufs zu regeln.

 

Die Finanzierung sollte der Apotheker am besten mit etwa ein bis zwei Jahren Vorlauf planen, sagte Norbert Steffens, stellvertretender Direktor der Apobank-Filiale in Düsseldorf. In den kommenden Jahren werde etwa ein Viertel der Apotheken verkauft. Der Markt werde sich zu einem Käufer-Markt entwickeln, das heißt, es bestehe eine Chance, gute Apotheken zu guten Preisen zu bekommen, sagte Steffens. Vor dem Kauf einer Apotheke plagten viele Existenzgründer naturgemäß Ängste. »Denn eine so große Geldsumme gibt man wahrscheinlich nur einmal im Leben aus«, so Steffens.

 

Kapitalbedarf ermitteln


Daher sei es wichtig, zunächst den genauen Kapitalbedarf zu ermitteln und einen detaillierten Investitionsplan aufzustellen. »Zum Kaufpreis kommen womöglich zusätzliche Kosten für einen Umbau, die EDV oder Ähnliches hinzu«, gab Steffens zu bedenken. Wichtig sei auch die Struktur der Finanzierung. »Generell gilt: Kurzlebige Investitionen sollten kurzfristig finanziert werden, für langlebige Investitionen eignen sich dagegen langfristige Finanzierungen.« Zudem sollte der Apotheker alle Investitionen zuvor genau auf ihre Rentabilität prüfen. »Eine falsche Investitionsentscheidung kann durch keine noch so gute Finanzierung richtig werden«, sagte Steffens.

 

Auch die Apothekenrechenzentren können wichtige Ansprechpartner für Existenzgründer sein. Allerdings sollten diese auch rechtzeitig Kontakt zum Rechenzentrum aufnehmen, empfiehlt Robert Baumann, Leiter für den Bereich Vertrieb und Marketing beim Dienstleister ARZ Service. In jedem Fall muss vor der Apotheken-Übernahme ein Steuerberater gefunden sein und eine Bank, die die Übernahme begleitet. Außerdem muss das Institutionskennzeichen (IK) mindestens zwei Wochen vor der Apothekenübergabe beantragt sein. Ohne IK-Nummer gebe es kein Geld von der Gesetzlichen Krankenversicherung, sagte Baumann.

 

Wichtig sei es auch, rechtzeitig mit dem Rechenzentrum und dem Großhandel die Zahlungsmodalitäten festzuzurren. Die Überweisung des Rechenzentrums an die Apotheke müsse unbedingt ein paar Tage vor dem Zahlungstermin des Großhandels liegen. Spätestens bei der Übernahme der Apotheke müsse auch ein Haftungsausschluss vereinbart werden, sagte Baumann. Ansonsten laufe der neue Besitzer Gefahr, unbezahlte Rechnungen seines Vorgängers bezahlen zu müssen. Großer Ärger kann auch dann drohen, wenn der Apothekenleiter keine ausreichende Haftpflicht abgeschlossen hat. Mindestens bis zu einer Schadenshöhe von 1,5 Millionen Euro sollte eine Apotheke versichert sein, sagte Baumann. Rezepte seien für Apotheker bares Geld, gingen diese verloren oder würden sie beschädigt, sei der Schaden immens.

 

Existenzgründer sollten in jedem Fall auch einen geeigneten Steuerberater wählen, bekräftigte Gabriele Amoriello von der Treuhand Hannover. Denn dieser übernehme in der Apotheke wichtige Aufgaben: Neben dem Erstellen von Steuererklärungen und der eigentlichen Beratung kümmert er sich unter anderem auch um die laufende Buchführung und erstellt den Jahresabschluss. «Apotheker sollten darauf achten, dass der Steuerberater ihnen verschiedene Aufgabenbereiche verständlich erläutert«, riet der Rechtsanwalt und Steuerberater.

 

Der Einstieg in die Selbstständigkeit ist nach einhelliger Meinung der Experten deutlich weniger riskant als vermutet. »Der Apothekenkauf ist immer noch eine relativ sichere Bank«, sagte Amoriello in einer abschließenden Diskussionsrunde. Weniger als 10 Prozent der etwa 300 Apothekenschließungen pro Jahr gingen auf eine Insolvenz zurück, bei den meisten führten andere Gründe zur Schließung. Viele betriebswirtschaftliche Risiken ließen sich zudem stark minimieren, sagte er. Auch sei nicht unbedingt ein hohes Eigenkapital nötig, um eine Apotheke zu kaufen. Vor allem jüngere Apotheker würden wenig oder kein Kapital mitbringen, die überwiegende Mehrheit der Neugründer finanziere die eigene Apotheke ohne Startkapital.

 

Gründung als OHG

 

Wer das betriebswirtschaftliche Risiko teilen möchte, hat auch die Möglichkeit, eine offene Handelsgesellschaft (OHG) zu gründen. Ein Großteil der Apotheken-OHG bewege sich im Familienkreis, berichtete Amoriello. Hier müsse man darauf achten, dass die Ertragskraft der neuen Apotheke groß genug ist. Denn der Gewinn wird unter den OHG-Partnern, die alle eine Approbation haben müssen, aufgeteilt. Nicht-Apotheker haben keine Möglichkeit der Teilhabe an einer Apotheke, sie dürfen sich nur über Beraterverträge einbringen, sagte Amoriello, und dies auch nur, wenn sie nicht in die Verantwortlichkeit der Apotheker eingreifen.

 

Mehr zum Existenzgründer-Workshop lesen Sie in der Printausgabe der PZ 25/2015 ab Seite 86. /

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