Gehe-Chef bestätigt Ketten-Plan |
11.05.2007 14:16 Uhr |
Gehe-Chef bestätigt Ketten-Plan
Von Thomas Bellartz
Nur eine jahrelange Kritikerin hat sich bislang auf die Seite der liberalisierungsbemühten Celesio/Gehe geschlagen. Die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, Biggi Bender, forderte bei einer Gehe-Veranstaltung die Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbots und eine weitgehende Liberalisierung des Apothekenmarktes. Gehe-Chef André Blümel bestätigte die Pläne seines Unternehmens.
Die Politikerin war erst im vergangenen Herbst mit einem Antrag ihrer Fraktion auf Einführung des Fremdbesitzes im deutschen Bundestag kläglich gescheitert. Seinerzeit hatten sich alle übrigen Fraktionen vehement für die aktuelle Regelung ausgesprochen. Der Kauf von DocMorris durch Celesio/Gehe und die Strategie des Celesio-Vorstandsvorsitzenden Dr. Fritz Oesterle hinterlassen zwar Eindruck bei manchem Politiker. An der Ablehnung des Fremdbesitzes im politischen Berlin ändert das jedoch nichts.
Grüne unterstützen Gehe
Dass ausgerechnet Bender zur Unterstützerin von Gehe- und Celesio-Plänen mutierte, überraschte sogar die Handvoll Apothekerinnen und Apotheker im Saal, die der Einladung zur beinahe schon traditionsreichen Gehe-Veranstaltung ins Berliner Steigenberger gefolgt waren. In den vergangenen Jahren, insbesondere in der zweiten rot-grünen Legislaturperiode, hatte sich die baden-württembergische Grünen-Spitzenfrau auch von den Gehe-Apothekern immer wieder schärfste Kritik anhören müssen. Dabei lagen die Gäste auf einer Linie mit dem Veranstalter selbst. Doch die Zeiten haben sich geändert, insbesondere seit dem 26. April 2007.
Während Bender beinahe belustigt über die jüngsten Entwicklungen den Apothekern vom Podium herab ins Stammbuch schrieb, es führe kein Weg an der Liberalisierung der Apotheke vorbei, war Gehe-Deutschland-Chef André Blümel eifrig bemüht, mit möglichst diplomatischen Worten die Planungen des Großhändlers zum ausdrücklichen Wohl seiner Kunden auszulegen. Zurzeit gebe es noch keine Berührungspunkte mit der neuen »Schwestergesellschaft DocMorris«, sagte Blümel. Schließlich stehe der Kauf noch unter kartellrechtlichem Vorbehalt. Man habe noch keine Einsicht in die Unterlagen des Internetversenders, hieß es in Berlin. Daran entzündete sich bei nicht wenigen Anwesenden die Frage, ob Celesio allen Ernstes die Katze im Sack gekauft habe. Gehe werde es laut Blümel dort, wo man wenige Kunden habe, »dramatisch leichter fallen«, Lizenzen von DocMorris zu verkaufen.
Damit dürfte der Geschäftsführer auf die aktuelle Lage in den Niederlassungen angespielt haben, denen nach Marktinformationen die Kunden weiter den Rücken kehren. Zwar hielt Blümel an der alten Formulierung seines Konzernchefs Oesterle fest, man werde sich zunächst die Rahmenbedingungen anschauen, wenn der Fremd- und Mehrbesitz zugelassen sei. Dann wurde er allerdings deutlicher. Sollte es die Möglichkeit geben, Apothekenketten zu bilden, dann werde man das tun. Blümel: »Wie viele andere auch.« Wann das existierende Verbot falle, sei in Sachen DocMorris zweitrangig. 500 Anträge auf Markenpartnerschaften lägen vor, das Konzept laufe erfolgreich
Nur wenige der anwesenden Gehe-Kunden wollen aber dem Unternehmen bedingungslos folgen. Als echter Fan entpuppte sich Karl-Rudolf Mattenklotz, ehemals Kammerpräsident in Nordrhein-Westfalen und als eine Art Außenminister der Kooperation Parmapharm unterwegs. Er setzt darauf, dass DocMorris bereits Verträge mit Kassen habe. Die könne nun Celesio beziehungsweise Gehe bedienen. Das biete Chancen, zum Beispiel für Commitment. Mattenklotz hofft, dass Commitment »die Besten mitnimmt«.
In einer parallel zur Veranstaltung verbreiteten Presseerklärung lud Gehe schließlich die Apothekerverbände zum Gespräch. Deren Reaktion auf diese öffentlichkeitswirksame Einladung fiel unmissverständlich und deutlich aus. Denn mit Magdalene Linz hatte die Präsidentin der Bundesapothekerkammer (BAK) ihre Teilnahme an der Veranstaltung kurzfristig abgesagt. Darüber war man bei der Gehe verstimmt. Genau das dürfte auch das Ziel der Absage gewesen sein. Die Presseerklärung des Großhändlers verdeutlicht, dass DocMorris mehr ist als nur eine Schwestergesellschaft unter dem Dach der Celesio. Es gebe viele »durchsichtige Absichten«. Blümel: »Uns kommt es einzig und allein auf unsere Kunden, die Apotheken an.« Ob Blümel mit den durchsichtigen Absichten die Aktivitäten des eigenen Konzerns in Bezug auf die DocMorris-Übernahme und die Aktivitäten in der Politik gemeint hat oder die Reaktionen aus dem Markt, blieb unklar. Man wünsche sich konstruktive Gespräche mit den Apothekerverbänden.
