Kühlen Kopf bewahren |
07.06.2016 14:30 Uhr |
Der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof hat vergangene Woche sein Plädoyer in Sachen Wettbewerbszentrale gegen Deutsche Parkinsonvereinigung gehalten. Sein Votum fiel gegen die deutsche Arzneimittelpreisbindung aus. Das war insofern erstaunlich, als er sich damit nicht nur in Widerspruch zum politischen Grundkonsens und der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Deutschland gestellt hat, sondern auch vom Pfad der bisherigen Rechtsprechung des EuGH abgekommen ist. Der Gerichtshof in Luxemburg muss dem Plädoyer mitnichten folgen, und er wird es im Interesse einer geordneten Arzneimittelversorgung hoffentlich auch nicht tun.
Gleichwohl gilt es, das Signal aus Europa sehr ernst zu nehmen. Immer häufiger legen europäische Institutionen an deutsche Normen Hand an – und dies obwohl die EU-Staaten sich bei der Gestaltung ihrer Gesundheitssysteme bewusst nationale Spielräume vorbehalten. Dass Arzneimittel als besondere Güter einer Preisbindung unterliegen, ist in Deutschland gesellschaftlicher Konsens. Die Regelung dient dem Schutz der Patienten vor Übervorteilung in der Notlage und der strukturellen Sicherung einer hochwertigen wohnortnahen Arzneimittelversorgung auf freiberuflicher Grundlage. Unser Land hat sich für diesen Weg entschieden und dabei sollte es bleiben. Drastische Eingriffe Brüssels in die einzelstaatlichen Gesundheitswesen werden den historisch gewachsenen Systemen ohnehin nicht gerecht und fördern im ungünstigen Fall nur antieuropäische Ressentiments.
Bis der EuGH zu einem Spruch kommt, wird es wohl mindestens Herbst werden. Erst dann lässt sich die Situation verlässlich einschätzen. Was bis dahin nicht hilft, sind Dramatisierung und berufspolitischer Aktionismus. Was hilft, sind ein kühler Kopf, nüchternes Abwägen, gute Argumente und das Beharren darauf, dass wir für eine zweifelsohne sehr gute Arzneimittelversorgung in Deutschland auch zukünftig vor allem eines brauchen: ordnungspolitische Planungssicherheit. Die politischen Entscheider in Deutschland wissen darum. Ebenso wissen sie um die Bereitschaft des Berufsstandes, für seine Kernüberzeugungen und damit auch für die Arzneimittelpreisverordnung zu kämpfen, wenn es nötig ist. Ob es überhaupt nötig wird, kann erst die Zukunft weisen.
Friedemann Schmidt
Präsident der ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e. V.