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Allergie

Ambrosia Einhalt gebieten

09.06.2008  11:41 Uhr

Allergie

Ambrosia Einhalt gebieten

Von Gudrun Heyn, Berlin

 

Pollenallergiker könnten bald ganzjährig unter Symptomen leiden. Schuld ist die Pflanze Ambrosia mit ihren hochallergenen Pollen. Durch den Klimawandel breitet sie sich immer weiter in Deutschland aus.

 

Noch ist Ambrosia nicht flächendeckend verbreitet. Doch mit den weltweit stetig steigenden Temperaturen hat die aus Nordamerika stammende Pflanze auch in der Bundesrepublik gute Chancen, heimisch zu werden. Für Allergiker bedeutet dies nicht nur eine weitere starke Risikoquelle für allergische Rhinitis und allergisches Asthma bronchiale. Durch ihre späte Blüte verlängert Ambrosia auch die Leidenszeit der Betroffenen erheblich. Während Ambrosia in anderen europäischen Ländern bereits als unkontrollierbar gilt, scheint es derzeit in Deutschland noch möglich zu sein, mit einfachen Mitteln die weitere Ausbreitung der Pflanze zu verhindern.

 

Schon von einer einzigen Ambrosia-Pflanze geht ein erhebliches Erkrankungsrisiko aus. Bis zu einer Milliarde Pollen kann ein großes Exemplar freisetzen. Mit dem Wind fliegt der hochallergene Blütenstaub oft kilometerweit. Ambrosia (Ambrosia artemisiifolia) ist die Abkürzung für Beifuß-Ambrosie, Beifußblättrige Ambrosie oder Traubenkraut. In Medizinerkreisen ist sie vorwiegend unter der englischen Bezeichnung Ragweed bekannt und aufgrund ihres hohen allergenen Potenzials gefürchtet. Bereits eine Konzentration von 10 Pollenkörnern in einem Kubikmeter Luft reicht aus, um heftige allergische Reaktionen auszulösen. Für eine Sensibilisierung soll eine Konzentration von 50 Pollen pro Kubikmeter genügen. Von juckenden Augen und Nasen, wässrigem Schnupfen und Niesattacken sind daher häufig auch Menschen betroffen, die normalerweise nicht zu den Allergikern gehören.

 

Winzige Pollen

 

Doch nicht nur dies macht den Eindringling Ambrosia so gefährlich. Bei einem Vergleich der wichtigsten heimischen Allergie-auslösenden Pflanzen Hasel, Erle, Birke, Gräser, Roggen und Beifuß mit der neu eingebrachten Pflanze (Neophyt) wird deutlich, dass sie die kleinsten Pollen in die Luft freisetzt. Mit einer Größe von nur 18 µm können sie besonders gut eingeatmet werden und auch tief in die kleinen Verästelungen der Bronchien eindringen. So zeigen Untersuchungen aus den Vereinigten Staaten, dass Ambrosia durch ihre Pollen doppelt so häufig Asthma auslöst wie andere Gewächse. In Australien wird sie daher auch Asthma-Pflanze genannt.

 

»Mit dem Klimawandel droht Ambrosia nun auch in ganz Deutschland heimisch zu werden«, sagte Dr. Thomas Dümmel von der Freien Universität vor Journalisten in Berlin. In den vergangenen 100 Jahren ist die Jahresdurchschnittstemperatur in der Bundesrepublik bereits um rund 0,9 Grad Celsius gestiegen, eine weitere Zunahme um 2 Grad wird in den nächsten 100 Jahren erwartet. Damit kann die wärmeliebende Ambrosia immer weiter nach Norden vordringen. So wurden auch in den Pollenfallen der Freien Universität in den heißen Jahren 2003 und 2006 deutlich mehr Ambrosiapollen gefunden, als in den Jahren zuvor. Doch noch ist die Gesamtpollenmenge in der Luft im Vergleich zu anderen europäischen Ländern gering.

 

Schon 1860 ist die Beifuß-Ambrosie in Deutschland nachgewiesen worden. Mit verunreinigten Futtermitteln war die einjährige Pflanze aus Nordamerika nach Europa gelangt. Doch es gab keine Pflanzen, denen es unter den herrschenden Klimabedingungen gelang, Samen zu bilden und sich auszubreiten. Heute ist dies völlig anders. »Bestände mit mehr als 100 Pflanzen findet man bereits in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz und in Berlin«, sagte Dr. Stefan Nawrath von der Projektgruppe Biodiversität und Landschaftsökologie aus Friedberg. Doch im Gegensatz zu Italien, Frankreich und Ungarn ist die Zahl der Vorkommen und die von Ambrosia bewachsene Fläche immer noch gering und daher wahrscheinlich von geringer klinischer Relevanz. Ausnahmebestände sind bis jetzt nur aus der Niederlausitz in Brandenburg bekannt. Sie können nur noch durch großflächig eingesetzte Herbizide bekämpft werden.

