Mit Hightech-Wärme gegen Krebs |
24.04.2008 09:35 Uhr |
Mit Hightech-Wärme gegen Krebs
Von Claudia Borchard-Tuch
Überwärmung kann Krebsgewebe zum Schrumpfen bringen - wenn die Technik ausgereift und die Vorgehensweise gut geplant ist. Eine solche Hyperthermie verstärkt wirksam konventionelle Behandlungsmethoden und gilt mittlerweile neben chirurgischer, Chemo- und Strahlentherapie als vierte Säule der Krebsbehandlung.
In den Industrienationen stirbt jeder Vierte an einer Krebserkrankung, obwohl etwa die Hälfte der Tumorpatienten geheilt werden kann. Hierbei sind zumeist Chirurgie, Strahlentherapie und Chemotherapie für einen kurativen Ansatz erforderlich. Noch bessere Ergebnisse könnte eine Zusatztherapie erzielen, die lokale Überwärmung des Tumorgewebes auf 40 bis 44 °C, die in Kombination mit Strahlen- oder Chemotherapie durchgeführt wird. Eine Reihe neuer Studien zur regionalen Hyperthermie ergab bei verschiedenen Tumoren eine bis zu dreimal höhere Fünf-Jahres-Überlebenszeit im Vergleich zur Standardtherapie.
»Es gibt eine Vielzahl von Hyperthermieverfahren. Nur drei von ihnen sind jedoch bisher wissenschaftlich anerkannt«, erklärt PD Dr. Rüdiger Wessalowski vom Universitätsklinikum Düsseldorf gegenüber der PZ. »Ihre Wirksamkeit konnte durch zahlreiche Studien belegt werden, und nur diese Methoden können deshalb für den Einsatz empfohlen werden.« Zu diesen Verfahren zählen die lokale Oberflächenhyperthermie, die regionale Tiefenhyperthermie und die Teilkörperhyperthermie.
Die lokale Oberflächenhyperthermie eignet sich für Tumoren, die nicht mehr als 3 bis 6 cm unter der Haut liegen, zum Beispiel wiederkehrenden Brustkrebs, malignes Melanom oder nicht operable Tumoren am Hals. Dabei wird ein Wärmeapplikator an der Hautstelle platziert, unter der sich der Tumor befindet. Im Applikator befinden sich ein oder zwei Spiralantennen, die die erkrankte Region mit Mikrowellen bestrahlen und so die Gewebetemperatur erhöhen. An der Seite des Applikators, die der Haut des Patienten zugewandt ist, befindet sich ein Wasserkissen. Bei tiefer gelegenen Tumoren dient Wasser mit einer Temperatur von 25 °C der Kühlung, bei oberflächlich gelegenen Geschwülsten liegt die Wassertemperatur bei 40 °C, sodass die Gewebewucherung zusätzlich erwärmt werden kann. Eine Sonde misst kontinuierlich die Temperatur im Tumorgebiet (4).
Mit der regionalen Tiefenhyperthermie werden Tumoren behandelt, die tief im Körperinneren verborgen sind. Hierzu zählen das Weichgewebesarkom, Zervixkarzinom, lokal fortgeschrittener oder erneut aufgetretener Blasenkrebs, Prostatakrebs und Analkarzinom sowie das Pankreaskarzinom. Vor der Behandlung wird der Tumor mithilfe der Magnetresonanz- oder Computertomografie genau lokalisiert. Während der Behandlung liegt der Patient in einem Applikator, der aus einer Plexiglasröhre besteht. Darin sind acht Antennen verankert, die elektromagnetische Wellen in die Mitte der Ringkonstruktion aussenden und das Gewebe selbst in bis zu 20 cm Tiefe erhitzen können.
An der Innenseite der Plexiglasröhre befindet sich ein aus Silikon bestehendes Schlauchsystem, in dem destilliertes Wasser mit einer Temperatur von 25 °C zirkuliert. Dies ermöglicht eine luftfreie Ankopplung der Radiowellen an die Haut und zugleich eine Kühlung der Oberfläche im Einstrahlungsfeld.
Temperatursonden messen ständig die Temperatur im Tumorgebiet und in anderen Bereichen des Körpers. Die Messfühler werden über natürliche Körperöffnungen wie Scheide, Rektum oder Blase eingeführt. Im Bereich des Tumors ist die Einlage einer invasiven Messsonde unter Lokalanästhesie notwendig. Eine spezielle Computer-Software macht es möglich, die von den Antennen abgegebene Wärmeenergie gezielt auf den Krebsherd zu fokussieren. Auf diese Weise können hohe Temperaturen im Tumorgebiet erreicht, Überhitzungen im Normalgewebe vermieden werden (1, 6).
Die Teilkörperhyperthermie besitzt derzeit im Wesentlichen die gleichen Indikationen wie die regionale Tiefenhyperthermie. Bisher gibt es jedoch nur wenige Zentren in Deutschland, die über die notwendige Ausstattung verfügen. Hierzu zählen das Universitätsklinikum Düsseldorf, die Charité Berlin, das Universitätsklinikum Erlangen sowie das Klinikum Großhadern in München.
