Manchmal harmlos, manchmal Notfall |
10.05.2011 12:52 Uhr |
Von Maria Pues / In den Apotheken sieht man gerade im Frühjahr und im Sommer in zahlreiche rote Augen, manche einzeln, manche paarweise. Was rötet sie, was hilft ihnen und was schützt sie?
Schwimmbadaugen, Cabrioaugen, Klimaanlagenaugen: Augen haben in diesen Wochen eine Menge auszuhalten. Kein Wunder, dass zahlreiche Patienten mit roten Augen Rat und Hilfe in der Apotheke suchen – vorzugsweise am Wochenende. Fragt man Augenärzte, so äußern diese übereinstimmend, dass das rote Auge kein Fall für die Selbstmedikation sei. Schließlich ist es keine Krankheit, sondern ein Symptom, das, zusammen mit weiteren, auf eine ernste Erkrankung hinweisen kann. Patienten hingegen wünschen eine rasche Linderung ihrer Beschwerden.
Ein rotes Auge: Infektion, zwei rote Augen: Allergie. Diese Faustregel ist ein Anhaltspunkt, es gibt aber natürlich auch Ausnahmen.
Foto: Fotolia/Reitz-Hofmann
Augentropfen und Aufklärung, warum eine augenärztliche Untersuchung auch nach Verschwinden der Symptome sinnvoll sein kann, sind daher gefragt. Rote Augen gehören zum Arzt, wenn zusätzlich Schmerzen auftreten. Denn dann besteht Verdacht auf Skleritis, Keratitis, Iritis oder einen Glaukomanfall. Zusätzliche Sehstörungen erfordern ebenfalls eine ärztliche Konsultation, da sie Symptom einer zugrunde liegenden Keratitis oder eines Glaukomanfalls sein könnten. Wenn die Pupille verengt ist, besteht Verdacht auf eine Iritis, ist sie erweitert, könnte ein Glaukomanfall dahinterstecken – auch in diesen Fällen ist der Patient zum Arzt zu verweisen.
Sind Augen »nur« gerötet, handelt es sich in den meisten Fällen um eine Konjunktivitis. Diese kann freilich sehr unterschiedliche Auslöser haben. Allergien, Infektionen, Reizungen durch Chlor und Klimaanlagen zählen zu den häufigsten. Auch Grunderkrankungen anderer Organe oder Arzneimittel können dazu führen, dass ein Auge reizbar ist und mit Rötung reagiert. Kombinationen sind nicht selten: Wer unter einer Schilddrüsenerkrankung leidet, in den Wechseljahren ist und/oder bestimmte Arzneimittel einnimmt (siehe Kasten "Nebenwirkung"), leidet häufig ohnehin an trockenen, reizbaren Augen, deren Widerstandskraft bei Cabriowind und Chlorwasser oft nicht mehr ausreicht. Rötungen und ein Fremdkörpergefühl im Auge sind die Folge.
Sonnenbrillen: »cool« und hilfreich
Eine Sonnenbrille sollte in erster Linie die Augen vor intensiver UV-Strahlung schützen, um so langfristigen Schäden vorzubeugen. Natürlich hält sie auch Pollen, Partikel und Zugluft davon ab, ungebremst im Auge zu landen – egal ob bei einer Tour mit dem Klapprad oder dem Cabriolet.
Luftstrom von Gebläse und Klimaanlagen sparsam verwenden und nie direkt auf das Gesicht lenken
Filter von Autoklimaanlagen häufig wechseln
ausreichend viel trinken (etwa zwei Liter pro Tag)
nicht rauchen, auch nicht passiv
vitaminreiche Kost bevorzugen
ausreichend schlafen
Sonnenbrille mit ausreichend hohem UV-Schutz verwenden
Was viele nicht wissen: Die Tönung der Gläser sagt nichts über den UV-Schutz aus. Sie reduziert lediglich das für das Auge sichtbare Licht. Die Lichtdurchlässigkeit von Sonnenbrillen wird in fünf Blendschutz-Kategorien eingeteilt. Sie reicht von Kategorie 0, die 80 bis 100 Prozent des Lichtes durchlässt, bis zur Kategorie 4, die mit nur 3- bis 8-prozentiger Lichtdurchlässigkeit zu dunkel für den Straßenverkehr ist und den Augen im Hochgebirge und auf Gletschern extrem hohen Schutz bietet.
Tränende trockene Augen
Dass ein trockenes Auge auch tränen kann, leuchtet Patienten nicht ohne Weiteres ein. Dies wird plausibel, wenn man sich den Tränenfilm als dreischichtiges System vorstellt, bestehend aus einer Mucinschicht, die auch Unebenheiten auf der Hornhaut glättet, einer wässrigen Schicht und einem abschließenden Lipidfilm, der unter anderem vor zu rascher Verdunstung des Tränenfilms schützt. Ist der Lipidfilm unvollständig oder hat sich die Oberflächenspannung des Tränenfilms verändert, so kann dieser verfrüht aufreißen und abfließen. Hier lohnt ein Versuch mit lipophilen Augentropfen oder mit Augensalben, vorzugsweise zur Nacht, da sich eine Sichtbehinderung dann weniger störend auswirkt. Gewissermaßen einen Umweg geht ein Lidspray. Man sprüht es auf die geschlossenen Lider, durch Spreitung gelangen seine Bestandteile auch in den Tränenfilm. Was auf den ersten Blick vielleicht als Modegag erscheint, kann möglicherweise Patienten helfen, deren Motorik die Anwendung von Augentropfen nur unter Schwierigkeiten erlaubt.
