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Doping

Akne als Marker

12.06.2006  11:42 Uhr

Doping

Akne als Marker

von Conny Becker, Berlin

 

Was in Fitnessstudios offen zugegeben wird, gilt im Fußball zu Recht noch als Tabu und macht nur in Einzelfällen von sich reden: das Doping. Den unerlaubten Muskelaufbau mittels Anabolika können neben Bluttests auch Dermatologen entlarven. Denn eine häufige Nebenwirkung bei Abusern ist die Doping-Akne.

 

Doping beschränkt sich schon lange nicht mehr auf den Profisport, sondern hat auch in deutschen Fitnessstudios seit Jahren Hochkonjunktur. So gaben 1998 in einer Umfrage in 24 norddeutschen Sportstudios 24 Prozent der Männer und 8 Prozent der Frauen an, anabol wirksame Arzneimittel zu sich zu nehmen. »Dabei ist mit einer weit höheren Dunkelziffer zu rechnen«, sagte Professor Dr. Bodo Melnik auf einer Fortbildungsveranstaltung der Bundesärztekammer in Berlin. Denn der Fragebogenrücklauf habe nur etwa 50 Prozent betragen. Zu 94 Prozent habe es sich bei den Anabolika um potenziell hoch lebertoxische Substanzen gehandelt, die zwar in der Mehrzahl auf dem Schwarzmarkt besorgt, zu 14 Prozent aber auch von Ärzten verschrieben wurden, so der Osnabrücker Dermatologe.

 

Noch bedenklichere Ergebnisse brachte eine Anfang dieses Jahres publizierte Studie des Instituts für Sportmedizin der Universität Tübingen zu Tage: In einer Befragung in 113 deutschen Fitnessstudios, bestätigten 13,5 Prozent, schon einmal anabol wirksame Substanzen genommen zu haben. »Erschreckend ist, dass 48,1 Prozent der Abuser durch unser Gesundheitssystem mit diesen Substanzen versorgt werden«, so Melnik. Das Doping würde durch die »ärztliche Duldung« geradezu legalisiert, zumal 32 Prozent der Konsumenten angaben, von einem Mediziner betreut zu werden. Daneben hat ein Drittel der Konsumenten, die mit Hilfe von Heilberuflern an Anabolika gelangten, diese in der Apotheke ohne Verschreibung erhalten. Nur etwa die Hälfte der anabol-androgenen Steroide werden demnach auf dem Schwarzmarkt beschafft, der Melnik zufolge vor allem aus der Ukraine oder Rumänien gespeist wird. Aber auch in spanischen Apotheken oder thailändischen Supermärkten deckten sich viele Konsumenten mit den Muskelaufbaupräparaten ein. Die nötigen »Dosierungshinweise für Einsteiger und Fortgeschrittene« finden Doping-Willige dann auf entsprechenden Internetseiten, wobei physiologische Substitutionsdosen laut Melnik meist um das Zehnfache überschritten werden. Hier gibt es auch Tipps für so genannte »Kuren« aus im Mittel drei Substanzen für etwa fünf bis zehn Wochen.

 

Indikator im Gesicht

 

Was dort naturgemäß weniger angepriesen wird, sind die Nebenwirkungen der begehrten anabol-androgenen Steroide wie Testosteron, Nandrolondecanoat, Methandienon oder Stanozolol. Sie werden den Konsumenten gratis mitgeliefert und können den Traum vom perfekten Körper zunichte machen. Denn Abuser klagen nach psychischen Veränderungen wie Aggressivität und Depression am häufigsten über eine Akne, wie eine Analyse der schwedischen Anti-Doping-Hotline ergab. Von den sichtbaren, körperlichen Veränderungen lag die Akne damit noch vor der Gynäkomastie auf Platz eins der TOP-10-Nebenwirkungen. Sie könne damit als Indikator eines Medikamentenmissbrauchs dienen, sagte Melnik.

 

Dass sich eine Akne bei Anabolikamissbrauch ausbildet, ist nicht weiter verwunderlich, geht doch die pubertäre Akne auch auf einen erhöhten Androgenspiegel zurück. Und so führen die Steroide nicht nur zur Hyperthrophie des Muskelgewebes, sondern auch der Talgdrüsen. Dies ist verbunden mit einer erhöhten Sebumproduktion und einer follikulären Hyperkeratose, sodass sich schließlich das Aknebakterium Propionibacterium acnes in den Talgdrüsenfollikeln ansiedelt und die Entzündungsreaktionen hervorruft.

Verbotene Substanzen

Jederzeit verboten sind:

anabole Steroide,

Hormone und verwandte Substanzen,

β2-Agonisten,

Wirkstoffe mit antiestrogener Wirkung,
Diuretika und andere maskierende Wirkstoffe.

 

Zusätzlich bei Wettbewerben verboten sind:

Stimulantien

Narkotika

Cannabinoide

Glucocorticoide

 

Zu beachten sind die Sonder- und Ausnahmeregelungen für die einzelnen Substanzgruppen (Quelle: WADA).

 

»Bei rund 50 Prozent der Abuser tritt eine Akne auf«, sagte Melnik. Dabei hänge das Ausmaß der Nebenwirkung auch von der Bindungsaktivität der anabolen Substanz am Androgenrezeptor der Sebozyten ab. Als stark wirksame Androgene gelten dem Mediziner zufolge etwa 19-Nortestosteron und Metenolon, eine niedrigere Bindungsaffinität wiesen Stanozol oder Fluoxymesteron auf. Ebenso wie Testosteron können zudem auch Anabolika über die 5-6#945;-Reduktase zu einem stärker wirksamen Metaboliten verstoffwechselt werden.

