Pharmazeutische Zeitung online
Refluxkrankheit

Säureattacke auf die Speiseröhre

04.06.2012  14:09 Uhr

Von Ulrike Viegener / An der gastroösophagealen Refluxkrankheit leidet in westlichen Industrienationen mindestens jeder Zehnte, Tendenz steigend. In der Mehrzahl der Fälle ist die Prognose gut, aber es kann auch zu Komplikationen an der Speiseröhre sowie am Bronchialtrakt kommen.

Die gastroösophageale Refluxkrankheit – kurz GERD genannt – ist gekennzeichnet durch den Rückfluss von Nahrung aus dem Magen in die Speiseröhre. Ursache ist eine Schwäche des unteren Schließmuskels der Speiseröhre (Ösophagussphinkter). Warum der Schließmuskel nicht richtig funktioniert, ist nicht abschließend geklärt. Sicher ist, dass stärkeres Übergewicht das Risiko für eine Refluxkrankheit erhöht, und auch Schwangere sind in den letzten Wochen der Schwangerschaft besonders gefährdet.

 

Bei den meisten Patienten mit Refluxkrankheit besteht ein Zwerchfellbruch (Hiatushernie). Während die Speiseröhre normalerweise oberhalb und der Magen unterhalb des Zwerchfells mit seiner englumigen Durchtrittsöffnung liegt, kann es beim Zwerchfellbruch zu anatomischen Verlagerungen kommen. Andererseits leiden aber nicht alle Menschen mit einer Hiatushernie zwingend an gastosöophagealem Rückfluss, sodass dieser Zusammenhang pathogenetisch noch nicht alles sein kann.

Mögliche Spätfolge Krebs

 

In der Folge einer GERD kann sich die Speiseröhre entzünden. Das muss allerdings nicht passieren: Bei rund 60 Prozent der Patienten liegt eine nicht-erosive Form der Refluxkrankheit vor. Als Folge einer chronischen Ösophagitis kann es zu einem Umbau des Speiseröhrenepithels kommen. Diese Umwandlung des Plattenepithels in Zylinderepithel (Barrett-Ösophagus) führt zu einer inneren Verkürzung der Speiseröhre und ist eine Krebsvorstufe, die in etwa 1 Prozent der Fälle zu einem Adenokarzinom entartet.

 

Weitere Komplikationen der Refluxkrankheit betreffen die Atemwege, weil der Nahrungsbrei vor allem im Liegen in das Bronchialsystem gelangen kann. Husten, Heiserkeit und Halsschmerzen können die Folge sein. Der Kehlkopf kann sich entzünden, und längerfristig besteht sogar die Gefahr, dass sich ein Asthma bronchiale entwickelt. Bei unklarem chronischem Husten – der nicht von typischen Refluxbeschwerden begleitet sein muss – sollte man deshalb immer auch an GERD denken.

 

Die typischen Refluxsymptome sind Sodbrennen und retrosternale Schmerzen. Die Beschwerden sind beim Bücken und im Liegen besonders ausgeprägt. Schlafstörungen infolge nächtlichen Refluxes sind keine Seltenheit. Auch Schluckbeschwerden können auftreten, die in aller Regel auf einen entzündlichen Prozess hinweisen.

 

Das Ausmaß der Beschwerden korreliert nicht mit dem Schleimhautbefund. Das heißt: Schwere Mukosaschäden machen eventuell wenig Beschwerden, andererseits können schwere Refluxbeschwerden auch bei unauffälligem Mukosabefund auftreten. Per Endoskopie kann der Arzt feststellen, ob beziehungsweise inwieweit die Schleimhaut Schaden genommen hat.

 

Säurelocker meiden

 

In gewissem Umfang ist die Speiseröhre in der Lage, sich durch peristaltische Bewegungen selbst zu reinigen. Deshalb sollten Refluxpatienten alles meiden, was die Clearancefunktion des Ösophagus stören kann. Dasselbe gilt für Faktoren, die den Tonus des Ösophagussphinkters herabsetzen beziehungsweise die Produktion von Magensäure anregen. Ungünstig sind insbesondere in Fett gebratene Speisen, fetthaltige Nahrungsmittel, Schokolade und andere Süßigkeiten, scharfe Gewürze wie Pfefferminze, Zitrusfrüchte und Tomaten, Kohlensäure, Kaffee und Alkohol sowie Nicotin.

Tipps für das Beratungsgespräch

Häufige kleine Mahlzeiten sind besser verträglich als wenige große.

Bestimmte Nahrungsmittel können die Beschwerden bessern. Gute Säurebinder sind gekochte Kartoffeln, wobei das Trinken des Abkochwassers besonders wirksam ist, sowie mit Wasser aufgekochte Haferflocken.

Keine Kleidung tragen, die Brust und Bauch einengt.

Die letzte Nahrungsaufnahme sollte mindestens zwei Stunden vor der Nachtruhe erfolgen.

Nächtliche Refluxbeschwerden lassen häufig sich durch Höherlagern des Oberkörpers um rund 10 Zentimeter reduzieren.

Zum Bücken in die Hocke gehen, nicht den Oberkörper hinunter­beugen.

 

Die Änderung der Lebensgewohnheiten, vor allem der Abbau von Übergewicht, ist die Basisintervention bei gastroösophagealer Refluxkrankheit. Die Auswahl der medikamentösen Therapie sollte sich nach dem Schleimhautbefund richten. Sind entzündliche Läsionen vorhanden, muss das Therapieziel sein, diese zur Abheilung zu bringen. Hierfür gelten heute Protonenpumpenhemmer als Medikamente der Wahl, da sich mit diesen Säureblockern die Abheilungsraten optimieren lassen. Um die Erosionen in Remission zu halten, kann eine langfristige Therapie erforderlich sein.

 

Antacida besser als PPI

 

Protonenpumpenhemmer (PPI) sind inzwischen frei verkäuflich und werden heute auch zur Selbsttherapie von Sodbrennen abgegeben. Die Anwendung dieser hoch wirksamen Medikamente ist damit nicht mehr zu kontrollieren, was kritisch zu bewerten ist. Zwar ist die Säure maßgeblich für die klassischen Refluxbeschwerden, eine Überproduktion von Magensäure liegt aber in der Regel bei diesem Krankheitsbild nicht vor.

 

Wird die Magensäure durch unkon­trolliert längere Einnahme von Protonenpumpenhemmern radikal geblockt, ist das nachweislich mit Risiken wie Störungen der Infektabwehr und des Knochenstoffwechsels verbunden. Zur Therapie der unkomplizierten, nicht erosiven Refluxkrankheit sind säurebindende Medikamente wie Antacida besser geeignet. / 

Mehr von Avoxa