Klage geht vor den EuGH |
15.04.2015 10:02 Uhr |
Von Anna Hohle / Im Rechtsstreit um minderwertige Brustimplantate gegen den TÜV Rheinland müssen nun Europarichter entscheiden. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Klage einer Patientin an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) verwiesen. Die Frau wirft dem TÜV die Verletzung seiner Aufsichtspflicht vor.
Der vergangene Woche vor dem BGH begonnene Schadenersatz-Prozess gegen den TÜV Rheinland geht vor den EuGH. Das gab der BGH am Donnerstag auf seiner Homepage bekannt. Hintergrund ist der Skandal um minderwertige Brustimplantate des französischen Herstellers Poly Implant Prothèse (PIP) aus dem Jahr 2010. Der TÜV Rheinland war damals als Aufsichtsbehörde für die Firma zuständig gewesen.
Brustimplantate zählen zu den Medizinprodukten der höchten Risikoklasse. Hier müssen die Kontrollen eigentlich besonders streng ausfallen.
Foto: dpa
Klägerin ist eine deutsche Patientin, die sich 2008 nach einer Krebserkrankung PIP-Implantate in beide Brüste hatte einsetzen lassen. Nachdem bekannt geworden war, dass das Unternehmen minderwertiges Industriesilikon verwendet hatte, hatte sie die Implantate entfernen und ersetzen lassen.
Eine Entschädigung für die damit einhergehenden körperlichen und psychischen Belastungen zu erhalten, erwies sich jedoch nicht nur für sie, sondern für viele betroffene Patientinnen als schwierig: Der PIP-Firmengründer wurde bereits zu vier Jahren Gefängnis verurteilt und ist inzwischen insolvent. Haftpflichtversicherer des Unternehmens war die Allianz – von ihr haben jedoch nur französische Patientinnen Schadenersatz zu erwarten. Viele deutsche Betroffene hoffen deshalb auf Zahlungen durch den TÜV.
Nach Ansicht der Klägerin hat die Behörde PIP und seine Produkte nicht ausreichend geprüft und überwacht. Sie fordert deshalb 40 000 Euro Schmerzensgeld sowie einen finanziellen Ausgleich für alle ihr in Zukunft infolge der eingesetzten PIP-Implantate entstehenden Schäden. Nach dem Austausch habe sie an Narbenschmerzen, einer Gürtelrose sowie einer Kapselfibrose gelitten. Nun befürchtet die Frau, dass ihr weitere Operationen mit ähnlichen Komplikationen bevorstehen.
Zwei Vorinstanzen hatten ihre Klage bereits abgewiesen. Die Richter argumentierten, der TÜV habe lediglich anhand von Dokumenten kontrollieren sollen, ob der Hersteller selbst regelmäßig die Qualität seiner Produkte prüft – dies habe die Behörde auch getan. Die Implantate selbst zu untersuchen, sei nicht Aufgabe des TÜV gewesen. Er sei durch den Hersteller bewusst getäuscht worden. Der klagenden Patientin genügte das nicht, sie brachte den Prozess vor den BGH.
Patienten müssen warten
Dieser hat ihn nun an den EuGH nach Luxemburg verwiesen. Die dortigen Richter sollen entscheiden, ob der TÜV Rheinland auch die Implantate selbst regelmäßig prüfen und unangekündigt inspizieren hätte müssen. In der entsprechenden Richtlinie ist nur die Rede davon, dass eine Behörde unangemeldete Besichtigungen durchführen kann. Ob sie es im konkreten Fall auch hätte tun müssen, soll nun von den EU-Richtern geklärt werden.
Der AOK-Vorstandsvorsitzende Jürgen Graalmann bedauerte, dass die betroffenen Patientinnen nun noch länger auf einen Urteilsspruch warten müssen. »Wir hoffen, dass durch den EuGH dann Klarheit geschaffen wird«, sagte er. Graalmann zufolge wäre eine zentrale Zulassungsbehörde für Medizinprodukte die beste Lösung, um ähnliche Skandale künftig zu vermeiden. Auch müsse es mehr Kontrollen vor Ort durch fachkundige und unabhängige Kontrolleure geben. /