Apotheker in der Nebenrolle |
02.06.2015 09:56 Uhr |
Von Stephanie Schersch / Das Bundeskabinett hat vergangene Woche das E-Health-Gesetz abgesegnet. Von dem darin verankerten Medikationsplan sollen deutlich mehr Menschen profitieren als anfangs geplant. Apotheker werden bei der Erstellung der Listen jedoch allenfalls eine Nebenrolle spielen.
Ab Oktober 2016 sollen all jene Patienten Anspruch auf einen Medikationsplan bekommen, die mindestens drei rezeptpflichtige Arzneimittel gleichzeitig einnehmen. Ursprünglich hatten Union und SPD diese Grenze bei fünf Präparaten gezogen. Im April hatte Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) allerdings bereits angedeutet, diese Vorgabe herabsetzen zu wollen.
Weniger Wechselwirkungen
Aufführen soll der Medikationsplan neben rezeptpflichtigen Präparaten auch die OTC-Medikamente eines Patienten sowie Medizinprodukte, sofern sie für die Medikation von Bedeutung sind. Zunächst erhält der Versicherte die Liste nur in Papierform, mittelfristig soll sie dann auch auf der elektronischen Gesundheitskarte (EGK) hinterlegt werden können. »Wir wollen, dass ein Arzt direkt sehen kann, welche Medikamente sein Patient gerade einnimmt«, sagte Gröhe nach der Abstimmung im Kabinett. Auf diese Weise könnten gefährliche Wechselwirkungen verhindert werden.
Bei so vielen Arzneimitteln kann man schnell den Überblick verlieren. Ein Medikationsplan soll genau das verhindern.
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Auch der Kabinettsentwurf sieht allerdings keine engere Einbindung der Apotheker in die Erstellung und Aktualisierung der Medikationspläne vor. Diese Aufgabe bleibt weitgehend den Ärzten vorbehalten, allen voran den Allgemeinmedizinern. Erfolgt die Behandlung eines Patienten vornehmlich beim Facharzt, kann auch er diese Aufgabe auf Wunsch des Versicherten übernehmen.
Apotheker sollen nur auf die Arzneimittelliste zugreifen können, »soweit Veranlassung dazu besteht«, wie es im Gesetzentwurf heißt. Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) betonte trotz dieser Formulierung, auf den Sachverstand der Apotheker vor allem mit Blick auf die Selbstmedikation des Patienten nicht verzichten zu wollen. Versicherte könnten ihren ausgedruckten Medikationsplan mit in die Apotheke bringen und dort die rezeptfreien Arzneimittel hinzufügen lassen, sagte eine Ministeriumssprecherin.
Anders als die Ärzte sollen Apotheker für diese Leistung allerdings kein Extrahonorar bekommen. Ergänzungen des Medikationsplans durch den Apotheker seien »Teil der Beratung« und würden daher über das Apothekenhonorar bereits abgedeckt, so die Sprecherin.
Zugriff über EGK
Laut BMG sollen die Apotheker stärker in den Medikationsplan eingebunden werden, sobald dieser auch über die elektronische Gesundheitskarte abgerufen werden kann. Einen genauen Zeitpunkt für die Umstellung gibt es allerdings nicht. Sobald die Telematikinfrastruktur aufgebaut sei, könnten Apotheker genauso wie Ärzte Eintragungen in den Medikationsplan vornehmen, hieß es im Ministerium. »Dafür erhalten sie selbstverständlich auch eine Vergütung.«
Mit dem Gesetz will die Koalition das Projekt elektronische Gesundheitskarte voranbringen. Auf ihr soll auch der Medikationsplan hinterlegt werden können.
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Das BMG verwies dabei auf die im Sozialgesetzbuch V verankerten Regeln für die EGK. Demnach können die in der Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte (Gematik) vertretenen Organisationen Vereinbarungen über Finanzierung und Vergütung von Telematikleistungen treffen. Auch die Apotheker zählen zu den Gesellschaftern. Eine Honorierung müssten die in der Gematik organisierten Akteure, insbesondere der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung und der Deutsche Apothekerverband, untereinander verhandeln, erklärte die Ministeriumssprecherin.
