Kritik an Korruption im Pharmasektor |
16.05.2006 18:15 Uhr |
Kritik an Korruption im Pharmasektor
von Patrick Hollstein, Berlin
Im »Jahrbuch Korruption 2006« hat sich Transparency International (TI) schwerpunktmäßig mit dem Gesundheitswesen befasst. Durch Korruption gingen jährlich Milliarden verloren. TI-Gesundheitsexpertin Dr. Gabriele Bojunga machte das System der Berufsorganisationen für die deutschen Missstände mit verantwortlich.
Die ehemalige Präsidentin der Landesapothekerkammer Hessen, die künftig einer speziellen TI-Arbeitsgruppe für das Gesundheitswesen vorsitzen wird, war darum bemüht, am Beispiel ihres eigenen früheren Dachverbandes deutlich zu machen, wie wenig Transparenz bei den Haushalten der Standesorganisationen üblich sei. Nach wie vor weigere sich die ABDA, zwei getrennte Haushalte für Kammer- und Verbandsbereich anzulegen.
Bereits zuvor hatte TI-Vorstandsmitglied Dr. Anke Martiny erklärt, dass der Wildwuchs an Funktionärsherrschaft in der Selbstverwaltung zurückgestutzt werden müsse. Laut Martiny sind insbesondere die Länder gefragt, der »unkontrollierten Wurstelei« ihrer Aufsichtsbehörden mit den Berufsorganisationen durch stärkere Kontrollen und eine konsequentere Strafverfolgung, bis hin zu Berufsverboten, ein Ende zu bereiten.
Bojunga kritisierte dagegen, dass die Aufsichtsbehörden allzu nachlässig gegen korrumpierte Heilberufler vorgingen, während gleichzeitig kleinere Verstöße gegen Betriebsordnungen nachhaltig geahndet würden.
Einfallstore schließen
Neben dem Missbrauch von Ämtern machte TI Abrechnungsbetrug und Einflussnahme der Pharmaindustrie für die Misswirtschaft verantwortlich. Forscher fälschten gegen Bezahlung Studien, Selbsthilfegruppen erhöhten die Nachfrage nach bestimmten Medikamenten, ehemalige Drogendealer handelten mittlerweile im großen Stil mit Versichertenkarten und Medikamenten.
Bojunga wies auf die Manipulation von Computer-Software hin, die spätestens durch die »Ratiopharm-Geschichte« ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gelangt sei. Mittlerweile werden laut Bojunga auch im Apothekenbereich gesponserte Programme angeboten. Zwar will der Verband der Politik keine Rezepte an die Hand geben, wie der Korruption im Detail begegnet werden könne. Vor einer erneuten Finanzierungsreform des Gesundheitswesens sollten jedoch Bojunga zufolge zunächst im bestehenden System die großen Einfallstore für Korruption untersucht werden.
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) wies die Darstellungen als bloße Behauptungen zurück. Das Bundesgesundheitsministerium erklärte, es werde schon an vielen Stellen geprüft und zugefasst. Der Verband forschender Arzneimittelhersteller (VFA) verwies auf seine Freiwillige Selbstkontrolle für Pharmaunternehmen.