Nebenwirkung Leberschäden |
07.05.2014 10:03 Uhr |
Von Maria Pues, Frankfurt am Main / Leberschäden durch Analgetika kommen auf unterschiedlichen Wegen zustande. Nicht nur die üblichen Verdächtigen erhöhen das Risiko dafür.
Paracetamol geht auf die Leber, Diclofenac auf den Magen und Kombinationsanalgetika auf die Nieren. Das ist nicht falsch, aber auch nicht vollständig. Über die Risiken, Mechanismen und Möglichkeiten der Vorbeugung von Leberschäden durch verschiedene Analgetika referierte Professor Dr. Jürgen Borlak auf dem Schmerz- und Palliativkongress in Frankfurt am Main bei einem von Teva unterstützten Symposium.
Arzneimittelinduzierte Leberschäden können demnach auf verschiedenen Mechanismen beruhen. Eine toxische Leberschädigung (intrinsischer Typ, Typ-A-Reaktion) erfolgt dosisabhängig und kommt nur selten vor. Häufiger trete eine idiosynkratische Leberschädigung auf (Typ-B-Reaktion), so der Pharmakologe von der Medizinischen Hochschule Hannover. Sie erfolgt dosisunabhängig; ihr können immunallergische Reaktionen oder metabolische Abnormitäten zugrundeliegen.
Gut bekannt ist die leberzellschädigende Wirkung von Paracetamol. Diese tritt vor allem dann auf, wenn Patienten das Arzneimittel in zu hohen Dosen anwenden. In der Regel beträgt die Einzeldosierung bei peroraler Anwendung 10 bis 15 mg/kg Körpergewicht (KG), die Tagesdosis bis maximal 60 mg/kg KG. Paracetamol wird weitgehend in Form seiner Glucuronid- und Sulfat-Konjugate über den Urin ausgeschieden. Ein toxisches Abbauprodukt, N-Acetyl-p-Benzochinonimid, wird an Glutathion gebunden entgiftet. Sind die Glutathionspeicher erschöpft, kommt es zur Schädigung von Leberzellen. Bei bestimmten Patientengruppen könne es aber bereits in therapeutischen Dosen zu einer hepatotoxischen Reaktion kommen, berichtete Borlak. Dazu gehören Patienten mit einer Herzinsuffizienz durch verminderte Glutathion-Spiegel, Patienten mit Morbus Meulengracht durch eine reduzierte Glucuronidierung und Patienten mit eingeschränkter Leberfunktion oder Unterernährung/langem Fasten, ebenfalls durch reduzierte Glucuronidierung.
Weniger gut bekannt ist das erhöhte Risiko für Leberschäden durch Diclofenac. Borlak zitierte eine Metaanalyse, die eine Inzidenz der Leberschädigung mit der Notwendigkeit einer Krankenhauseinweisung von etwa 3 bis 23 pro 100 000 Patientenjahre zeigte. Eine Analyse von Daten der französischen Vigilanz-Datenbank ergab ein sechs- bis siebenfach höheres Risiko für schwere toxische Hepatitiden, wenn Patienten gleichzeitig zwei oder mehr nicht steroidale Antirheumatika angewendet hatten. Biopsien belegen einen großen Anteil toxischer Leberschäden. In einem Viertel der Fälle beobachtete man aber auch immunallergische Reaktionen. Sie könnten darauf beruhen, dass Diclofenac in der Lage ist, Haptene zu bilden, die eine solche Reaktion hervorrufen können.
Als weiteres Beispiel führte Borlak das zentral wirkende, nicht opioide Analgetikum Flupirtin an. Für Flurpirtin-haltige Arzneimittel wurden aufgrund Bedenken zur Hepatotoxizität im vergangenen Jahr nach einer erneuten Nutzen-Risiko-Bewertung Einschränkungen der Zielgruppe und Behandlungsdauer vorgenommen.
Glutathion im Fokus
Borlak gab eine Inzidenz von unter zehn pro 100 000 Patienten an. Flupirtin wird vorwiegend über Phase-2-Reaktionen metabolisiert; zwei reaktive Zwischenprodukte werden jedoch ebenfalls über das Glutathionsystem entgiftet. Bei bestimmten Erkrankungen kann der Glutathionspiegel sinken, wodurch sich das Risiko für eine Leberzellschädigung erhöht. Störungen in der Glutathion-Biosynthese, Einnahme von Arzneimitteln, die denselben Abbauweg verwenden, Fettleber bei adipösen Patienten, die Einnahme von Kontrazeptiva sowie Alkoholkonsum kommen dabei infrage.
Bei Vergiftungen mit Paracetamol kommt N-Acetylcystein (NAC) in hohen Dosen zum Einsatz. Einzelberichte wiesen darauf hin, dass NAC möglicherweise auch bei Leberschäden durch Flupirtin und Dicofenac wirksam sein könne, berichtete Borlak. Es seien aber weitere Untersuchungen notwendig, um diese Beobachtungen zu untermauern. /