Die Apotheker kritisierten den Gesetzentwurf der Bundesregierung scharf. Zwar lobte die ABDA die Einführung eines Medikationsplans grundsätzlich. »Aber eine reine Auflistung von Arzneimitteln ist kaum etwas wert, wenn keine Medikationsanalyse erfolgt«, sagte ABDA-Präsident Friedemann Schmidt. So müssten die Arzneimittel des Patienten systematisch auf Wechselwirkungen und andere Risiken überprüft werden. Mögliche Probleme sollten Arzt und Apotheker dabei stets gemeinsam lösen. Ein verbindliches Verfahren, das auch die Apotheker routinemäßig einbinde, fehle bislang jedoch, kritisierte Schmidt.
Natürlich könne die Medikationsanalyse keine kostenfreie Leistung sein, betonte er. Aus diesem Grund scheue die Politik offenbar den Schritt, sie zusammen mit dem Medikationsplan einzuführen. Damit verfehle die Bundesregierung jedoch ihr Ziel, die Zahl der arzneimittelbedingten Todesfälle und Klinikeinweisungen zu reduzieren, so Schmidt.
Neben der Erstellung von Medikationsplänen schreibt das E-Health-Gesetz klare Fristen mit Blick auf die elektronische Gesundheitskarte vor. Sie kann bislang kaum mehr als der alte Versichertenausweis. Über Anreize und Sanktionen will die Koalition nun Tempo bei der Einführung neuer Funktionen machen.
Ab Juli 2016 soll zunächst das sogenannte Stammdaten-Management flächendeckend eingeführt werden. Arztpraxen sollen dann regelmäßig prüfen, ob die auf der Karte hinterlegten Informationen wie Name und Anschrift des Versicherten noch aktuell sind. Weigern sie sich, diese Aufgabe zu übernehmen, drohen ab Juli 2018 Honorarabschläge.
Darüber hinaus sollen die Notfalldaten des Patienten auf dessen Wunsch ab 2018 auf dem Ausweis gespeichert werden können. Dazu zählen etwa Informationen über Allergien oder Vorerkrankungen des Versicherten. Zuschüsse soll es geben, wenn Mediziner und Kliniken Arzt- beziehungsweise Entlassbriefe elektronisch verschicken, anstatt sie per Post auf den Weg zu bringen.
Zu wenig Datenschutz
Die Opposition warf der Bundesregierung mangelnden Datenschutz vor. »Konkrete Ideen, wie die Patienten die Hoheit über die sie betreffenden Gesundheitsdaten bekommen können, enthält der Gesetzentwurf jedenfalls nicht«, sagte Maria Klein-Schmeink von den Grünen. Linken-Gesundheitsexpertin Kathrin Vogler sieht mit der EGK höchst sensible Versichertendaten in Gefahr. »Dennoch soll sie mit Zuckerbrot und Peitsche durchgedrückt werden.« Jens Spahn (CDU), gesundheitspolitischer Sprecher der Union, hält diese Kritik für überzogen. Ein besserer Austausch der Daten verbessere die Behandlung der Patienten enorm, sagte er. »Zugespitzt: Übertriebener Datenschutz ist nur was für Gesunde.« /
Mit dem E-Health-Gesetz wollen Union und SPD auch für aktuellere Informationen in der Praxissoftware der Ärzte sorgen. Das soll letztlich auch Apotheken vor Retaxationen schützen, wie es im Gesetzentwurf heißt. Bereits heute seien Ärzte zu einer wirtschaftlichen Verordnungsweise verpflichtet und müssten daher auf aktuelle Preis- und Produktinformationen zugreifen können. »Dies ist aufgrund der derzeitigen Aktualisierungszeiträume in der Praxis nicht hinreichend gegeben.«
Laut Gesetzentwurf soll die Arztsoftware künftig alle Informationen auf dem »jeweils aktuellen Stand« ausweisen. Die Verwendung aktueller Programme unterstütze Ärzte auch bei ihrer Pflicht, Patienten etwa auf mögliche Zuzahlungen bei Arzneimitteln hinzuweisen. Darüber hinaus seien sie auf diese Weise besser über bestehende Rabattverträge informiert.
Die Software der Apotheken sei bereits heute auf dem jeweils aktuellen Stand, heißt es. Tatsächlich wird die EDV dort alle zwei Wochen aktualisiert. Ärzte arbeiten hingegen teilweise mit veralteten Informationen. Das sorgt nicht selten für Probleme in der Apotheke und kann Retaxierungen durch Krankenkassen nach sich ziehen. Die geplante Neuregelung »trägt somit auch dazu bei, die unnötige Retaxation von Apotheken zu vermeiden«, argumentiert die Bundesregierung.