Für diese Methode wird ein Hybridsystem eingesetzt, das aus einem Gerät für die regionale Tiefenhyperthermie sowie aus einem Kernspintomografen besteht. Mit dem Tiefenhyperthermie-Gerät lässt sich der gesamte Bereich vom Becken bis unterhalb der Lunge erwärmen. Es verfügt über einen Applikator mit drei Antennenringen, sodass ein langgestrecktes Wärmefeld erzeugt werden kann. In diesem Gerät liegend, wird der Patient in den Tunnel eines Kernspintomografen geschoben. Kernspintomograf und Hyperthermiesystem dürfen sich nicht gegenseitig beeinflussen, obwohl beide Hochfrequenzen abstrahlen. Um diese Störfelder in den Griff zu bekommen, mussten spezielle Filter entwickelt werden. Bei der Teilkörperhyperthermie sind keine Temperatursonden notwendig. In Abhängigkeit von der Temperatur des Gewebes stellt der Kernspintomograf farbcodierte Abbildungen auf dem Monitor dar. Ein Team von Ärzten, Informatikern, Physikern und Ingenieuren übernimmt die schwierige Aufgabe der Behandlungssteuerung (1).
Ablauf der Behandlung
Eine Hyperthermie zeigt nur dann gute Ergebnisse, wenn das gesamte Tumorgewebe möglichst gleichmäßig erwärmt wird und die übrigen Körperregionen jedoch von der Erwärmung nicht übermäßig in Mitleidenschaft gezogen werden. Da zurzeit eine vollkommen homogene Erwärmung des Tumorgewebes noch nicht möglich ist, wird die Hyperthermie nie alleine, sondern immer in Kombination mit Strahlen- oder Chemotherapie eingesetzt.
Nach einer Aufwärmphase von 30 Minuten folgt die einstündige Hyperthermiebehandlung. Während der gesamten Zeit ist eine kontinuierliche Temperaturmessung zwingend notwendig. Nur ist festzustellen, ob der Tumor die richtige Menge an Wärme erhält oder das Gerät eventuell anders eingestellt werden muss. Der Patient sollte gut überwacht werden: Blutdruckkontrolle, EKG und Messung der Sauerstoffsättigung sind erforderlich. »Kinder müssen immer sediert werden, Erwachsene in einzelnen Fällen bei regionaler Tiefenhyperthermie und Teilkörperhyperthermie auch«, erklärt Wessalowski. »Eine Narkose ist nicht notwendig.«
Wirkungen der Überwärmung
Erhöhte Temperaturen bringen Zellen in Stress: Ab 42 °C beginnen sie in großer Zahl den sogenannten programmierten Zelltod zu sterben. Tumorzellen sind besonders hitzeempfindlich. Bereits Temperaturen über 40 °C machen sie angreifbarer für natürliche Abwehrprozesse und Strahlentherapie. Im Tumorgewebe entstehen Hitzeschockproteine (HSP). Diese aktivieren das Immunsystem und schicken körpereigene Abwehrzellen los, die Krebszellen selektiv zerstören können. Unter anderem markieren sie Tumorzellen und machen sie für die Killerzellen des Immunsystems erkennbar. Zellen, die HSP bilden, können daher stärker von den Killerzellen zerstört werden, und das Immunsystem kann den Tumor wirksamer bekämpfen (5).
Da die Überwärmung die Durchblutung im Tumorgewebe verbessert, verstärkt sie die Wirksamkeit der zusätzlich durchgeführten Strahlen- oder Chemotherapie. Eine Überwärmung vor der Strahlentherapie macht die überlebenden Krebszellen anfälliger für die nachfolgende Strahlenbehandlung. Erfolgt die Hyperthermie nach der Strahlenbehandlung, so hemmt dies die nach Bestrahlung einsetzenden Zellreparaturmechanismen. Insbesondere Krebszellen, die sehr widerstandsfähig gegen Strahlen sind, reagieren besonders empfindlich auf Wärme. Dies gilt beispielsweise für Gebärmutterhalskrebs, Lokalrezidive des Mammakarzinoms oder für das Sarkom.
Eine chemotherapeutische Behandlung wird zeitgleich zur Hyperthermie durchgeführt. Dies verstärkt die Wirkung der Chemotherapie, da die überwärmten, gut durchbluteten Bereiche von den Zytostatika besonders gut erreicht werden.
Kontraindikationen
Das Hyperthemiezentrum Düsseldorf führt regionale Tiefen- und Teilkörperhyperthermien auch bei Kindern mit fortgeschrittenen oder rezidivierten Keimzelltumoren und Sarkomen durch (6). »Bereits Säuglinge und Kleinkinder im ersten und zweiten Lebensjahr werden hier erfolgreich behandelt«, erklärt Wessalowski. Er stellte jedoch fest, dass bei Kindern ganz vereinzelt Hüftkopfnekrosen auftreten können.