Warnung aus der Industrie
Auch wenn sich die bestehenden Distributionssysteme verändern, so unterstützt der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) die 21.500 Apotheken in ihrer aktuellen Konstellation. BPI-Vorstandschef Dr. Bernd Wegener sagte: »Das machen wir natürlich nicht selbstlos.« Die Partnerschaft mit der Apotheke und auch innerhalb des heutigen Apotheken- und Arzneimittelsystems sei bewährt und anerkannt. Das System funktioniere sehr gut. Das gelte trotz der fortwährenden Eingriffe des Gesetzgebers. Wegener kritisierte offen die Beteiligung des Großhandelsunternehmens Celesio am Unternehmen DocMorris, das eine Apotheke im Saarland betreibe. Damit habe Celesio/Gehe eine Schwelle überschritten.
Deutlich wurde auch die SPD-Gesundheitspolitikerin Marlies Volkmer. Sie erinnerte an die Bundestagsdebatte aus dem Vorjahr. Schon seinerzeit habe sie der Annahme widersprochen, es gebe noch nennenswerte Wirtschaftlichkeitsreserven in der Arzneimittelversorgung. Es komme beim Arzneimittel vor allem auf vernünftige Beratung an. Die Apotheke in ihrer bisherigen Form sei wichtig für die Sicherheit der Arzneimittelberatung. Volkmer: »Patientenberatung muss frei sein von den Interessen mächtiger Kapitalgesellschaften.« Die Dermatologin befürchtet eine vertikale Konzentration bei einem Fall des Fremd- und Mehrbesitzverbots. Deswegen werde die SPD eine solche Regelung keinesfalls vorantreiben. Die Sozialdemokratin fürchtet den direkten Zugang von Konzernen zu Patientendaten und eine Marktkonzentration. Grundsätzlich stehe sie zum Apotheker als Heilberufler.
Für Daniel Bahr ist das Fremd- undMehrbesitzverbot eine Voraussetzung für die heilberufliche Apotheke. Der gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion sieht den Apptheker zwar in einer Zwitterrolle mit heilberuflichen und kaufmännischen Funktionen. Bahr positionierte sich aber klar für die bestehende Apothekenlandschaft und gegen die von Celesio/Gehe angefeuerte Liberalisierungsdebatte. Gleichwohl sei es wichtig, möglichen Veränderungen mit eigenen Planungen zu begegnen. Deswegen seien auch Vorschläge der Apotheker wichtig.
Der Fall DocMorris, jetzt auch Celesio, im Saarland treibt Bahr jedenfalls heute noch die Zornesröte ins Gesicht: »Was Hecken gemacht hat, ist ein politisches Armutszeugnis.« Diejenigen, die ein bestehendes System ändern wollen, müssten zunächst beweisen, dass es besser werde. Bahr: »Was haben wir davon, wenn etwas billiger wird?« Das Fremd- und Mehrbesitzverbot erkläre sich aus der heilberuflichen Komponente. Es dürfe kein Ziel sein, »den Markt so weit zu öffnen, dass einige wenige Oligopole den Markt beherrschen«.
Der gesundheitspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion Die Linke, Frank Spieth, hält eine Liberalisierung des Apothekenmarktes nicht für die Lösung des Problems bei den Arzneimittelkosten. Seiner Fraktion gehe es um eine wohnortnahe Versorgung und eine kompetente Beratung. Bei den Linken befürchtet man, dass mit der Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes nur noch der schnelle Euro zähle und die unabhängige Beratung leide. Gleichwohl bringe das Prinzip Hoffnung nicht weiter, die europäische Herausforderung müsse gemeinsam bewältigt werden. Fraglich sei, ob die Regelung für die Apotheken in der Dienstleistungsrichtline überhaupt zu rechtfertigen sei. Hier gehe es um Gesundheitsschutz.
Jens Spahn, gesundheitspolitischer Sprecher der CDU, griff die Formulierungen von Celesio-Vorstandschef Oesterle auf und meinte, man müsse einer möglichen »Wildwest«-Situation im Markt begegnen. »Die Frage ist, ob die deutsche Apothekerschaft Wildwest spielen möchte«, so Spahn. Er wolle gleich lange Spieße für die Apotheken - und adaptierte den Celesio/Gehe-Vorschlag für ein Lizenzsystem, um die flächendeckende Versorgung sicherzustellen. Allerdings will Spahn nicht, dass sich Hersteller oder Großhändler im Liberalisierungsfall an Apothekenketten beteiligen können. Ein nicht unwesentlicher Wermutstropfen für Unternehmen wie Celesio.