Opposition warnt vor Doppel-Aufsicht |
19.06.2012 18:41 Uhr |
Von Stephanie Schersch / Die Krankenkassen sollen künftig dem Kartellrecht unterstehen, so sieht es ein Gesetzentwurf der Bundesregierung vor. Die Opposition warnt vor gravierenden Folgen. Auch innerhalb der Koalition ist das Vorhaben umstritten
Vergangenen Freitag war die achte Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen Thema im Bundestag. Mit der geplanten Neuerung sollen unter anderem die Krankenkassen in Zukunft stärker als bislang unter das Wettbewerbsrecht fallen und vom Bundeskartellamt beaufsichtigt werden. Bundeswirtschaftminister Philipp Rösler (FDP) verteidigte das Vorhaben. »Es kann nicht sein, dass sich Krankenkassen zum Beispiel bei Zusatzbeiträgen oder anderen Dingen absprechen«, sagte er. Es sei gut, wenn die Kassen im Sinne der Versicherten zusammenarbeiten wollten, Absprachen schadeten jedoch den Patienten.
»Politische Schizophrenie«
Aus der Opposition hagelte es Kritik. Biggi Bender, gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, sieht in dem Vorhaben einen Widerspruch zum Sozialgesetzbuch V. Dort würden die Kassen zur Zusammenarbeit verpflichtet, gleichzeitig werde ihnen dies durch das Kartellrecht nun wieder verboten. »So etwas nennt man politische Schizophrenie«, sagte Bender. Sowohl bei der Aufsicht als auch bei den Rechtswegen führe die Regierung damit Doppelzuständigkeiten ein. »Das Ergebnis lautet dann: mehr Staat statt mehr Wettbewerb.«
In Zukunft soll auch das Bundeskartellamt für die Kassen zuständig sein.
Foto: imago/Heimrath
Auch für SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sind die Pläne »ein großer Schritt in die falsche Richtung«. Gegen gemeinsame Intiativen von Kassenverbünden etwa beim Mammografie-Screening könnten außenstehende Versicherer auf Grundlage des Wettbewerbsrechts klagen. Auf diese Weise werde ein großer Teil des Qualitätswettbewerbs ausgehöhlt, sagte Lauterbach.
Er warnte auch vor steigenden Kosten. So könnten die Privatversicherer etwa gegen Festbetragsregelungen für Arzneimittel klagen, die ausschließlich für die Gesetzliche Krankenversicherung gelten. Auch die Rabattverträge für Kassengruppen seien in Gefahr. »Man muss sich fragen: Wer hat daran ein Interesse?« Die Antwort lieferte Lauterbach gleicht mit. Profitierten würden vor allem die privaten Versicherer, »weil viele Wettbewerbsvorteile der Gesetzlichen Krankenversicherung damit zunichtegemacht werden«.
Die Ausweitung des Kartellrechts auf die Kassen ist auch innerhalb der Koalition umstritten. Die CSU sei beim Thema Krankenkassen »ausgesprochen kritisch«, sagte Georg Nüßlein (CSU). Bei vielen Dingen diene die Zusammenarbeit der Gesundheit der Patienten. Man werde daher noch einmal über die Frage reden müssen, »wie man es schafft, das eine zu sichern, nämlich den Wettbewerb, und das andere nicht zu verhindern, nämlich die gesundheitspolitisch sinnvolle Zusammenarbeit der Kassen«, so Nüßlein. /