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07.04.2009 16:25 Uhr |
Konfokale Mikroskopie der Haut
a: gesunde Haut; Keratinozyten und Hautfalten(*) durch normale Hautalterung;
b und c: dasselbe Hautareal direkt nach Applikation einer 0,5-prozentigen Mikrosilber-Creme; hoch refraktile Partikel an der Hautoberfläche (b, Pfeile) sowie in den Hautfalten (c, Pfeile)
d und e: zwei Stunden nach Applikation; hoch refraktile Partikel in den Hautfalten (d), an Follikelöffnungen und an der Oberfläche (e); weitere Erläuterungen im Text
Foto: Ulrich
Die Abbildungen b und c wurden sofort nach Applikation einer 0,5-prozentigen Mikrosilber-Creme auf das genannte Hautareal aufgenommen. Es finden sich hoch refraktile, das heißt stark brechende und dadurch hell hervortretende, kleine runde Partikel an der Hautoberfläche (b, Pfeile) sowie in den Hautfalten (c, Pfeile). Die Veränderungen zwei Stunden nach Applikation der Creme zeigen die Bilder d und e. Es zeigen sich hoch refraktile Partikel in den Hautfalten sowie an Follikelöffnungen und an der Oberfläche, wobei jetzt quantitativ weniger Partikel sichtbar sind. Dies könnte daran liegen, dass die Partikel in tiefere Areale der Hautfalten und Follikelöffnungen eingedrungen sind.
Einschränkend ist zu erwähnen, dass derzeit keine detaillierten Daten zum Penetrationsverhalten dieser Silber-Lotion bei Patienten vorliegen, die durch einen genetisch bedingten Defekt in der Filaggrin-Produktion eine deutlich verminderte Barrierefunktion haben (19). Ein solcher Defekt ist zum Beispiel bei vielen Neurodermitis-Patienten nachweisbar. Allerdings erscheint es sehr unwahrscheinlich, dass 10 µm große Partikel penetrieren – aber dazu gibt es keine Studien.
Die Silberpartikel decken erwartungsgemäß nicht die gesamte Hautoberfläche homogen ab. Somit werden Ionen bevorzugt lokal freigesetzt. Man kann erwarten, dass sie auch nur dort die Hautflora beeinflussen. Quantitative Untersuchungen dazu sind noch nicht verfügbar. Einige Studien an Neurodermitis-Patienten weisen jedoch deutlich darauf hin, dass insbesondere die Besiedelung mit Staphylococcus aureus günstig beeinflusst wird (20).
In einer älteren begrenzten Anwendungsstudie an Neurodermitis-Patienten wurde eine signifikante Verbesserung des Hautbildes beobachtet (21). Hierzu wurden Veränderungen im SCORAD-Index (Severity Scoring Of Atopic Dermatitis) gemessen. Dabei erfolgt eine standardisierte Beurteilung des Schweregrads einer Dermatitis anhand der Ausbreitung und Intensität der Hautentzündung, dem Anteil der betroffenen Hautfläche sowie der subjektiven Einschätzung von Juckreiz und Schlafverlust. Der durchschnittliche SCORAD-Index lag zu Beginn der Studie bei 50,80. Bereits nach zweiwöchiger Anwendung einer 0,1 Prozent Mikrosilber enthaltenden O/W-Creme hatte er sich statistisch signifikant auf 36,32 und nach vierwöchiger Therapie auf 24,85 verringert (Abnahme: 53 Prozent) (22).
Überlegungen zur Sicherheit
Die Produktsicherheit hat bei Kosmetika einen sehr hohen Stellenwert. Es ist sicherzustellen, dass es nach dermaler Applikation nicht zu unerwünschten Wirkungen kommt. Die am häufigsten angeführte unerwünschte Wirkung im Zusammenhang mit einer Silberapplikation ist die Argyrie beziehungsweise Argyrose. Dabei handelt es sich um eine irreversible schiefergraue Verfärbung von Haut und Schleimhäuten sowie der Augen als Folge der Ablagerung von Silberpartikeln. Eine Argyrose und andere unerwünschte Wirkungen sind in der Literatur als seltene Ereignisse beschrieben. Sie traten ausschließlich nach langer und/oder hoch dosierter Aufnahme, oft bei oraler Zufuhr von Silberionen auf, wobei Silbersulfadiazin oder kolloidales Silber zitiert wurden (23).
