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Bestechungsverdacht

Ermittlungen gegen Sanofi-Aventis

21.06.2011  17:48 Uhr

PZ, dpa / Mitarbeiter des Pharmakonzerns stehen unter Verdacht, Arzneimittel mit bald ablaufendem Verfallsdatum verkauft zu haben. Die Ware sollte eigentlich über eine Hilfsorganisation nach Nordkorea gehen, landete aber über den Großhändler Gehe meist in deutschen Apotheken.

Die Staatsanwaltschaft im niedersächsischen Verden ermittelt gegen Sanofi-Aventis wegen Bestechung. Mitarbeiter des Pharmakonzerns sollen laut eines Berichts des Nachrichtenmagazins »Der Spiegel« über Jahre hinweg Medikamente, deren Verfallsdatum nahte, mithilfe von Schmiergeldern abgegeben haben.

Die Ware sollte angeblich über eine Hilfsorganisation nach Nordkorea geliefert werden. Tatsächlich landete sie jedoch vor allem über den Großhändler Gehe in deutschen Apotheken. Ob dahinter System steckt, sei noch unklar, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Verden, Marcus Röske, der Nachrichtenagentur dpa: »Das ist Gegenstand der Ermittlungen.« Nach Angaben von Röske sollen 750 000 Euro an den früheren Pharmamanager Wolfgang Tietze geflossen sein, der im Auftrag einer Hilfsorganisation tätig war. »Wir prüfen den Verdacht, dass es sich bei diesen Provisionszahlungen um Bestechungsgelder handelte.«

 

Sanofi lieferte an MTI

 

Nach »Spiegel«-Recherchen lieferte Sanofi-Aventis allein im Jahr 2010 Medikamente im Wert von 22 Millionen Euro an den Pharmagroßhändler Multi Trade International (MTI) aus Seevetal im Kreis Harburg. Abgewickelt wurde das Geschäft über den Verein »Viva Westfalen hilft« unter Führung von Tietze. MTI wiederum verkaufte die Medikamente an andere Großhändler wie Gehe weiter.

 

Die Staatsanwaltschaft Verden hatte am Donnerstag vergangener Woche 17 Objekte in mehreren Bundesländern durchsucht, darunter die Deutschland-Zentrale des französischen Pharmakonzerns Sanofi-Aventis in Frankfurt am Main und Wohnungen von Pharmamanagern. Das sichergestellte Material sei noch nicht ausgewertet worden, die Beschuldigten hätten sich auch noch nicht zu den Vorwürfen geäußert, sagte Röske.

 

Eine Sprecherin von Sanofi-Aventis wies die im »Spiegel« erhobenen Vorwürfe als falsch zurück. »Die Ware, die mit 20 Prozent Rabatt zweckgebunden für Nordkorea an einen Pharmagroßhändler in Norddeutschland geliefert worden ist, wurde gleichzeitig zum Normalpreis an den deutschen Großhandel geliefert« sagte sie dpa.

 

Der Stuttgarter Großhändler Gehe bestreitet, an dem Zwischenhandel mit Medikamenten für Nordkorea beteiligt gewesen zu sein. »Wir hatten davon keine Kenntnis und distanzieren uns von solchen Geschäftspraktiken«, sagte Gehe-Sprecher Michael Brinkert der PZ. MTI sei ein behördlich zugelassener und überwachter Pharmagroßhändler gewesen. »Es lagen für uns keine Anzeichen für unseriöse Geschäftspraktiken vor.« Die von MTI bezogene Ware sei einwandfrei, verkehrsfähig und kein »Ramsch« gewesen, wie im »Spiegel«-Artikel behauptet.

 

Den Vorwurf des »Spiegel«, Gehe habe illegale Rabatte bezogen, weist der Großhändler zurück. Gehe habe OTC- und Rx-Produkte von MTI bezogen. »Die gewährten Rabatte wurden von MTI im Rahmen einer Mischkalkulation geweährt«, sagt Brinkert. Im Übrigen gebe es keine Preisbindung zwischen Großhändlern.

 

DAV: Großhändler zu dominant

 

Der Deutsche Apothekerverband (DAV) hat Konsequenzen gefordert. »Einige Groß- und Zwischenhändler haben sich anscheinend vom Weg einer sicheren Arzneimittelversorgung verabschiedet«, sagte DAV-Vorsitzender Fritz Becker.

 

Es sei problematisch, dass in Deutschland fünf Pharmagroßhändler etwa 90 Prozent des Arzneimittelmarktes dominierten. »Die Apotheken sind zunehmend diesen mächtigen Händlern ausgeliefert. Deshalb ist es umso wichtiger, Arzneimittel und Lieferwege sicherer zu machen«, forderte Becker. /

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