Besser, aber nicht gut |
07.05.2014 10:03 Uhr |
Von Christina Hohmann-Jeddi / Bisher hat sich die Alzheimer-Forschung bei der Suche nach den Ursachen der Erkrankung hauptsächlich auf die Amyloid-Plaques konzentriert. Jetzt gibt es Hinweise darauf, dass diese eher eine schützende als schädigende Wirkung haben. Toxisch dagegen wirken lösliche Oligomere aus β-Amyloid.
Immerhin, mit den Apotheken in Deutschland geht es langsam wieder bergauf. Nachdem im Jahr 2012 der Abwärtstrend gestoppt werden konnte, legte die durchschnittliche Apotheke erstmals seit 2010 wieder leicht zu. Das Betriebsergebnis stieg laut ABDA-Wirtschaftsbericht auf 124 393 Euro. Das sind 20 000 Euro mehr als im Vorjahr (siehe PZ19 /14 - Wirschaftsbericht).
Keine Frage, das Ergebnis ist eine klare Verbesserung. Einen großen Anteil daran hat die politische Arbeit von ABDA und Deutschem Apothekerverband. Der höhere Fixbetrag für verschreibungspflichtige Arzneimittel, der auf 1,80 Euro gesenkte Kassenabschlag und die Notdienstgebühr haben sich positiv auf die wirtschaftliche Situation der Apotheken ausgewirkt.
Besser bedeutet aber noch nicht gut. So erfreulich die spürbare Aufwärtsbewegung beim Honorar ist, im Vergleich zu anderen Branchen ist die Entwicklung jedoch mäßig. Bereinigt um die allgemeine Preissteigerung lag das Betriebsergebnis der Apotheken 2013 etwa 7000 Euro unter dem von 2002. Auch die Entwicklung der Apothekenzahl macht deutlich, dass sich für die Apotheken noch längst nicht alles zum Guten entwickelt hat. Trotz der wirtschaftlichen Entspannung gibt es 2013 erneut 260 Betriebsstätten weniger als im Vorjahr. Zum fünften Mal in Folge nahm die Apothekenzahl ab. Wen wundert es? Ein einzelnes passables Jahr kann nicht die Verluste einer Dekade kompensieren.
Das Jahr 2013 könnte aber zumindest der Startschuss in eine wirtschaftlich stabilere Phase gewesen sein. Die Hoffnung ist nicht unbegründet. Derzeit drohen keine Grausamkeiten. Der Arzneimittelsektor ist nicht im Fadenkreuz der Politik. Natürlich wäre die Welt noch schöner, würden sich die Krankenkassen endlich von Folterinstrumenten wie Null-Retax oder exklusiven Rabattverträgen Abstand nehmen.
Offenbar sehen viele Apotheker wieder positiver in die Zukunft. Sie rüsten beim Personal auf. Es gab in Deutschland 2013 zwar weniger Apotheken als 2012. Die Zahl der Beschäftigten stieg dennoch um 2000 an. Das unterscheidet Apotheken von Konzernen. Der Gewinn wird nicht verfrühstückt, sondern in Personal und damit in die Zukunft investiert. Das ist die wohl beste Erkenntnis aus dem vergangenen Jahr.
Amyloid-Plaques, Ablagerungen von β-Amyloid (Aβ) im Gehirn, sind charakteristisch für Morbus Alzheimer. Schon seit Langem gelten die Proteine als Ursache der neurodegenerativen Erkrankung. Doch diese Amyloid-Hypothese ist stark umstritten. Der Hauptgrund hierfür ist, dass bislang alle Wirkstoffe, die gegen Amyloid gerichtet sind, in klinischen Studien versagt haben. Amyloid sei nicht das richtige Target, so der Vorwurf von Kritikern.
Die Entstehung von Plaques in der Übersicht: Das integrale Membranprotein APP wird von Sekretasen zerschnitten, wobei β-Amyloid-Monomere entstehen. Diese lagern sich zu Oligomeren zusammen, die schließlich Plaques bilden.
Foto: dpa
Ebenfalls als Beleg gegen die Hypothese wird die Tatsache angesehen, dass die Plaques-Last im Gehirn nicht mit der Neurodegeneration korreliert. So gibt es einerseits geistig gesunde Menschen mit erheblichen Mengen der Proteinklumpen, andererseits aber auch Alzheimer-Patienten, die diese Ablagerungen kaum aufweisen.
Häufig wird jedoch nicht berücksichtigt, dass Amyloid nicht gleich Amyloid ist. Denn Aβ kommt als Monomer vor, es kann sich aber auch zu Oligomeren und schließlich zu Fibrillen oder Plaques zusammenlagern. Aβ entsteht aus dem Amyloid-Vorläuferprotein (Amyloid Precursor Protein, APP), einem integralen Membranprotein, das in allen Zellen produziert wird. Die Funktion des etwa 753 bis 770 Aminosäuren langen Proteins ist bislang nicht ausreichend verstanden. Durch die Proteasen β-Sekretase und γ-Sekretase wird es in kleine Spaltprodukte zerlegt, die etwa 35 bis 43 Aminosäuren lang sind und entsprechend ihrer Länge als Aβ-35 bis Aβ-43 bezeichnet werden.
