Kopien mit Besonderheiten |
09.06.2015 15:27 Uhr |
Biosimilars sind Kopien gentechnisch hergestellter Arzneimittel, die bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) einen besonderen Zulassungsprozess durchlaufen. Die Skepsis, mit der einige Mediziner diesem Verfahren gegenüberstehen, ist aus pharmazeutischer Sicht unbegründet, erläuterte Professor Dr. Theo Dingermann von der Goethe-Universität Frankfurt am Main.
Aufgrund ihrer komplexen Struktur, ihrer Größe und ihres chemisch relativ labilen Bauprinzips weisen Biopharmazeutika generell eine gewisse molekulare Variabilität auf. »Ein Biosimilar kann also gar nicht vollkommen identisch mit dem Referenzarzneimittel sein«, sagte Dingermann. Dies sei keinesfalls ungewöhnlich oder beunruhigend.
Variation in engen Grenzen
Wer ist das Original, wer die Kopie? Biosimilars müssen ihrer Referenzsubstanz auf molekularer Ebene mindestens so ähnlich sein wie eine Wachsfigur ihrem Vorbild.
Foto: Imago/K. Piles
Strukturvariationen seien bei allen Biopharmazeutika normal, so zum Beispiel auch bei unterschiedlichen Chargen eines Biologicals. Aber: Die Unterschiede zwischen Biosimilar und Referenzarzneimittel dürften keinerlei Auswirkungen auf die Wirksamkeit und Sicherheit der Kopie haben. Das Biosimilar werde in gleicher Dosis zur Behandlung derselben Erkrankungen verwendet wie das Referenzarzneimittel.
Die Herausforderung bei der Herstellung von Biosimilars sei vielmehr, die angesprochene Varianz konstant zu halten. »Das geht nur über einen detaillierten, strukturierten Herstellungsprozess«, sagte Dingermann. Das eigentliche Produkt sei in diesem Fall nicht das Arzneimittel, sondern vielmehr der Prozess, den der Hersteller nach dem Prinzip des Reversed Engineering entwickelt. So müsse er das Referenz-Biopharmazeutikum zunächst genau charakterisieren und analysieren, spezifische Ober- und Untergrenzen für die Variation festlegen und schließlich einen geeigneten Herstellungsprozess entwickeln. Das Endprodukt muss dann in den festgelegten Grenzen dem Referenzarzneimittel entsprechen.
Eine ausreichende Ähnlichkeit sei durch die EMA-Zulassung garantiert, sagte Dingermann. Alle gentechnisch hergestellten Arzneimittel werden in einem zentralen Verfahren durch die EMA zugelassen. Für die Zulassung von Biosimilars – mittlerweile sind es 18 zugelassene Präparate – hat die Behörde ein eigenes Regelwerk mit vielen Richtlinien entwickelt. Nachahmerpräparate von Proteintherapeutika, die nicht über das EMA-Verfahren zugelassen wurden, sind in Europa nicht verkehrsfähig und dürfen somit auch nicht als Biosimilars bezeichnet werden.
Da das Original-Arzneimittel seit Jahren bekannt ist, müssen für die Zulassung eines Biosimilars nicht alle Informationen eingeholt werden, die zur Zulassung eines neuartigen Wirkstoffs notwendig sind. In den verbindlichen EMA-Richtlinien ist festgelegt, welche Studien der Hersteller durchführen muss, um zu belegen, dass das Biosimilar ebenso sicher und wirksam ist wie das Referenzprodukt. »Die Evidenz kommt hier aus dem Labor, nicht aus klinischen Studien«, unterstrich Dingermann.
Zulassung in allen Indikationen
Eine Besonderheit bei der Biosimilar-Zulassung stoße häufig auf Kritik: Ist das Referenzprodukt für mehr als eine Indikation zugelassen, kann die EMA je nach Fall das Biosimilar für mehrere dieser Indikationen zulassen, obwohl es nur in einer Indikation klinisch getestet wurde. Dieses Vorgehen wecke vor allem bei Medizinern Skepsis. Apotheker sollten daher nicht nur verunsicherten Patienten, sondern auch verordnenden Ärzten beratend zur Seite stehen. »Wenn sichergestellt ist, dass Biosimilar und Referenzprodukt ausreichend ähnlich sind, ist es absolut plausibel, dass das Biosimilar auch in allen Indikationen wirksam und sicher ist«, bekräftigte Dingermann.