Das gehört in die Reiseapotheke |
31.05.2017 09:31 Uhr |
Durchfall ist bei Fernreisen eine der häufigsten Krankheiten, von der etwa jeder dritte Reisende betroffen ist. Welche Präparate man dabei haben sollte, um sich unterwegs sicher und evidenzbasiert behandeln zu können, führte Professor Dr. Thomas Weinke vom Klinikum Ernst von Bergmann in Potsdam aus.
Die häufigsten Auslöser von Reisediarrhö sind enterotoxische Escherichia coli, Noroviren und Clostridium difficile. Mit einer gastrointestinalen Infektion mit diesen Erregern haben die meisten Menschen schon einmal zu kämpfen gehabt. Da sich in einigen Regionen der Welt die Hygienestandards deutlich verbessert hätten, habe das Problem der Reisediarrhö in den vergangenen Jahren aber tendenziell abgenommen, berichtete Weinke.
Durchfall auf Reisen kann einem an sich schon die Stimmung vermiesen. Noch schlimmer wird es, wenn bei Bedarf keine Toilette in Laufnähe ist.
Foto: Shutterstock/Wendy Kaveney Photography
Was können Apotheker ihren Patienten zur Selbstmedikation raten, sollten sie auf Reisen an Durchfall erkranken? »Eine ganz klare Empfehlung gibt es für eine orale Rehydratation mit Elektrolyt-Glucoselösungen, auch wenn sie den Krankheitsverlauf nicht verändert«, sagte der Gastroenterologe. Die Rehydratation verhindert, dass Patienten in einen kritischen Zustand geraten. Bei unkomplizierten Verläufen könne auch ein Motilitätshemmer wie Loperamid eingenommen werden. Bei schweren Erkrankungen ist die Einnahme nicht zu empfehlen, da sich hierdurch das Pathogen länger im Gastrointestinaltrakt befindet als ohne Therapie.
Keine Evidenz für Probiotika
Spasmolytisch und analgetisch wirksame Substanzen wie Paracetamol oder Metamizol können laut Weinke eingesetzt werden, nicht steroidale Antirheumatika dagegen nicht. Der Enkephalinasehemmer Racecadotril ist ebenfalls eine Option. Die Substanz beziehungsweise ihr Metabolit Thiorphan vermindern die intestinale Sekretion und wirken antidiarrhoisch durch Hemmung der neutralen Endopeptidase – auch bekannt als Enkephalinase.
Keine Evidenz gibt es dagegen für die supportive Therapie mit Tannin, Kaolin, Pektin und medizinischer Kohle. »Sie sollten daher nicht eingesetzt werden«, betonte Weinke. Auch für Probiotika sei die Datenlage so dünn, dass keine Empfehlung gegeben werden kann. Patienten, die sich dringend ein Probiotikum zur Prophylaxe wünschten, brauche man es aber nicht vorenthalten. Zur Selbsttherapie von schweren gastrointestinalen Infektionen auf Reisen kann auch eine möglichst kurze Antibiotika-Einnahme versucht werden, wobei die Substanzen Azithromycin, Ciprofloxacin und Rifaximin zu bevorzugen sind. »Jeder Antibiotikaeinsatz ist aber kritisch zu sehen«, sagte Weinke. Denn die Therapie verkürze die Erkrankung um maximal einen Tag, fördere jedoch nachweislich das Einschleppen resistenter Erreger.
So zeigte eine finnische Arbeitsgruppe 2016, dass etwa 21 Prozent der Fernreisenden nach der Rückkehr mit Extended-Spectrum-β-Lactamase (ESBL)-bildenden Bakterien besiedelt war. Diese Erreger sind gegen die Mehrzahl der verfügbaren Antibiotika resistent. Das Risiko, von ESBL-bildenden Bakterien kolonisiert zu sein, stieg durch den Einsatz von Antibiotika auf 40 Prozent und durch die Kombination aus einem Antibiotikum und Loperamid auf 71 Prozent an, berichtete Weinke (»Emerging Infectious Diseases«, DOI: 10.3201/eid2201.151272). Der Einsatz von Loperamid allein erhöhte das Risiko dagegen nicht.
Wann zum Arzt
In der Regel ist eine Reisediarrhö harmlos und selbstlimitierend. Ein Arztbesuch ist allerdings angezeigt, wenn der Durchfall länger als drei Tage anhält, blutige Stühle auftreten oder weitere Symptome wie Fieber, Kreislaufschwäche und Apathie zu beobachten sind. Besonders Kinder und ältere Personen, die Schwierigkeiten bei der Flüssigkeitsaufnahme haben, sollten dringend zum Arzt.