Die verschiedenen Formen wie Monomere, Oligomere und Plaques haben jeweils unterschiedliche Eigenschaften. Dies ist bei der Diskussion um die Amyloid-Hypothese wichtig, zeigen der Neurologe Professor Dr. Dennis Selkoe von der Harvard Medical School in Boston und der Molekularbiologe Professor Dr. John Hardy vom Imperial College London in einem Übersichtsartikel im Fachjournal »EMBO Molecular Medicine« auf (2016, DOI: 10.15252/emmm.201606210). Ihnen zufolge gilt die Hypothese nach wie vor, aber in etwas modifizierter Form: »Ein Ungleichgewicht zwischen Aβ-42-Produktion und dessen Beseitigung ist ein sehr früher, häufig auslösender Faktor der Alzheimer-Erkrankung«, postulieren sie.
Genetische Daten
In ihrem Review fassen die Autoren Studiendaten zusammen, die für eine entscheidende Rolle des Aβ in der Alzheimer-Pathogenese sprechen. Dies ist zunächst die Genetik. Denn alle dominanten Mutationen, die die familiäre Alzheimer-Form auslösen, liegen entweder im APP-Gen oder in den Genen für die Proteasen, die Aβ aus dem Vorläufer herausschneiden, und sind somit direkt an dessen Produktion beteiligt. Besonders deutlich wird dies beim Down-Syndrom, bei dem das Chromosom 21 dreifach in jeder Zelle vorliegt. Da sich das APP-Gen auf diesem Chromosom befindet, liegt es ebenfalls in drei Kopien vor. Entsprechend produzieren Personen mit Down-Syndrom lebenslang mehr Aβ als Personen mit zwei Kopien des APP-Gens, was zu einer typischen Alzheimer-Neuropathogenese führt. Entsprechend entwickeln Betroffene in der Regel mit etwa 55 Jahren eine Demenz. Anders herum haben Personen mit einer Missense-Mutation im APP-Gen, die das Ablesen verhindert, eine erniedrigte Aβ-Produktion und ein verringertes Risiko, an Alzheimer zu erkranken.
Daniel Rücker
Chefredakteur
Aβ-Fibrillen
Foto: Foto MPG
Selkoe und Hardy können aber auch das Gegenargument, dass die Plaques-Last nicht mit der Neurodegeneration korreliert, entkräften. Den Autoren zufolge sind nämlich nicht die Plaques das toxische Agens, sondern die Oligomere. So habe eine Reihe von Tierversuchen gezeigt, dass lösliche Aβ-Oligomere sowohl die Funktion als auch die Struktur von Synapsen schädigen können. Bei einer Untersuchung störten Plaques, die aus Gehirnen von Alzheimer-Patienten herausgelöst worden waren, die Synapsenfunktion in Zellkultur nicht, Aβ-Oligomere, die man durch Auflösen der gleichen Plaques gewonnen hatte, dagegen schon.
Dass Oligomere schädlicher sind als Plaques, zeigt auch eine weitere Untersuchung bei der post mortem Gehirne von geistig Gesunden und von dementen Alzheimer-Patienten untersucht worden waren, die jeweils erhebliche Mengen an Plaques aufwiesen. Die geistig Gesunden hatten dabei aber ein viel niedrigeres Verhältnis von Oligomeren zu Plaques als die dementen, sie konnten die schädlichen Oligomere demnach besser abfangen und bündeln als die erkrankten. Selkoe und Hardy gehen aufgrund dieser Ergebnisse davon aus, dass Plaques freie Oligomere abfangen können, bis sie eine gewisse Größe erreicht haben, ab der die Partikel nicht mehr gebunden werden können und Schäden an den Synapsen bewirken können.
Dieser Hypothese geht auch Privatdozent Dr. Oliver Wirths von der Universitätsmedizin Göttingen nach. Für das Forschungsprojekt »Verfügen Beta-Amyloid Ablagerungen über eine Pufferkapazität?« erhielt er etwa 80 000 Euro Förderung von der Alzheimer Forschung Initiative. »Wir gehen davon aus, dass die Oligomere für die Schädigung von Nervenzellen verantwortlich sind«, erklärt Wirths gegenüber der Pharmazeutischen Zeitung. »Deshalb überprüfen wir die Hypothese, ob die Plaques eine Art Puffer bilden, in dem die Oligomere gebunden werden.« Wäre die Aufnahmekapazität des Puffers erschöpft, könne eine Alzheimer-Erkrankung auftreten.
Plaques mit Pufferkapazität?
»Zur Klärung der Frage verwenden wie ein Mausmodell, das ausschließlich lösliche oligomere Aβ-Peptide aber keine extrazellulären Plaques bildet. Diese Mäuse zeichnen sich jedoch durch einen altersabhängigen Nervenzellverlust im Hippocampus und damit verbundene Lerndefizite aus. Diese Tiere werden mit einem weiteren Modell verkreuzt, das zwar eine deutliche extrazelluläre Plaquespathologie, aber keinen hippokampalen Nervenzellverlust und Verhaltensdefizite ausbildet. Sollten die Plaques tatsächlich eine Art Puffer für oligomere Aβ-Peptide darstellen, müsste sich der Nervenzellverlust reduzieren und die Lerndefizite abschwächen«, erklärt Wirths.