Das Edelmetall ist auch bei innerlicher Anwendung in der Regel sehr gut verträglich. Nur bei ungewöhnlich hoher Dosierung kann man eine akute Toxizität mit Geschmacksstörungen, Geruchsunempfindlichkeit sowie zerebralen Krampfanfällen beobachten.
Die lokale Ionenkonzentration ist beim topischen Einsatz des metallischen Mikrosilbers limitiert. Exakte Daten sind aufgrund der starken Abhängigkeit von den Milieubedingungen schwer zu ermitteln und zurzeit nicht publiziert. Eine systemische Toxizität kann allerdings nur der Anteil entwickeln, der in die Haut penetriert und die Barriere permeiert. Diese Konzentration wurde in Studien in vitro und in vivo bestimmt. Dabei zeigt sich übereinstimmend, dass die Menge an Silberionen, die das Stratum corneum penetriert, extrem gering oder nicht nachweisbar ist. Bei der Anwendung von Cremes und Lotionen, die zwischen 0,1 und 1,5 Prozent Wirkstoff enthielten, wurden weniger als 0,1 Prozent der aufgetragenen Menge in der Hornschicht wiedergefunden. Eine Hautpenetration war nicht nachweisbar (24).
Macht man auf Basis dieser Daten eine konservative Risikoabschätzung, so ergibt sich folgender Zusammenhang: 10 g Creme mit 1 Prozent Mikrosilber enthalten 100 mg Silber. Dieses liefert geschätzte 10 bis 500 µg Silberionen. Maximal 1 Prozent davon penetriert in tiefere Hautschichten. Dies entspricht 0,1 bis 5 µg Silberionen. Demnach werden aus 30 g Creme, die bei großzügiger Schätzung für eine Ganzkörperbehandlung gebraucht werden, 0,3 bis 15 µg Silber über die Haut aufgenommen.
Diese Menge liegt deutlich unter der täglich mit der Nahrung zugeführten Menge von circa 70 bis 88 µg. Nach Ansicht der amerikanischen Umweltschutzbehörde EPA sollen solch geringe peroral aufgenommene Mengen (unter 5 µg Silber pro kg Körpergewicht und Tag) untoxisch sein (25), sodass die aus Silbercremes resorbierte Menge als unbedenklich einzustufen ist.
Dies wird auch durch Ex-vivo-Untersuchungen an der Mundschleimhaut von Schweinen unterstrichen. Innerhalb von vier Stunden fand man weniger als 1,3 Prozent der aufgetragenen Silbermenge in der Mukosa. Hiervon ist vermutlich nur ein sehr geringer Bruchteil biologisch aktiv. Eine Penetration der Mukosa und damit ein Transport ins Akzeptormedium wurden nicht beobachtet.
Zudem ist der Sinn einer antimikrobiell wirksamen Substanz in Kosmetika zu diskutieren. Der Einsatz solcher Stoffe ist allerdings kein Novum, denn die meisten handelsüblichen Hautpflegeprodukte enthalten zur Sicherung der mikrobiologischen Qualität geeignete Konservierungsmittel. Diese konservieren nicht nur das Kosmetikum, sondern töten bei der Anwendung auch Keime auf der Haut ab. Dabei liegt es in der Natur der konservierenden Zusätze, dass eine Unterscheidung zwischen guten (kommensalen) und »bösen« (pathologischen) Keimen nicht möglich ist. Die jahrzehntelange Praxis hat aber gezeigt, dass die Nutzer von Hautpflegeprodukten durch eine solche unspezifische Keimabtötung nicht geschädigt wurden.
Dies trifft auch auf Mikrosilber zu. Ein wesentlicher Vorteil liegt darin, dass es nur punktuell auf der Hautoberfläche abgelagert wird und nicht in die Haut eindringt. Dies steht im Gegensatz zu den klassischen Konservierungsmitteln, die auf der gesamten Hautoberfläche verteilt werden und auch in die Haut penetrieren können. Daher ist die Verträglichkeit von Mikrosilber in Kosmetika sehr gut und seine Anwendung sicher.