Häufiger fehlt es jedoch am wässrigen Anteil. Dieser kann leicht auch tagsüber in Form »künstlicher Tränen« zum Beispiel mit Hypromellose, Povidon oder Hyaluronsäure als Benetzungsmittel ergänzt werden. Konservierungsmittel-freie Systeme wie Einmaldosen oder spezielle Tropfsysteme, die ein Verkeimen unterbinden (zum Beispiel comod®), sind bei regelmäßiger Anwendung vorzuziehen, da Konservierungsmittel auf Dauer die Beschaffenheit des Tränenfilms verändern.
Auch dass trockene Augen das Sehen beeinträchtigen können, bedarf gegenüber vielen Patienten der Erläuterung. Eine Augenoberfläche, die infolge eines schadhaften Tränenfilms eher einer Buckelpiste ähnelt, bricht das einfallende Licht naturgemäß anders als vorgesehen und kann so zu irritierend unscharfen Bildern führen. Das gilt es zu bedenken, wenn Patienten nachdrücklich eine schnelle Linderung der Beschwerden und eine Verminderung der störenden Rötung durch adstringierende Augentropfen wünschen. Diese sollten nur sehr kurzzeitig eingesetzt werden, da sie die Trockenheit und verminderte Durchblutung im Auge weiter verstärken.
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Leichter hat man es freilich, wenn Allergien gegen Pollen bereits bekannt sind. Augentropfen mit Antihistaminika, zum Beispiel mit Azelastin oder Levocabastin, wirken rasch, der Mastzellenstabilisator Cromoglicinsäure nach ein bis zwei Wochen bei regelmäßiger Anwendung. Patienten berichten auch hier oft über eine schnelle Wirkung. Diese beruht vermutlich auf einem Auswascheffekt und auf Befeuchtung der Bindehäute. Sie lässt sich durch eine zusätzliche Gabe von benetzenden Augentropfen unterstützen.
In den meisten Fällen ist es nicht ganz so einfach. Bedeutet ein rotes Auge Infektion, zwei rote Augen Allergie? Auch wenn die Statistik dieser Faustregel häufig recht gibt – es gibt natürlich auch Ausnahmen, die zur Vorsicht mahnen. So gibt es Augen-Infektionen, die sich früher oder später auf beiden Augen zeigen. Wer weiß schon, wie lange ein Patient seine Beschwerden »heldenhaft« ertragen hat? Und umgekehrt rötet ein Fremdkörper in den meisten Fällen nur ein Auge. Gemeinsam ist ihnen, dass in beiden Fällen augenärztlicher Rat gefragt ist.
Ansteckend und meldepflichtig
Dies gilt zum Beispiel für die meldepflichtige Keratokonjunktivitis epidemica. Meist ist zunächst nur ein Auge betroffen, das zweite kann zwei bis drei Wochen später folgen. Die Erkrankung wird durch ein Adenovirus der APC-(Adeno-Pharyngo-Conjunctival-)Virus-Gruppe verursacht. Die Viren gelangen durch Schmierinfektion von Mensch zu Mensch. Dies geschieht durch Hände oder Gegenstände, beispielsweise Handtücher, die zuvor mit virenhaltiger Tränenflüssigkeit in Berührung gekommen sind. Infektionen in Schwimmbädern, Whirlpools oder Saunen sind ebenfalls möglich. Die Patienten klagen über Fremdkörpergefühl im Auge, Lichtscheu, Juckreiz und Tränenfluss. Zusätzlich kommt es zur Schwellung der Lymphknoten vor dem Ohr. Schwellen die Lider an, können die Augen nur unvollständig geöffnet werden. Nach einwöchiger Krankheitsdauer kann es auch zu einer Beteiligung der Hornhaut kommen.
Die Behandlung erfolgt symptomatisch. Wichtig ist, Patienten auf die hohe Ansteckungsgefahr hinzuweisen, die über zwei Wochen anhalten kann. Natürlich sollten Infizierte keine Handtücher oder Waschlappen mit anderen teilen und diese nach Gebrauch bei 95 Grad Celsius waschen. Eine Handdesinfektion mit einem viruziden Desinfektionsmittel kann die Infektionskette unterbrechen helfen.
Schwimmbadkonjunktivitis
Dass eine Infektion nicht immer »einäugig« verläuft, zeigt auch die sogenannte Schwimmbadkonjunktivitis, auch Paratrachom genannt. Sie kann an einem oder an beiden Augen auftreten. Nicht Chlor im Wasser ist hier der Auslöser, sondern eine Infektion mit Chlamydia trachomatis (Serotypen D bis K). Acht bis zehn Tage nach der Infektion bilden sich am Oberlid des Auges Lymphfollikel. Die Bindehäute sind stark gerötet und das Auge sondert Sekret ab.
Die Beschwerden können mehrere Wochen andauern. Danach heilt ein Paratrachom meist folgenlos ab. Bei Erwachsenen können neben den Symptomen am Auge auch Beschwerden an den Geschlechtsorganen und den Harnwegen, zum Beispiel in Form einer Harnwegsentzündung, auftreten. Die Behandlung erfolgt meist mit lokalen oder systemischen Antibiotika, zum Beispiel Tetrazyklinen. /
Einige Arzneimittel können ein trockenes Auge fördern:
Acetylsalicylsäure
Anticholinergika
Antihistaminika
Betablocker
Ergotamin
Estrogene
Neuroleptika
Reserpin
Thiazid-Diuretika
Trihexyphenidyl
tri- und tetrazyklische Antidepressiva