Mehr Honorar, aber … |
30.04.2012 18:44 Uhr |
Wenn Apotheker und Politiker aufeinandertreffen, geht es derzeit in der Regel um die Honorierung der Apotheker. Das war bei der Podiumsdiskussion während des Wirtschaftsforums des Deutschen Apothekerverbandes (DAV) nicht anders. Deutlich forderten ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf und DAV-Vorsitzender Fritz Becker eine Anpassung der Vergütung. Nach acht Jahren Stagnation sei die überfällig.
Die Forderungen der ABDA zur Anpassung des Honorars liegen auf dem Tisch. Über eine höhere Packungspauschale sowie aufwandsgerechte Vergütungen für Rezepturen, Nacht- und Notdienst sowie die Versorgung mit Betäubungsmitteln soll das Salär für die Branche um gut 600 Millionen Euro steigen. Die Politiker der Regierungsparteien zeigten Verständnis, dämpften aber gleichzeitig die Erwartungen.
Schon beim ersten Statement des gesundheitspolitischen Sprechers der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jens Spahn, wurde deutlich, dass der an diesem Tag nicht das Füllhorn über den Apothekern ausschütten wollte. Die »glückliche Situation, dass wir nicht über Finanzlöcher der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), sondern über Rücklagen sprechen«, bedeute nicht, dass dieses Geld nun unter den Leistungserbringern verteilt werden sollte, sagte Spahn. Die GKV brauche dieses Polster, wenn die Konjunktur nicht mehr so gut laufe wie derzeit. Zudem stamme der Überschuss in erster Linie von den Beitragszahlern. Deshalb sollten die bei einer möglichen Ausschüttung auch zuerst bedacht werden.
Grundsätzlich habe er Verständnis für die Forderungen der Apotheker. Die Bundesregierung habe ihnen viel zugemutet. Dennoch sollten die Apotheker nicht zu viele Forderungen gleichzeitig aufstellen. »Wenn man mit zu vielen Bällen gleichzeitig jongliert, muss man damit rechnen, dass am Ende alle auf dem Boden liegen«, sagte Spahn. Die Bundesregierung sei keinesfalls bereit, auf alle Forderungen einzugehen. Sein Koalitionskollege Heinz Lanfermann (FDP) blieb ebenfalls im Vagen. Auch er bekräftigte das Verständnis seiner Partei für die Belange der Apotheker. Für gute Arbeit müsse es auch eine angemessene Honorierung geben. Die FDP stehe zu den freien Berufen.
Heinz-Günter Wolf, Präsident der ABDA - Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände
Für »Die Linke« betonte die Bundestagsabgeordnete Martina Bunge die zentrale Bedeutung der Apotheker im Gesundheitswesen. Sie seien wichtig für die Beratung der Patienten und eine optimale Arzneimittelversorgung. Außerdem habe die Apotheke eine wichtige Funktion als soziale Drehscheibe.
Mit reinen Sympathiebekundungen mochten sich Becker und Wolf erwartungsgemäß nicht zufriedengeben. Die Vergütung der Apotheker sei seit acht Jahren nicht mehr angepasst worden. Mit dem Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz seien sogar noch Belastungen hinzugekommen. Deshalb sei eine Anpassung überfällig. Becker sieht dafür auch gute Chancen, trotz der öffentlichen Zurückhaltung der beiden Koalitionspolitiker: »Wir sind in guten Gesprächen mit der Regierung.«
Für ABDA-Präsident Wolf steht die Forderung der Apotheker in keinem Zusammenhang mit der aktuell guten Finanzlage der Krankenkassen. Wolf: »Wir Apotheker brauchen dringend eine Anpassung der Honorierung, unabhängig von den Rücklagen der Krankenkassen.« Die beiden für die Apothekerhonorierung zuständigen Ministerien, Gesundheits- und Wirtschaftsministerium, sollten sich möglichst zeitnah abstimmen, sagte Wolf.
Heinz Lanfermann, Bundestagsabgeordneter der FDP
Spahn ging auf die Forderungen der Apotheker nur bedingt ein. Eine Honorarsteigerung um 600 Millionen Euro bezeichnete er als unrealistisch. Zudem drängte er auf eine Festlegung, an welcher Stelle den Apothekern eine höhere Honorierung besonders wichtig sei. Becker nannte hier die packungsabhängige Vergütung von 8,10 Euro. Der DAV-Chef betonte aber auch, dass dies allein nicht ausreiche, um die wirtschaftliche Situation der Apotheker nachhaltig zu verbessern. Außerdem müsse es in Zukunft einen regelmäßigen Inflationsausgleich geben.