 

Je nach Prädisposition kann der Konsum von Anabolika zu verschiedenen Talgdrüsenerkrankungen führen. So kann eine Seborrhö auftreten oder zunehmen, sich eine Acne vulgaris entwickeln und eine leichte Akneform sich zu einer schweren verschlimmern, bis hin zur Acne papulopustulosa, Acne conglobata oder Acne fulminans. Möglich ist Melnik zufolge auch, dass sich eine anabolikainduzierte Akne mit der gleichzeitigen Gabe hochdosierter Vitamin-B1-, -B6- oder -B12-Präparate weiter verschlechtert. Begleitet wird diese häufig von anderen Nebenwirkungen des Dopings wie psychischen Veränderungen, Gynäkomastie, Hautdehnungsstreifen, Potenzproblemen und vermindertem Hodenvolumen. Ein Verdacht kann schließlich über den Nachweis der Anabolika und ihrer Metabolite in Urin- oder auch in Haarproben bestätigt werden.

 

Die Therapie der Doping-Akne besteht in erster Linie im Absetzen des anabol-androgenen Steroids. Daneben gelten die Therapierichtlinien für die einzelnen Aknearten, sagte Melnik. So werde etwa bei den schweren Akneformen Acne conglobata und fulminans auch systemisch Isotretinoin gegeben. Dies sollte allerdings erst einige Zeit nach Absetzen der Anabolika erfolgen, da auch Retinoide die Leber schädigen können, betonte der Mediziner. Frauen könnten ferner Antiandrogene helfen. Lokal kommen komedolytisch wirkende Präparate mit Retinoiden oder Azelainsäure zum Einsatz, Benzoylperoxid oder Erythromycin wirken zudem antimikrobiell. Neben der Aknebehandlung müssten Betroffene aber auch psychologisch betreut werden, zumal viele gleichzeitig andere Drogen konsumieren. Ferner sollten Mediziner Leber- und Blutfettwerte überprüfen und die Patienten über mögliche kardiale Langzeitnebenwirkungen aufklären. Denn unter massivem Anabolikakonsum kann eine konzentrische linksventrikuläre Hypertrophie auftreten, die auch noch mehrere Jahre nach Dopingende die diastolische Funktion beeinträchtigen kann.

Doping im Fußball

Im Vergleich zu reinen Ausdauersportarten wie Laufen und Radfahren ist im Fußball von Doping eher selten zu hören. Dies könnte aber auch daran liegen, dass noch nicht häufig genug auf die verbotenen Substanzen geprüft wird. So untersuchten das Institut für Biochemie an der Deutschen Sporthochschule in Köln sowie das Institut für Dopinganalytik in Kreischa in der Saison 2004/2005 nur 720 Doping-Proben, schwerpunktmäßig in der Ersten und Zweiten Bundesliga sowie der Regionalliga und der Bundesliga der Frauen. Und dies bei 306 Spielen pro Saison allein in der Ersten Bundesliga. Seit 2000 werden auf Initiative der Anti-Doping-Kommission des Deutschen Sport-Bundes neben Wettkampf- auch Trainingskontrollen vorgenommen. In der Saison 2004/2005 fahndete die Nationale Anti-Dopting-Agentur allerdings nur in 70 Fällen nach Dopingsündern.

 

Fündig werden die Tester im deutschen Fußball selten. Vergangenes Jahr sorgte lediglich der Erfurter Spieler Senad Tiganj für Furore, der verbotenerweise Fenoterol eingenommen hatte. Der α2-Agonist zählt wie etwa Ephedrin zu den Substanzen, die leicht verfügbar sind, und deren Einnahme ein geringes Strafmaß (bei Tiganj eine zehnwöchige Sperre) nach sich zieht. Laut des Kölner Institutsleiters Professor Dr. Wilhelm Schänzer handelt es sich hier zu Lande bei den meisten Verstößen um derartige Fälle, bei denen »keine Absicht zu Manipulation« zu beweisen ist. Weltweit fallen Fußballprofis am häufigsten nach dem Konsum von Stimulantien, Cocain oder Cannabis auf. Von jährlich circa 20.000 Dopingkontrollen sind laut Angaben der FIFA zumeist auf Grund der »Freizeitdrogen« insgesamt 0,4 Prozent positiv. Leistungssteigernde anabole Steroide werden lediglich in 0,07 Prozent der Fälle nachgewiesen.

 

In der derzeitigen Fußballweltmeisterschaft sollen pro Spiel etwa vier, das heißt insgesamt circa 300 Spieler getestet werden, sagte Schänzer gegenüber der PZ. Überwiegend würde in Urinproben nach Doping-Substanzen gesucht. Seit der WM in Japan und Südkorea sind auch Tests auf Erythropoetin oder Darbopetin Usus, wenn auch positive Fälle im Fußball noch nie beobachtet wurden. Generell gab es laut Schänzer in den letzten Weltmeisterschaften keine nachgewiesenen Dopingfälle.

 

Wer im Fußball beim Doping erwischt wird, hat bislang nach Ansicht der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) meist eine zu geringe Strafe erhalten. Während sie in der Regel eine Zwei-Jahres-Sperre fordert, behält sich die FIFA Einzelfallprüfungen vor. Die seit Jahren andauernden Differenzen mit der Wada sind laut FIFA-Präsident Joseph S. Blatter seit vergangener Woche ausgeräumt. Zuvor hatte die Wada mit dem Ausschluss des Fußballs vom olympischen Turnier gedroht, falls die FIFA den World-Anti-Doping-Code nicht akzeptiere.

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