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Rabattverträge

Patienten fühlen sich schlecht versorgt

21.05.2007  11:16 Uhr

Rabattverträge

Patienten fühlen sich schlecht versorgt

Von Daniel Rücker, Frankfurt am Main

 

DocMorris hat die Rabattverträge etwas aus der Schusslinie genommen. Dabei hat sich die Situation bei Weitem noch nicht entspannt. Jetzt begehrt ein Patientenverband auf.

 

Die Beschwichtigungsversuche der AOK haben wenig genutzt. Der Ärger über die Rabattverträge allgemein und den der Ortskrankenkassen im Speziellen ist bei den Patienten angekommen. Viele erhalten in der Apotheke nicht die gewohnten Arzneimittel, manche verlassen sogar ganz ohne Medikament die Apotheken. Für den Pressesprecher der Deutschen Gesellschaft für Versicherte und Patienten (DGVP), Manfred Pfeiffer, ist dies ein unhaltbarer Zustand: »Hier wird mit der Gesundheit von chronisch Kranken gespielt. Wenn diese ihre Therapie nicht erhalten, kann das im schlimmsten Fall mit dem Tod enden«, sagte er in Frankfurt am Main.

 

Pfeiffer berichtete von zahlreichen Anrufen Hilfesuchender, sie sich an die DGVP wendeten. Aus seiner Sicht ist das ein Alarmsignal: »Patienten melden sich immer erst, wenn es wirklich brennt.« Es sei kranken Menschen nicht zuzumuten, auf der Suche nach dem richtigen Arzneimittel von Apotheke zu Apotheke zu laufen. Vor allem auf dem Land müssten Patienten oft unvertretbar weite Wege zurücklegen, bis sie endlich eine Apotheke finden, die das verordnete Medikament auf Lager hat.

 

Pfeiffer warf der AOK vor, mit zu kleinen Herstellern Verträge geschlossen zu haben. Diese seien nicht in der Lage, alle AOK-Versicherten angemessen zu versorgen. Das Resultat seien Lieferverzögerungen um bis zu drei Wochen. Damit müssten die Patienten oft auf ihnen unbekannte Medikamente wechseln, mit den bekannten Compliance-Problemen.

 

Aus Sicht der Apotheker bestätigte Marc Schrott, Inhaber der Hirsch-Apotheke in Frankfurt am Main, die Probleme mit dem AOK-Rabattvertrag. Die Situation habe sich zwar in den vergangenen Tagen ein wenig entspannt, dennoch gebe es weiterhin massive Lieferschwierigkeiten einiger AOK-Vertragspartner. Es komme immer noch vor, dass Kunden ohne Medikament weggeschickt werden müssten.

 

Zumindest für die Akutversorgung fordert Schrott ein schnelles Umdenken. Hier seien Rabattverträge nicht umzusetzen. Selbst wenn die Medikamente beim Großhandel verfügbar wären, müssten sie immer noch in die Apotheke kommen. Angesichts der Fülle der Rabattverträge seien Apotheker nicht in der Lage, sämtliche Medikamente, über die eine Kasse mit einem Hersteller Sonderkonditionen vereinbart habe, vorrätig zu haben. Schrott: »Wir können das Warenlager nicht beliebig aufblähen.« Bei Infektionen oder Schmerzen bestehe bei Rabattarzneimitteln grundsätzlich ein Problem.

 

Ärgerlich sind die Schwierigkeiten bei den Rabattverträgen auch deshalb, weil es eine praktikable Alternative gäbe. Alexandra Franzmann stellte das vom Deutschen Arzneiprüfungsinstitut (DAPI) entwickelte Zielpreismodell vor. Dieses Konzept sieht vor, dass der Arzt den Wirkstoff auswählt und dem Apotheker Aut idem gestattet. Der Apotheker wählt dann ein geeignetes Präparat aus der Aut-idem-Gruppe aus. Gegenüber den Krankenkassen garantieren die Apotheker für jede Gruppe einen bestimmten Durchschnittspreis. Einen ausführlichen Beitrag zum Zielpreismodell finden Sie in PZ 16/2007.

