Für Schwangere tabu |
08.04.2015 10:25 Uhr |
Von Ulrike Viegener / Obwohl AT1-Antagonisten und ACE-Hemmer schwere embryonale Schäden verursachen können, werden immer wieder Schwangere mit diesen Substanzen behandelt. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte mahnt deshalb im aktuellen Bulletin zur Arzneimittelsicherheit zu erhöhter Aufmerksamkeit.
Werden Schwangere im zweiten oder dritten Trimenon mit AT1-Antagonisten beziehungsweise ACE-Hemmern behandelt, kann es zu schweren und unter Umständen sogar lebensbedrohlichen Fetopathien kommen. Dazu gehören ein Mangel an Fruchtwasser, Nierenfunktionsstörungen, Gelenkkontrakturen, Lungen- und Schädelhypoplasie sowie Hohlvenenthrombosen. Bereits in den 1980er-Jahren wurden Fälle von Fetopathien unter ACE-Hemmern beschrieben, der erste dokumentierte Fall unter AT1-Antagonisten datiert aus dem Jahr 2001.
Es ist davon auszugehen, dass bei der Einnahme von ACE-Hemmern und AT1-Antagonisten in den letzten beiden Schwangerschaftsdritteln grundsätzlich die Gefahr einer Fetopathie besteht.
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Die Kausalität ist unstrittig, und es ist davon auszugehen, dass bei der Einnahme dieser Arzneistoffe in den letzten beiden Schwangerschaftsdritteln grundsätzlich die Gefahr einer Fetopathie besteht. Zum Risiko im ersten Trimenon liegen keine belastbaren Daten vor. Hinweise auf Begleitfaktoren, die das Risiko erhöhen, gibt es nicht. Auch fehlen prospektive Daten, anhand derer sich das Risiko genau beziffern ließe.
Konkret und plausibel sind die Erkenntnisse zur Pathogenese der durch diese Arzneistoffklassen hervorgerufenen Fetopathien, wie Dr. Marc Oppermann und Professor Dr. Christof Schaefer vom Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum (PVZ) für Embryonaltoxikogie der Charité Berlin jetzt erläutern: Die Wirkstoffe reduzieren die Aktivität von Angiotensin II als Haupteffektor des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems (RAAS) – ein Effekt, der sich auch im fetalen Kreislaufsystem manifestiert. Ein ausreichender RAAS-Tonus ist jedoch essenziell für eine normale Ausdifferenzierung der Nieren-tubuli.
Gefährlicher Mangel an Fruchtwasser
Die Nieren des Fötus beginnen im zweiten Trimenon zu arbeiten. Ist die fetale renale Funktion gestört, kommt es zu einer Abnahme des Fruchtwassers (Oligohydramnion bis hin zum Anhydramnion), die für den Embryo lebensbedrohlich ist beziehungsweise weitere Komplikationen nach sich zieht. Der eingeschränkte Bewegungsraum des Fötus ist die Ursache für Kontrakturen großer Gelenke, und auch eine Lungenhypoplasie kann die Folge des Frucht- wassermangels sein.
Für Schädelkalottenhypoplasie und Hohlvenenthrombosen ist vermutlich eine Minderperfusion verantwortlich. Vor allem bei Lungenhypoplasie ist die neonatale Sterblichkeit erhöht.
Das PVZ berät zu Fragen der Arzneimittelsicherheit in der Schwangerschaft und protokolliert nach der Beratung die Verläufe bis zur kinderärztlichen Vorsorgeuntersuchung U3 im Alter von vier bis sechs Wochen. Aufgrund PVZ-eigener Daten kommen die Autoren zu dem Schluss, dass die Fetotoxizität von ACE-Hemmern und AT1-Antagonisten nicht hinreichend bekannt ist beziehungsweise beachtet wird. 2014 betrafen 0,53 aller Schwangerschaftsanfragen ACE-Hemmer und 0,29 Prozent AT1-Antagonisten, wobei von einer nicht unbeträchtlichen Dunkelziffer auszugehen ist.
Hinsichtlich der AT1-Antagonisten war in den letzten Jahren ein leichter Anstieg der Beratungen zu verzeichnen, was die Autoren damit erklären, dass diese modernen Antihypertensiva als Wirkstoffe mit minimalen Risiken wahrgenommen werden.
Methyldopa gilt als Alternative
Aufgrund des hohen Risikos schwerer Fetopathien fordern die Autoren, bei Schwangeren auf ACE-Hemmer und AT1-Antagonisten zu verzichten. Stattdessen komme für schwangere Frauen beispielsweise Methydopa infrage.
Vor dem Hintergrund, dass Schwangerschaften oft nicht geplant sind, sprechen sich die Autoren sogar dafür aus, bei allen Frauen im gebärfähigen Alter die Indikation für die beiden Substanzklassen eng zu stellen und die Patientinnen grundsätzlich über das Risiko von Fetopathien zu informieren. Tritt unter ACE-Hemmern oder AT1-Antagonisten eine Schwangerschaft ein, müsse die Medikation umgehend umgestellt und ein Oligohydramnion ausgeschlossen werden. /