Keine Werbung für Versender |
23.05.2007 14:47 Uhr |
Keine Werbung für Versender
Von Daniel Rücker
Die AOK hat es zurzeit nicht leicht. Der Ärger um die Rabattverträge mit Generikaherstellern ist nur eine Baustelle der Kasse. Auch merkwürdige Angebote an Versicherte und die Werbung für Versandapotheken bringen die Kasse in die Kritik.
Nicht selten gelten Krankenkassen als ein wenig behäbig und bürokratisch. Wenn es um die Werbung für Internet-Apotheken geht, dann entfalten viele Kassenmitarbeiter eine erstaunliche Kreativität: Mailings, Telefonaktionen, Werbebeiträge in der eigenen Zeitschrift sind da an der Tagesordnung. Mit ermäßigter Zuzahlung und günstigen OTC-Angeboten werden die Versicherten zu DocMorris, Sanicare oder Mycare getrieben.
Die AOK Hessen war auf diesem Gebiet besonders aktiv. Der Hessische Apothekerverband (HAV) hatte dagegen geklagt, und jetzt in letzter Instanz vom Landessozialgericht in Darmstadt Recht bekommen: Die Werbung für einzelne Apotheken verstößt gegen den von Kassen und Apothekerverbänden geschlossenen Liefervertrag. Vor allem die Telefonaktionen der AOK dienten keinesfalls der Information, sondern seien eine gezielte Beeinflussung zugunsten bestimmter Apotheken.
Das Urteil dürfte für die meisten Apotheker eine Befriedigung sein. Zu oft hatten Krankenkassen ohne erkennbaren Grund für ausländische Versender geworben. Dass sie damit die flächendeckende Arzneimittelversorgung gefährden, interessierte sie offenkundig wenig.
Welche Konsequenzen das Urteil haben wird, ist noch nicht ganz klar. Das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz hat den Kassen mehr Möglichkeiten bei der Information ihrer Versicherten gegeben. Auf der anderen Seite hat sich das Darmstädter Gericht in seiner Begründung in erster Linie auf den Arzneimittelliefervertrag bezogen. Dieser bleibt vom GKV-WSG unberührt. Der HAV-Vorsitzende Dr. Peter Homann ist mit dem Urteil jedenfalls zufrieden: »Das Landgericht hat unsere Rechtsauffassung auf der ganzen Linie bestätigt. Das Verhalten der AOK war eindeutig rechtswidrig.«
Geltendes Recht umgesetzt
Erfreut zeigten sich auch die Hamburger Apotheker. Kammerpräsident Rainer Töbing kommentierte das Urteil: »Diese Art der Werbung ist nun endlich untersagt.«Die Richter hätten geltendes Recht konsequent angewendet. Werbeaktionen der Krankenkassen für ausgewählte Apotheken stellten einen Verstoß gegen den Arzneimittelliefervertrag dar. Verbandsvorsitzender Dr. Jörn Graue, Vorsitzender des Hamburger Apothekervereins, ergänzte: »Arzneimittellieferverträge werden zwischen den Apothekerverbänden und den Krankenkassen abgeschlossen, um die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln durch die Apotheken zu gewährleisten.« Vor einigen Monaten hatte der Hamburger Verband in einem vergleichbaren Verfahren eine einstweilige Anordnung gegen die City-BKK erwirkt.
Die AOK Hessen hat zurzeit nicht nur wegen ihrer umstrittenen Versandwerbung Ärger. Auch wegen der Prämien für Ärzte bei der Umstellung von AOK-Patienten auf Präparate aus dem Rabattvertrag, hat sie sich Feinde gemacht. Die Kasse will den Ärzten dafür eine als Beratungspauschale bezeichnete Prämie von 20 Euro bezahlen. In einem gemeinsamen Schreiben haben die KV Hessen und die AOK den Kassenärzten im Land diesen Vorschlag unterbreitet. Danach erhalten die Ärzte zu Beginn 10 Euro für die Umstellung und für die folgenden vier Quartale jeweils 2,50 Euro.
Prämien für die Verordnung bestimmter Medikamente sind bei Ärzten nicht unumstritten. Die Hessische Landesärztekammer prüft deshalb nach eigenen Angaben, ob diese Vereinbarung mit dem ärztlichen Berufsrecht zu vereinbaren ist. Danach ist es dem Arzt verboten, für die Verordnung eine Vergütung oder andere Vorteile anzunehmen. Die Patienten müssten auf die ärztliche Unabhängigkeit vertrauen können. Ökonomische Verantwortung müsse der Arzt übernehmen, die Verträge dürften seine Verordnungsfreiheit aber nicht einschränken, sagte eine Sprecherin.
Heftige Kritik an der Vereinbarung zwischen KV und AOK übte der Verband »Freie Ärzteschaft (FÄ)«. Die Beratungspauschale sei in Wirklichkeit »aktive Bestechung«, sagte FÄ-Präsident Martin Grauduszus. Dasselbe Angebot von einer Pharmafirma würde für den Arzt ein Verfahren wegen Korruption bedeuten. Nach Angaben der FÄ hat die KV zudem Kassenärzten die Namen der Patienten mitgeteilt, die auf preiswerte Medikamente umgestellt werden sollen. Für Grauduszus ist dies ein indiskutables Vorgehen: »Die Kassen kennen in ihrer Sparwut offensichtlich keine vernünftige Grenze mehr.«
Kritik fing sich auch die AOK Baden-Württemberg ein. Die ZDF-Sendung »Frontal 21« hatte aufgedeckt, dass die Kasse mit Fitnessstudios, Hamburger-Bratereien, Solarien und Eisdielen Preisnachlässe oder Gratisangebote für Inhaber der AOK-plus-Karte vereinbart hatte. Der Verband der Krankenversicherten reagierte darauf besonders heftig. Bis hin zum Kassenwechsel gingen die Empfehlungen des Verbandspräsidenten Heinz Windisch. Das Bonussystem müsse unverzüglich eingestellt werden. Die baden-württembergische Gesundheitsministerin Monika Stolz bezeichnete die Angebote für AOK-plus-Kartenbesitzer als »unglücklich«. Immerhin reagierte die Kasse und strich die umstrittenen Boni und Vergünstigungen wieder.