Morde von zarter Hand |
27.04.2007 15:22 Uhr |
Morde von zarter Hand
Von Heike Haß, Heidelberg
Ende März öffneten wieder über 100 Museen, Galerien und Kunsteinrichtungen der Rhein-Neckar-Region ihre Pforten für die Lange Nacht der Museen. Das Deutsche Apotheken-Museum Heidelberg lockte 5400 Besucher an. Auf dem Programm standen spannende Führungen zum Thema Gift.
Im 19. Jahrhundert erschütterte der Fall der Geheimrätin Ursinus (1760 bis 1836) die preußische Öffentlichkeit. Ihren vermögenden Ehemann, die reiche Erbtante und den untreuen Geliebten hatte sie auf dem Gewissen. Erst das toxikologische Gutachten des namhaften Chemikers und Hofapothekers Martin Heinrich Klaproth (1743 bis 1817) brachte die hochgestellte Mörderin zu Fall. Als unübertroffen in ihrer Kaltblütigkeit gilt die Bremer Bürgerstochter Gesche Gottfried (1785 bis 1831). Über 15 Jahre hinweg vergiftete sie 15 Personen, darunter zwei Ehemänner, einen Verlobten, ihre Eltern, ihren Bruder und drei ihrer Kinder. Einer ungeklärten Anzahl an Personen, aber mindestens 30, streute sie wahllos Arsenik unter. Ohne Reue zu zeigen, nahm sie die Hinrichtung durch das Schwert entgegen: »Ich hatte gewissermaßen Wohlgefallen daran. Man schaudert doch sonst vor dem Bösen; allein das war bei mir nicht der Fall; ich konnte mit Lust Böses tun«, waren ihre letzten Worte.
Weitere historische Giftmischerinnen und Giftmörder von der Antike bis ins 19. Jahrhundert wurden während der Museumsführungen wieder lebendig: zum Beispiel Locusta, bei der sich schon Kaiser Nero (37 bis 68 n.Chr. ) so manchen giftigen Rat holte, oder Lucrezia Borgia (1480 bis 1519), die ebenso wenig ein unbeschriebenes Blatt in Sachen Giftmischerei war wie Papst Alexander VI. (Amtszeit 1493 bis 1503), der Täter war, aber auch Opfer.
Arzneimittel in tödlichen Dosen
In den Werken Agatha Christies (1890 bis 1976) wurde mit Gift ebenfalls nicht gespart. In 29 Werken der »Queen of Crime« wird der Mord mit Gift ausgeführt. Allein in 13 Titeln kommen die Blausäure und deren Salze, zum Beispiel Zyankali, zum Einsatz, gefolgt von Arsen, Morphin und Digitalis. Aber auch Barbiturate und Strychnin, Chlorhydrate, Aconitin und Thallium sowie Salz- und Oxalsäure gehören zum Repertoire der Krimiautorin, die sechs Jahre ihres Lebens in einer Krankenhausapotheke arbeitete. Eine kleine Diashow erzählte aus dem bewegten Leben der Autorin, die sich schon mit 19 Jahren der Krimiliteratur verschreiben wollte. Der literarische Durchbruch kam dann aber erst 1926. 1930 schuf Agatha Christie neben dem 1,52 m großen, belgischen Privatdetektiv Hercule Poirot, ihre zweite Detektivfigur, die liebenswert schrullige, altjungferliche Miss Marple. Sie lief in der Beliebtheit der Leser dem jüngeren Belgier bald den Rang ab.
Die Reise in die Materia Medica präsentierte ein paar verzwickte Fälle, zu deren Aufklärung die Hilfe der Museums-Besucher benötigt wurde. Welches Zitat gehört zu welchem Roman? Welches Gift wurde verwendet? Wie kann man es nachweisen? Woran konnte man die Vergiftung erkennen? Wer zur Bestimmung etwas beitragen konnte, bekam einen kleinen Preis.
Gifte aus allen drei Naturreichen wurden im Rahmen der »Langen Museumsnacht« in einem kleinen Porträt vorgestellt. Allen voran stand das mineralische Gift Arsen. Die hohe Beliebtheit des schon in der Antike bekannten »weißen Hüttenrauchs«, wie man das Arsen nach seiner Gewinnung beim Erzabbau nannte, beruhte auf der Geschmacksneutralität. Man konnte das Gift als Puderzuckerimitat unbemerkt auf dem Kuchen verabreichen. Erst das Nachweisverfahren, das der britische Chemiker James Marsh (1790 bis 1846) 1836 erfand, setzte dem unbedenklichen Einsatz des sogenannten »Erbschaftspulvers« eine Grenze.
Bei den pflanzlichen Substanzen, die heilende, aber auch stark giftige Wirkung zeigen konnten, waren es die Alkoloide Morphin, Strychnin sowie Aconitin und das Glykosid Digitoxin. Praktisch blieben die meisten Substanzen lange Zeit ohne Gegengift. Das auch als Rattengift verwendete und daher leicht zu beschaffende Strychnin taugte wegen seines auffälligen bitteren Geschmacks nur bedingt zur Vergiftung unliebsamer Zeitgenossen. Man musste einige Tricks anwenden, um dem Opfer den Genuss eines mit Strychnin vergifteten Cognacs schmackhaft zu machen.
Beispielhaft für ein tierisches Gift wurde das in der Spanischen Fliege enthaltene Cantharidin vorgestellt. Die als Aphrodisiaka angewendeten Cantharides konnten in einem Übermaß die unerwünschte Wirkung einer schmerzhaften Hautreizung bis hin zu einem tödlichen Ende haben.
Gifte unter Verschluss
Trotz größter Sicherheitsmaßnahmen bedienten sich die Täterinnen gerne der in Apotheken verwahrten Gifte. In Giftschränken sicher in verschiedenen Fächern gelagert, wurden die Substanzen nur gegen Giftscheine, auf denen Name, Adresse und Verwendungszweck notiert wurden, abgegeben. Natürlich nannte niemand seine Mordabsichten als Grund. Häufig findet man das Motiv der Schädlingsbekämpfung. Anhand von Museumsobjekten wurden Gift-Abgaben mit dem Publikum nachgestellt. Gekennzeichnete Flaschen mit Totenkopf konnten mit geschlossenen Augen ertastet werden. Auch andere Kennzeichnungsmöglichkeiten durch Farbgebung wurden vorgeführt.
Die Raffinessen, die sich die Giftmörderinnen einfallen ließen, um möglichst unbemerkt die tödliche Dosis verabreichen zu können, bildeten in einer amüsanten Vorführung und Pralinenverkostung unter dem Motto »Vorsicht Einstichstelle« den Abschluss des Progamms.
Deutsches Apotheken-Museum
Schlosshof
69117 Heidelberg
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