 

Die Vorteile von Zielpreisen gegenüber Rabattverträgen liegen auf der Hand: Da der Apotheker das Präparat auswählt, gibt es keine Lieferprobleme, die Ärzte können die wirtschaftliche Verantwortung für die Präparateauswahl an die Apotheker abgeben und die Krankenkassen erhalten eine garantierte Einsparung, die sich aus der Differenz zwischen dem Durchschnittspreis der Medikamente in der Aut-idem-Gruppe und dem darunter liegenden vereinbarten Zielpreis ergibt. In Rheinland-Pfalz hat der Landesapothekerverband vor wenigen Wochen eine entsprechende Vereinbarung mit den Krankenkassen getroffen und in Schleswig-Holstein wird eine ähnliche Regelung gerade verhandelt.

 

Erstaunlicherweise konnte sich DGVP-Pressesprecher Pfeiffer nicht für das Konzept erwärmen. Für ihn ist es ein Dogma, dass der Arzt die Medikation völlig unbeeinflusst von ökonomischen Zwängen festlegt. Es könne nicht das Ziel ärztlicher Therapie sein, Patienten möglichst preiswert zu versorgen. Wohl auch deshalb blieb Pfeiffer eine konkrete Antwort darauf schuldig, was er den Rabattverträgen entgegensetzen will. Ihm reicht es aus, wenn die Ärzte sich ökonomisch verantwortlich verhalten.

 

Bundestag soll handeln

 

Nach Ansicht des Branchenverbandes Pro Generika müssen nun Bundestag und Bundesregierung handeln. »Wenn der Gesetzgeber will, dass die Arzneimittelversorgung über dezentrale Verhandlungslösungen wie etwa die Rabattverträge zwischen Krankenkassen und Herstellern gemäß § 130 a Absatz 8 SGB V geregelt werden soll, dann muss er dringend den rechtlichen Rahmen dafür schaffen«, verlangte Pro-Generika-Geschäftsführer Hermann Hofmann. Er erneuerte seine Forderung, das Kartell- und Wettbewerbsrecht müsse als Ganzes auch für Krankenkassen gelten. Die Forderung des Bundesrates habe die Bundesregierung ignoriert.

 

Die Entscheidung des Kartellamts, wonach Krankenkassen nach dem Vergaberecht ihre Lieferaufträge grundsätzlich ausschreiben müssen, sei begrüßenswert, reiche aber nicht aus. Pro Generika vertritt auch die Interessen der großen deutschen Generikahersteller, die sich an der ersten AOK-Auschreibung nicht beteiligten.

Kommentar: Realitätsfern

Natürlich wäre es schön, wenn jeder Arzt sich allein an medizinischen Entscheidungen orientiert und jedem Patienten genau das Medikament verordnet, was dieser benötigt. Die Realität sieht aber anders aus. Die Krankenkassen wollen die Arzneimittelausgaben möglichst niedrig halten und die Politik unterstützt sie dabei. Es ist deshalb vollkommen realitätsfern, die Rabattverträge abzulehnen, ohne ein geeignetes Gegenkonzept zu präsentieren. Das DAPI hat dies mit den Zielpreisen getan. Warum die DGVP diese für alle Beteiligten weitaus bessere Lösung ablehnt, bleibt deren Geheimnis. An dem vermeintlichen Verlust der Therapiefreiheit kann es kaum liegen. Zielpreisvereinbarungen erlauben in begründeten Ausnahmen explizit die Abweichung im Preis nach oben. Wenn Arzt und Apotheker frühzeitig miteinander sprechen, können kritische Patienten also durchaus teurere Medikamente bekommen. Und die Forderung, dass der Arzt in jedem Fall das Präparat auswählen soll, entspricht weder dem Bedarf noch dem realen Detailwissen der Mediziner über die Gesamtheit der Generika.

 

Daniel Rücker

Stellvertretender Chefredakteur

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