 

Im Heimatland der Asthma-Pflanze, den USA, reagieren mehr als Dreiviertel aller Pollenallergiker auf Ambrosia und mehr als ein Viertel der gesunden Bevölkerung ist sensibilisiert. Obwohl der Korbblütler erst damit beginnt, Deutschland zu erobern, können auch in der Bundesrepublik bei bis zu 26 Prozent der Menschen Immunantworten auf Ambrosiapollen nachgewiesen werden. Angenommen wird, dass dabei vor allem bestehende Kreuzallergien zu anderen Allergenen eine Rolle spielen. So können IgE-Antikörper, die sich gegen Proteine der Banane oder der Melone richten, auch die Allergene der Ambrosia erkennen. Besonders aber sind Allergiker betroffen, die bereits auf die Pollen des heimischen Gemeinen Beifuß (Artemisia vulgaris) reagieren.

 

»Dort, wo Ambrosia häufig wird, nehmen Sensibilisierung und Erkrankungen zu«, sagte Nawrath. So kann man beispielsweise die Auswirkungen in Frankreich in den Rhône-Alpès-Distrikten an den Verkaufszahlen für Antihistaminika deutlich ablesen. Wie in Deutschland gibt es dort mit der Pollenfreisetzung im Frühjahr und Frühsommer einen deutlichen Kostenanstieg bei den Krankenkassen. Danach gehen die Allergie-Schübe und damit der Antihistaminika-Verbrauch von Juni bis August wieder zurück. Doch mit Beginn der Ambrosia-Blüte im August kommt es in den betroffenen Regionen erneut zu einem starken Anstieg des Arzneimittelbedarfs.

 

Lange Blütezeit

 

Da die Hauptblüte der Ambrosie von August bis Oktober/November reicht, wird sich auch in Deutschland die übliche Pollensaison um zwei bis drei Monate verlängern, wenn es nicht gelingt, die Pflanze wirksam zu bekämpfen. Mit dem Klimawandel könnte es sogar noch schlimmer kommen. Bereits im überdurchschnittlich warmen Jahr 2006 hat man bis in den Januar 2007 hinein noch blühende Pflanzen gefunden.

 

Aber auch bei den einheimischen Arten verlängern sich in milden Jahren die Pollenflugzeiten. So beginnen Hasel und Erle dann nicht erst im Januar oder Februar, sondern schon im Dezember mit ihrer Blüte. Gleichzeitig verlängern sich die Blütezeiten und auch die Pollenmengen nehmen zu. So könnte es dazu kommen, dass Allergiker das ganze Jahr über nicht zur Ruhe kommen und auch stärker betroffen sein werden als bisher.

 

Umso wichtiger ist es, die Ambrosia-Pflanzen zu erkennen und jede einzelne von ihnen mit den Wurzeln auszureißen. Ausgewachsene Exemplare erreichen eine Höhe von 20 bis 200 cm. Bevorzugt werden offene Flächen, die warm, aber nicht zu trocken sind. So ist Ambrosia häufig an Straßenrändern, auf Industriebrachen und in Neubaugebieten zu finden. Als kleines Pflänzchen kann man sie leicht mit der Studentenblume (Tagetes) verwechseln. Später hat sie durch ihre fiederartigen Blätter große Ähnlichkeit mit dem Gemeinen Beifuß. Erkennen kann man sie jedoch leicht an ihren behaarten Stängeln. Charakteristisch für Ambrosia sind zudem ihre bis zu 15 cm langen unscheinbaren Blütenkerzen.

 

Verunreinigtes Vogelfutter

 

Beim Herausreißen sollten möglichst Handschuhe getragen werden, da eine Kontaktdermatitis möglich ist. Zudem ist es sinnvoll, eine Atemschutzmaske (FFP2) zu tragen, wenn die Ambrosien bereits blühen. Besonders wichtig ist es, fruchtende Pflanzen daran zu hindern, ihre Samen auszustreuen. So können große Exemplare bis zu 62.000 Samen bilden, die bis zu 40 Jahre keimfähig bleiben. Auch kontaminierte Erde sollte daher nicht weiter verbreitet werden. Vorsicht ist zudem bei importiertem Vogelfutter angesagt. Proben aus dem Baumarkt zeigten bis zu 2000 Ambrosia-Samen auf einem Kilogramm Futter. Ambrosia-Abfälle können problemlos mit dem Restmüll entsorgt werden.

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