Der Krankheit davonlaufen |
16.04.2014 09:30 Uhr |
Von Stephanie Schersch, Berlin / In Deutschland leben mehr als 7 Millionen Menschen mit Diabetes. Vielen von ihnen hilft Sport besser als eine Tablette. Doch noch immer fehlt es an Programmen, die Patienten gezielt zur Bewegung motivieren.
»Aktive Sportler könnten dem Diabetes buchstäblich davonlaufen«, ist Michael Rosenbaum überzeugt. Der Vizepräsident des Deutschen Behindertensportverbands muss es wissen. Es selbst erkrankte vor einigen Jahren an Typ-1-Diabetes. Seine Leidenschaft für den Marathon wollte er deshalb aber nicht aufgeben. Mit Insulin zu laufen war für ihn zunächst eine große Umstellung. Heute hilft ihm der Sport entscheidend im Umgang mit seiner Krankheit.
Für Rosenbaum war das Motivation genug, 2011 das Laufprojekt Diabetes Programm Deutschland (DPD) ins Leben zu rufen. Vor allem bei Typ-2-Diabetikern zeige Sport große Wirkung, sagte Rosenbaum vergangene Woche beim Diabetes- und Sportgipfel in Berlin. »Viele können ihre Medikation reduzieren oder sogar ganz absetzen.« Inzwischen gibt es in 19 Städten Laufgruppen, in denen sich Diabetiker unter ärztlicher Betreuung zu einem 9-monatigen Training zusammenschließen. Das Programm hat zahlreiche Unterstützer, zu denen auch die ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände zählt. Bei fast allen Teilnehmern hätten sich die Gesundheitswerte signifikant verbessert, so Rosenbaum. Langfristig möchte er das Projekt auch auf andere Sportarten ausweiten.
1000 Schritte am Tag
Wie wichtig Bewegung für Diabetiker ist, betonte auch Professor Peter E. H. Schwarz vom Universitätsklinikum Dresden. »Das beste Medikament gegen Diabetes ist nicht immer die Tablette«, sagte er. Bereits 1000 zusätzliche Schritte am Tag könnten den Blutzuckerwert merklich senken. Tatsächlich ist diese Erkenntnis nicht neu. Doch mit einfachen Appellen an die Betroffenen ist es nicht getan. Vielen Patienten fehlt die Motivation zum Sport und Programme wie das DPD sind bislang noch die Ausnahme.
Sport spielt auch in der Diabetesprävention eine entscheidende Rolle. Aus Sicht des CDU-Gesundheitsexperten Dietrich Monstadt ist ausreichende Bewegung heute schlichtweg keine Selbstverständlichkeit mehr. Handlungsbedarf sieht es vor allem in den Schulen. Dort müsse mehr Sport angeboten werden. »Wenn wir den Tsunami aufhalten wollen, der durch Diabetes auf uns zurollt, müssen wir hier ansetzen«, sagte er. Auch Ernährung sollte eine größere Rolle um Schulunterricht spielen.
Probleme mit Übergewicht zeigen sich Studien zufolge besonders häufig in Familien mit geringem sozioökonomischen Status. Professor Hans-Georg Predel von der Deutschen Sporthochschule Köln sieht hier auch den Staat in der Pflicht. In Skandinavien etwa sei es völlig normal, dass Kinder bei Bedarf in Ganztagsschulen zu mehr Bewegung angeleitet würden, wenn die Eltern diese Aufgabe nicht übernehmen. »Warum lassen wir es zu, dass hierzulande bildungsferne Schichten zu wenig Sport treiben?«, fragte Predel.
Koordiniertes Vorgehen
Der Vorstandsvorsitzende der Organisation diabetesDE, Professor Thomas Danne, wünscht sich einen nationalen Diabetesplan, der ein koordiniertes Vorgehen in Sachen Prävention und Behandlung vorgibt. »Dazu ist die deutsche Politik bislang nicht in der Lage gewesen«, bemängelte er.
Prävention sei eine sehr komplexe und daher schwierige Aufgabe, betonte Helga Kühn-Mengel von der SPD. So müssten nicht nur verschiedene Bundesministerien, sondern auch Länder und Kommunen gemeinsam an einem Strang ziehen. Kühn-Mengel sieht neben der Politik aber auch die Unternehmen in der Pflicht. Über betriebliche Gesundheitsförderung erreiche man einen Großteil der Bürger. »Leider engagieren sich noch zu wenige Unternehmen«, sagte sie. Ändere sich daran nichts, müsse die Politik unter Umständen gegensteuern. /