Fazit
Mikrosilber ist eine innovative physikalische Form von metallischem Silber. Das antimikrobielle Profil ist mit dem von Nanosilber vergleichbar. Bei topischer Applikation verbleibt die Substanz jedoch nachweislich auf der Haut und kann dort lokal antibakteriell wirken. Einsatzgebiete sind die Prophylaxe von Hautkrankheiten sowie die unterstützende Pflege bei Hautkrankheiten wie der Neurodermitis. Eine toxikologisch bedenkliche Aufnahme von Silberionen aus Mikrosilber in und durch die Haut ist nicht zu erwarten.
Die typische Einsatzkonzentration des Mikrosilbers in handelsüblichen Dermokosmetika beträgt 0,05 bis 0,5 Prozent. Sie hängt stark von der galenischen Form, den gewählten Produktaussagen, dem Ort der Applikation und der Anwendungsdauer ab. Wenn der Einsatz von Mikrosilber in der Dermokosmetik durchdacht erfolgt und die Rezeptur angepasst wird, lassen sich Produkte mit hoher Sicherheit und Pflegewirkung herstellen.
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Rolf Daniels studierte Pharmazie in Regensburg und wurde 1985 promoviert. Zunächst als Laborleiter in einer Pharmafirma und dann als Akademischer Rat am Institut für Pharmazie der Universität Regensburg tätig, habilitierte er sich 1994 und erhielt die Lehrbefugnis für Pharmazeutische Technologie. Zehn Jahre war er als Professor für Pharmazeutische Technologie an der TU Braunschweig tätig, bevor er 2004 an die Universität Tübingen wechselte. Seine Hauptforschungsgebiete umfassen die Entwicklung und Charakterisierung von tensidfreien Emulsionssystemen, die Stabilitätsvorhersage halbfester Zubereitungen sowie die Entwicklung von Freigabesystemen für biotechnologisch gewonnene Arzneistoffe.
Martin Mempel studierte Humanmedizin in München und Hamburg und wurde 1995 promoviert. Nach seiner Facharztausbildung für Dermatologie und Allergologie an der Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie der TU München habilitierte er sich 2004 mit einer Arbeit zur kutanen Granulomentstehung. Seit 2005 ist er hier als Oberarzt tätig. Von 1998 bis 2001 arbeitete er als wissenschaftlicher Post-Doc am Pasteur-Institut, Paris, über das humane T-Zellrepertoire. Sein wissenschaftliches und klinisches Arbeitsgebiet umfasst die Dermatoinfektiologie und die Immunregulation bei atopischen Erkrankungen.
Martina Ulrich studierte Medizin in Kiel und Berlin und ist seit 2004 in der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie der Charité, Universitätsmedizin Berlin beschäftigt. Neben der klinischen Tätigkeit im Hauttumorzentrum gilt ihr Hauptforschungsinteresse der Reflektanz-konfokalen Lasermikroskopie (RCM), über die sie auch ihre Promotionsarbeit anfertigte. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf der nicht-invasiven Diagnostik von Hauttumoren sowie der Darstellung von Therapieeffekten.
Peter Steinrücke studierte Biochemie in Hannover und wurde an der Universität Lübeck promoviert, wo er auch Lehrtätigkeiten übernahm. 1993 wechselte er an das Institut für Molekulare Biotechnologie in Jena. Dort befasste er sich unter anderem mit Enzymtechnologie sowie mit der Entwicklung molekular optimierter Nachweisverfahren. 2000 gründete er gemeinsam mit Dr. Thorsten Bechert die heute als Bio-Gate AG notierte Firma. Steinrücke ist Member of the Executive Board und verantwortet den Bereich FuE sowie IP.
Für die Verfasser:
Professor Dr. Rolf Daniels
Lehrstuhl für Pharmazeutische Technologie
Pharmazeutisches Institut
Eberhard-Karls-Universität Tübingen
Auf der Morgenstelle 8
72076 Tübingen
E-Mail: rolf.daniels(at)uni-tuebingen.de
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