Letztlich gab es keinen Konsens über die Anpassung der Apothekerhonorierung. Sicher scheint aber zu sein, dass es eine Anpassung geben werde. Das machten Spahn und Lanfermann deutlich. Die entsprechende Regelung könnte ins Arzneimittelrechts-Änderungsgesetz einfließen.
Neben dem zumindest teilweisen Dissens zwischen Apothekern und Koalitionspolitikern über die Höhe der Honoraranpassung gab es aber auch einige Übereinstimmungen. Spahn regte an, neben der Höhe mittelfristig auch über die Strukturen der Honorierung zu diskutieren. Qualität und heilberufliche Leistungen sollten in Zukunft stärker honoriert werden. Wolf bekundete Sympathie für diesen Vorschlag, der sicherlich noch nicht mit der aktuellen Honoraranpassung umgesetzt werden kann.
Dr. Martina Bunge, Bundestagsabgeordnete der Partei Die Linke
Einigkeit gab es auch bei der Bewertung des Kassenabschlags im kommenden Jahr. Ab 2013 wird dieser wieder zwischen den beiden Parteien ausgehandelt. Strittig ist dabei die Basis für die Verhandlungen. Während die Apotheker die Ausgangsposition bei 1,75 Euro sehen, fordern die Kassen die Beibehaltung des aktuellen Abschlages von 2,05 Euro. Für Spahn und Lanfermann ist die Sache eindeutig: »2,05 Euro war ein Opfer der Apotheker«, sagte Spahn. Im kommenden Jahr wolle man wieder zur Normalität zurückkehren, und das Opfer sei keine Normalität, sondern zeitlich befristet. Deshalb sei es logisch, die Verhandlungen für 2013 wieder bei dem vor dem AMNOG geltenden Betrag von 1,75 Euro zu starten. Lanfermann bekräftigte diese Position. Der Sachverhalt ergebe sich schon aus der Tatsache, dass die AMNOG-Belastungen nach dem Gesetz Ende 2012 auslaufen. Damit laufe auch der Abschlag von 2,05 Euro aus.
Becker begrüßte die deutliche Positionierung der beiden Regierungspolitiker, wies aber gleichzeitig auf ein zweites Problem der Abschlagsverhandlungen hin: »Die Apotheker brauchen endlich Rechtssicherheit. Wenn die Kassen gegen die Vereinbarungen für 2013 klagen, dann wissen wir erst 2018, wie hoch er wirklich ist.« Die Apotheker hätten schon für die beklagten Vereinbarungen für 2009 und 2010 Rückstellungen bilden müssen. Wenn das Prozedere sich im kommenden Jahr wiederhole, stiegen die wirtschaftlichen Risiken für viele Apotheken weiter an.
Spahn zeigte dafür Verständnis. Die laufenden Verfahren könne die Politik nicht mehr beeinflussen. Für die anstehenden Verhandlungen wolle man jedoch prüfen, ob der Rechtsweg verkürzt werden könne. Derzeit dauert der Gang durch die Instanzen bis zu einem rechtskräftigen Urteil rund fünf Jahre. Entschieden ist die Verkürzung des Rechtswegs aber noch nicht.
Fritz Becker, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbandes (DAV)
Ob es sinnvoll sei, wenn der Gesetzgeber die Abschlagshöhe festlegen würde, blieb offen. So könnte Rechtssicherheit garantiert werden. Spahn brachte dies ins Spiel, sagte aber gleichzeitig, die Apotheker sollten sich gut überlegen, ob sie von der Verhandlungslösung weg wollten. Wolf zeigt für diese Idee Sympathie. Der Abschlag dürfe dann jedoch keinesfalls höher als 1,75 Euro liegen.
Unerfreulich verlief die Diskussion zum Pick-up-Verbot. Während Becker und Wolf darauf drängten, die Regierung müsse nun endlich die Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag umsetzen, hielten sich Spahn und Lanfermann an die Standard-Formulierung der Koalition. Man wolle ja Pick-up-Stellen verbieten, bekräftigte Lanfermann. Weil aber die Verfassungsressorts (Innen- und Justizministerium) verfassungsrechtliche Bedenken hätten, könne dies nicht umgesetzt werden. Derzeit habe die Koalition keine Idee, wie man aus diesem Dilemma hinauskomme.
Die hatte Bunge schon: »Warum verbieten Sie nicht endlich den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln?«, fragte die Linken-Politikerin. Diese Lösung liege auf der Hand. Die Bundesländer hätten sich bereits für ein Versandverbot entschieden. Jetzt sollte die Bundesregierung nachziehen. Auf diesem Weg könne man rechtssicher zumindest den Vertrieb verschreibungspflichtiger Arzneimittel über Pick-up-Stellen abschaffen. Vom Publikum gab es dafür den größten Applaus der Veranstaltung. Spahn und Lanfermann klatschten erwartungsgemäß nicht mit.