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Gentest an Embryonen

Expertenrunde im Gesundheitsausschuss

30.05.2011  18:30 Uhr

Von Stephanie Schersch, Berlin / In der Frage der Präimplantations­diagnostik ist der Bundestag tief gespalten. Drei Gesetzentwürfe liegen vor, die Abgeordneten entscheiden noch im Juni ohne Fraktionszwang. Der Gesundheitsausschuss hat in der vergangenen Woche Experten zum Thema befragt.

So voll sind die Ränge im Gesundheitsausschuss des Bundestages nur selten. Die Präimplantationsdiagnostik (PID) ist ein heikles Thema, am vergangenen Mittwoch setze sie sogar das sonst so strikte Reglement bei öffentlichen Anhörungen ein Stück weit außer Kraft. Anders als üblich war die Veranstaltung zeitlich nicht begrenzt, die Abgeordneten sollten ihre Fragen uneingeschränkt an die geladenen Experten stellen können.

Bei der PID werden Embryonen im Reagenz­glas auf Erbkrankheiten untersucht. Das Ziel dieser Methode ist, nur gesunde Embryonen auswählen zu können und diese dann in den Mutterleib einzupflanzen. Bis vor Kurzem galten solche Gentests am Embryonen in Deutschland für unzulässig. Nach einem Urteil des Bundes­gerichtshofs (BGH) muss der Bundestag die PID nun aber neu regeln. Im Juli 2010 hatte das Gericht entschieden, dass sich aus dem Embryonenschutzgesetz kein grundsätzliches Verbot der Präimplan­ta­tions­diagnostik ableiten lässt und den Ge­setz­geber zu einer Klarstellung aufgefordert. Wie bei ethisch umstrittenen Fragen üblich, stimmt der Bundestag dabei ohne Frak­tions­zwang ab.

 

Drei Gesetzentwürfe liegen vor

 

Drei Gruppen von Abgeordneten haben Gesetzentwürfe vorgelegt. Eine von ihnen fordert ein striktes Verbot der PID. Der zweite Entwurf will ein Verbot mit wenigen Ausnahmen. In Fällen, in denen das Risiko einer Tot- oder Fehlgeburt genetisch bedingt sehr hoch ist, soll PID möglich sein. Die dritte Gruppe schließlich fordert, die PID auch dann zuzulassen, wenn es bei den Eltern die Veranlagung für andere schwerwiegende Erbkrankheiten gibt.

 

Die Medizinethikerin Professor Dr. Bettina Schöne-Seifert befürwortet diesen letzen Gesetzentwurf, der die PID als einziger Vorschlag nicht grundsätzlich ablehnt. Paare, die PID in Anspruch nähmen, wollten sich und ihrer Familie Belastungen ersparen und seien keinesfalls auf Designerbabys aus. »Für diese Menschen ist die PID ein Segen«, sagte sie. Dass Behinderte mit der Zulassung der Präimplantationsdiagnostik diskriminiert werden, glaubt Schöne-Seifert nicht. Auch die Pränataldiagnostik, die ebenfalls darauf abziele, ein gesundes Kind zur Welt zu bringen, habe die Integration behinderter Menschen in den vergangenen Jahren schließlich nicht beeinträchtigt.

 

Behinderte fühlen sich ausgeschlossen

 

Dr. Peter Radtke sieht das anders. Er ist Mitglied im Deutschen Ethikrat und leidet unter der Glasknochenkrankheit. »Ich habe mich in der Gesellschaft selten so ausgeschlossen gefühlt, wie in der Diskussion um die PID«, sagte Radtke. Wenn sein Leben allein der Tatsache geschuldet sei, dass es zum Zeitpunkt seiner Geburt keine PID gab, sei das diskriminierend. Neben Deutschland sind Gentets an Embryonen auch in Österreich untersagt. Beide Länder hätten eine besondere Vergangenheit, sagte Radtke mit Blick auf den Nationalsozialismus. »Die Sensibilisierung für das Thema Selektion ist hier glücklicherweise weiter vorangeschritten als anderswo.«

 

Auch der ehemalige Ratvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Professor Dr. Wolfgang Huber, lehnt Präimplantationsdiagnostik ab. Menschliches Leben aufgrund unerwünschter Eigenschaften zu verwerfen sei unethisch, so Huber im Bundestag. Die Humangenetikerin Dr. Sigrid Graumann von der Universität Oldenburg sagte, eine politische Entscheidung für ein Verfahren, dessen explizites Ziel es ist, die Existenz von kranken und behinderten Kindern zu vermeiden, dürfe es nicht geben.

 

Graumann will die PID auf solche Fälle begrenzen, in denen die Wahrscheinlichkeit für eine Tot- oder Fehlgeburt sehr hoch ist. Sie kritisierte, dass bei dem Verfahren überschüssige Embryonen entstehen für deren Verwendung es bislang »keine einfachen, ethisch und gesellschaftlich zufriedenstellenden Lösungen« gibt. Daher müsse man die PID so weit wie möglich beschränken.

 

In vielen Ländern ist die Präimplantationsdiagnostik schon lange erlaubt, so etwa in Großbritannien. Dort würden pro Jahr gerade einmal 200 PID-Untersuchungen stattfinden, sagte der Gynäkologe Professor Dr. Klaus Diedrich von der Universität Lübeck. »Ein Dammbruch hat also nicht stattgefunden.« Gentests an Embryonen würden auch niemals zum Standardverfahren werden, so Diedrich. »Dafür ist die Methode einfach viel zu mühsam.« / 

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