Da die Hyperthermiebehandlung den Kreislauf belastet, eignet sie sich nicht für Patienten, die unter Herz-Kreislauf-Problemen wie Herzinsuffizienz, Hypertonie oder Herzrhythmusstörungen leiden. »Auch Patienten mit Metallimplantaten im Körper wie künstlichem Hüftkopf oder Herzschrittmacher müssen ausgeschlossen werden«, sagt Wessalowski. »Die Metallimplantate beeinflussen die Ausbreitung der elektromagnetischen Wellen in unvorhersehbarer Weise.« Die Hyperthermie kann nicht im Bereich des Thorax oder Gehirns durchgeführt werden: Während die Luft der Lunge die elektromagnetischen Wellen sehr stark streut und so eine Fokussierung unmöglich macht, schirmt die Kalotte des Gehirns die Wellen ab. Zudem kann eine Erhöhung der Hirntemperatur über 42 °C zu irreversiblen Neuronenschäden führen.
Ein weiteres Problem sind die Hot Spots, die heißen Stellen, an denen die Temperaturen in bestimmten Arealen die 43-Grad-Celsius-Grenze überschreiten können, wodurch gesundes Gewebe abstirbt. Jedes Gewebe hat seine eigenen elektrischen Besonderheiten wie beispielsweise die Leitfähigkeit. An Grenzflächen etwa zwischen Knochen und Muskeln ändern sich diese sprunghaft, sodass das Magnetwellenfeld abrupt an Stärke zunehmen kann.
Hohe Erfolgsraten
Eine Reihe neuer Studien zur regionalen Hyperthermie ergab bei verschiedenen Tumoren eine bis zu dreimal höhere Fünf-Jahres-Überlebenszeit als die Standardtherapie. Dr. Ellen Jones und ihre Kollegen von der Duke University in North Carolina untersuchten über 100 Patientinnen mit wiederkehrendem Brustkrebs. Durch den kombinierten Einsatz von Strahlentherapie und Hyperthermie konnten 68 Prozent von ihnen geheilt werden (3). Mit der Strahlentherapie allein gelang das nur bei 23 Prozent der Patientinnen. In einer von Professor Dr. Rolf-Dieter Issels, Universitätsklinikum München, durchgeführten Zehn-Jahres-Studie zeigte sich, dass die Wärme die Tumoren deutlich verkleinerte: Bei 37 Prozent der Hyperthermie-Patienten verringerten sich die Geschwülste um mindestens die Hälfte, in der anderen Gruppe konnte dieser Erfolg nur bei 12 Prozent erzielt werden. Nach der Operation blieb die Hyperthermie-Gruppe im Schnitt 30 Monate ohne erneutes Aufflackern der Erkrankung, bei den konventionell Behandelten waren es nur 16 Monate (2). Zurzeit führt Issels Studien bei Patienten mit Pankreaskarzinom durch, die bisher eine sehr ungünstige Prognose haben. Andere Untersuchungen ergaben Verlängerungen der Fünf-Jahres-Überlebenszeiten bei malignen Tumoren im Kopf-Hals-Bereich, bei Geschwülsten des Gebärmutterhalses, der Blase sowie bei malignen Melanomen.
Die Kostenerstattung durch die gesetzlichen Krankenkassen ist nicht einheitlich. Mittlerweile übernehmen in vielen Bundesländern die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für eine stationäre Hyperthermiebehandlung, beispielsweise in Bayern, Baden-Württemberg oder Nordrhein-Westfalen. In Berlin kommen die Kassen bisher nicht für die Behandlung auf, obwohl die Charité eine Vorreiterrolle auf dem Gebiet der Hyperthermie einnimmt.
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Fintelmann, C. R., Temperaturanalyse bei der Anwendung von loko-regionaler Hyperthermie bei Kindern und Erwachsenen, Dissertation, Klinik für Kinder-Onkologie, -Hämatologie und -Immunologie der Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf.
Hömberg, E., Abdel-Rahmann, S., Hitze lässt Tumore schrumpfen. Erfolge bei Weichteilsarkomen, DZKF 9/10, 2007.
Hyperthermie als vierte Säule der Krebsbehandlung, Journal Onkologie, www.journalonko.de/newsview.php?id=1962, 2008
Issels, R.D., Nössner, E., Wust, P., Hyperthermie, Der Onkologe, 8, 1, 2002, 51-55.
Milani V, Hitzeschockproteine, Hyperthermie und Immunkompetenz, Journal Onkologie, www.journalonko.de/aktuellview.php?i d=1463, 2008.
Wessalowski, R., et al., An approach for cure: PEI-chemotherapy and regional deep hyperthermia in children and adolescents with unresectable malignant tumors, Klin Padiatr, 215, 6, 2003, 303-309.
Wirksamkeit regionaler Tiefenhyperthermie bei Sarkom-Patienten in Phase-III-Studie belegt, Journal Onkologie, www.journalonko.de/newsview.php?id=2064, 2008.